Liebe ...,
ich habe viel über unser Gespräch nachdenken müssen, das wir vor einigen Wochen beim Essen geführt haben. Du und Dein Freund, Ihr hattet Euch gerade getrennt, und er fehlte Dir noch sehr. Doch Du wußtest, daß es dieser Freundschaft an etwas gemangelt hatte — vielleicht von Anfang an. Etwas, was Du eine „geistige Dimension“ nanntest. Und Du überlegtest, wie Du es anfangen solltest, wieder einen festen Freund zu finden.
Ich erinnere mich, daß wir über einige Dinge sprachen, die Du als hilfreich ansahst: einen Singletreff, eine Partnervermittlung oder einfach andere wissen lassen, daß Du „frei“ bist.
Aber, weißt Du, ich bin nicht sicher, daß irgendeine dieser Ideen Dir die besondere Beziehung bringen würde, die Du suchst — eine, in deren Mittelpunkt etwas Geistiges und Dauerndes steht oder die vielleicht sogar in eine Ehe münden könnte. Ich bin davon überzeugt, daß für eine richtig befriedigende Beziehung etwas Tieferes erforderlich ist — so etwas wie Gebet.
Laß mich erklären, was ich mit Gebet meine. Als Christliche Wissenschafterin ist Gebet für mich etwas anderes, als nur eine Bitte an Gott zu richten — etwa in der Art: „Bitte, laß einen neuen, besonderen Menschen in mein Leben treten ... — einen, der gut aussieht, intelligent ist und sich möglichst für Musik interessiert!“
Natürlich wendet sich eine solche Bitte mit offenen Armen an Gott. Und das ist gut so. Doch unterschätzt sie nicht gleichzeitig, was Gott für uns tun kann und was er schon für uns getan hat?
Er hat uns als Seine geliebten Kinder geschaffen, als Sein eigenes Gleichnis, vollkommen bis ins Detail. Jeder von uns drückt als das geistige Gleichnis Gottes auf ganz individuelle Weise die Schönheit und Herrlichkeit unseres Vater-Mutter Gottes aus. Es macht uns im höchsten Sinn des Wortes attraktiv, wenn wir diese Wahrheit immer mehr erkennen und danach leben. Wer könnte denn auch Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Reinheit, Freude, Sanftheit, Aufrichtigkeit und Treue widerstehen? Diese gottgegebenen Eigenschaften Tag für Tag, ja Stunde für Stunde auszudrücken ist ein wesentlicher Aspekt des Gebets. Mary Baker Eddy (das ist die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft) schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Am meisten bedürfen wir des Gebetes inbrünstigen Verlangens nach Wachstum in der Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 4.
Nicht nur können wir Gottes Liebe Ausdruck geben, wir können Seine Liebe auch empfangen — in einem Maße, das weit über alles hinausgeht, was wir uns vorstellen können. Die Bibel beschreibt Gottes überreiche Güte so: „Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf daß in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle.“ Mal 3:10.
Vielleicht könntest Du also, was Deine Freundschaftssituation betrifft, so beten, daß Du Dich dem lebendigen Ausdruck der göttlichen Liebe überall um Dich herum öffnest — zum Beispiel der Verkäuferin, die Dich fragt, wie es Dir geht, und die Deiner Antwort dann wirklich zuhört; dem gutgekleideten Mann, der sich auf dem Weg zur Arbeit auf dem Bürgersteig niederbeugt, um einem Obdachlosen etwas Geld zu geben; sogar der Hauskatze, die sich auf Deinem Schoß einrollt, wenn Du fernsiehst. In gewisser Weise sind solche Erlebnisse alle eine Antwort auf Dein Gebet. Sie können als ein kleines, doch sicheres Zeichen dafür angesehen werden, daß Gott Seine Kinder liebt — und daß er Dich liebt.
Vielleicht hast Du das Gefühl, daß Gottes Liebe einfach nicht genug ist, um Dich zufriedenzustellen — um ein einsames Wochenende auszufüllen oder Dir darüber hinwegzuhelfen, daß der junge Mann, den Du vor ein paar Tagen kennengelernt hast, Dich nicht zurückruft. Aber wenn Du an die heilende Macht denkst, die hinter jedem Impuls der Liebe Gottes steht, den Du fühlst, hinter jeder uneigennützigen Tat, deren Zeuge Du wirst, dann wirst Du verstehen, warum Gottes Liebe Befriedigung gibt wie nichts sonst. Da die göttliche Liebe weder Anfang noch Ende kennt, kannst Du Dich nie außerhalb dieser Liebe befinden. Sie ist immer bei Dir. Du bist immer in Gottes ewigen Armen geborgen.
Weißt Du, ich habe nicht immer gespürt, daß Gottes Liebe völlige Befriedigung gibt. Als junges Mädchen wollte ich einfach Jungen als Freunde haben. Punktum. Doch einige dieser frühen Freundschaften waren alles andere als glücklich. Entweder litt ich darunter, oder ich schaffte es, jemand anderem Kummer zu bereiten (ohne es zu wollen, natürlich). Schließlich fragte ich mich: „Warum ist es Dir überhaupt so wichtig, mit einem Jungen zu gehen?“ Offen gesagt war ich hauptsächlich an den Vorteilen interessiert, die mir das brachte. Ich glaubte, es meinem Ruf schuldig zu sein, und wollte nicht in die unangenehme Situation kommen, allein zu Veranstaltungen und Parties gehen zu müssen.
Ich mußte Gott in meinen Beziehungen stärker in den Mittelpunkt stellen und weniger mich selbst. Es mag komisch klingen, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß Gott im Mittelpunkt stehen muß, aber ich glaube, das ist ein zentraler Punkt. Mit unseren Beziehungen zum anderen Geschlecht ist es genauso wie mit allen anderen Dingen, die wir tun; wir werden uns absolut miserabel fühlen, wenn allein egoistische Motive dahinterstehen. Sie können jedoch zu einem echten geistigen Abenteuer werden, wenn wir aus der reinsten Liebe handeln, die wir für Gott und Seine geliebten Kinder aufbringen können.
In Wissenschaft und Gesundheit stellt Mrs. Eddy einige Fragen hinsichtlich der Motive für unser Gebet. Diese Fragen setzen einen Maßstab für Gebet, den wir, so scheint mir, gut bei unseren Beziehungen und den Motiven dafür anlegen können. Sie fragt: „Lieben wir unseren Nächsten mehr infolge dieser Bitte?“ Und weiter unten auf der Seite fragt sie: „Liebst du ‚Gott‚ deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte‘?“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 9.
Es wird jede egoistische Verhaltensweise automatisch auslöschen und uns fester auf die Grundlage der unwandelbaren Liebe Gottes stellen, wenn wir diese Fragen mit „Ja“ beantworten können. Es wird uns veranlassen, zuerst an den anderen zu denken und nicht an uns selbst — daran, für ihn da zu sein und all das anzuerkennen, was gut ist an ihm als einem Ausdruck der Güte Gottes, sogar daran, ihn freizugeben, wenn es das wäre, was ihn am meisten segnen würde.
Beziehungen zwischen zwei Menschen mögen kommen und gehen, aber unsere Beziehung zu Gott besteht für immer. Unser liebender Vater-Mutter Gott spielt nie mit uns, verliert nie das Interesse an uns, läßt uns nie im Stich. Die Beziehung zu Ihm ist der Schlüssel zu allen anderen Beziehungen. Wird sie verstanden, so zeigt sie uns, wie wir wahre Liebe geben und empfangen können. Sie ist ein Vorbild für die menschliche Liebe. Und sie verleiht jeder Beziehung eine wunderbar anregende Frische und gibt ihr das gewisse Etwas — jene „geistige Dimension“, von der Du sprachst.
Wie ich mit Mose gewesen bin,
so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht
verlassen noch von dir weichen. Siehe, ich habe dir geboten,
daß du getrost und unverzagt seist. Laß die nicht grauen
und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott,
ist mit die in allem, was du tun wirst.
Josua 1:5, 9
 
    
