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Seine Mutterliebe

Aus der August 1994-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Voller Freude Hopste sie auf und nieder, als die Maschine zum Flugsteig rollte. Diese erwachsene Frau wäre allgemein als geistig behindert bezeichnet worden. Jetzt umklammerte sie den Arm ihrer Mutter und beobachtete in atemloser Spannung, wie die Passagiere nacheinander in die Ankunftshalle kamen.

Endlich erspähte sie ihren Vater. Und mit einem lauten Freudenquietscher lief sie auf ihn zu. Ihr Gesicht war dabei so schön, daß man es nicht beschreiben kann, so schön, daß der Frau neben mir die Tränen kamen. „Wie das Gesicht eines Engels!“ sagte sie.

Was mich aber am meisten bewegte, war das Gesicht des Vaters, als er die Arme um seine Tochter schlang. Sein ganzes Wesen strahlte unvergeßliche Liebe aus — jene zärtliche, überströmende und langmütige Liebe, die von vielen „Mutterliebe“ genannt wird. Eine Liebe, die niemals Vorbehalte hat und nie versiegt. Eine beständige Liebe, die direkt von Gott kommt, dem Geber aller wahren Liebe.

Der Blick des Vaters, der so viel Liebe ausdrückte, erinnerte mich an das, was Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit über mütterliche Gefühle sagt. Sie schreibt: „Die Liebe einer Mutter kann ihrem Kinde nicht entfremdet werden, da die Mutterliebe Reinheit und Beständigkeit in sich schließt, die beide unsterblich sind.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 60.

Mrs. Eddy kannte diese Mutterliebe aus eigener Erfahrung. Und ihre Liebe wurde auf eine harte Probe gestellt. Ihr einziger Sohn George wurde ihr, als er erst sechs Jahre alt war, von Verwandten weggenommen, weil man meinte, daß ihre zarte Gesundheit durch seine Wildheit zu sehr gefährdet sei.

Mrs. Eddy sah ihren Sohn erst wieder, als er 35 Jahre alt war — da war er verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie war überglücklich und lud ihn ein, zu ihr nach Boston zu kommen. George akzeptiert nie die geistigen Erkenntnisse, die seine Mutter zu einer der bedeutendsten Frauen ihrer Zeit machten. Trotzdem überschüttete sie ihn und seine Familie bis an ihr Lebensende mit Mutterliebe. Und selbst als er sich von anderen dazu überreden ließ, mit ihnen einen Prozeß gegen sie anzustrengen — einen vergeblichen Versuch, die Verwaltung ihres Vermögens in die Hand zu bekommen, als sie 86 Jahre alt war —, verzieh sie ihm doch von ganzem Herzen.

Doch die Mutterliebe, die Mary Baker Eddy so tief empfand, hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Männer können diese Liebe ebenso natürlich ausstrahlen wie Frauen, so wie es auch der Mann im Flughafengebäude tat. Ja, selbst biologische Vater- oder Mutterschaft hat nichts mit der Fähigkeit zu tun, diese Liebe auszudrücken.

Da unser wahres Sein die geistige Widerspiegelung Gottes, des alliebenden Vaters und der Mutter der ganzen Schöpfung ist, kann jeder von uns die Liebe, die von unserem Vater-Mutter Gott kommt, mit mütterlicher wie väterlicher Zuneigung ausdrücken. Wir können die Kraft und das Beschützende, das wir mit der männlichen Liebe verbinden, ebenso leicht spüren wie die Sanftheit und Einfühlsamkeit, die wir der weiblichen Liebe zusprechen.

Und wir alle können die ganze Skala der Eigenschaften ausdrücken, die mit der Vater- und Mutterschaft Gottes verbunden sind. Wir können die göttliche Macht und Intelligenz ebenso völlig widerspiegeln wie die nie endende Güte und Geduld unseres Vater-Mutter Gottes. Mary Baker Eddy erklärt in Wissenschaft und Gesundheit: „Mann und Weib, die zugleichbestehend und ewig mit Gott sind, spiegeln in verherrlichter Eigenschaft immerdar den unendlichen Vater-Mutter Gott wider.“ Etwas weiter unten auf derselben Seite betont sie, daß die Einteilung in Geschlechter nicht von Gott herrührt, sondern einem Denken entstammt, das in der Sterblichkeit verwurzelt ist: „Männliche, weibliche und sächliche Geschlechter“, so schreibt sie, „sind menschliche Begriffe.“ Ebd., S. 516.

Wenn wir uns nur als Vertreter unseres Geschlechts ansehen, dann teilen wir uns in zwei verschiedene Parteien ein, die unausgesetzt den „Krieg der Geschlechter“ ausfechten. Aber andere so zu sehen, wie Jesus sie sah — als Kinder Gottes und frei von religiösen, ethnischen und geschlechtlichen Etiketten —, das vereint uns. So schrieb Paulus im Galaterbrief: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Gal 3:28.

Das Verständnis, daß Gott Vater-Mutter ist, der (oder die) alle männlichen ebenso wie alle weiblichen Eigenschaften in sich faßt, bewahrt uns ein für allemal vor den Tücken eines Denkens in geschlechtlichen Kategorien. Wenn Gottes Sein über alle geschlechtlichen Klischees erhaben ist, dann ist unseres es auch. Wenn die Eigenschaften Gottes ihren Ursprung nicht im Geschlecht haben, dann trifft das auch auf uns zu — denn wir sind zu Seinem Bild geschaffen. Und wenn Gott durch kein Geschlecht begrenzt ist, warum sollten wir es dann sein?

In den ersten Jahren nach ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft scheute sich Mary Baker Eddy davor, die Führung der Bewegung zu übernehmen, die sie ins Leben gerufen hatte. Schließlich erkannte sie aber, daß sie als Frau nicht weniger für die Führerrolle in der christlich-wissenschaftlichen Bewegung geeignet war. Sie sah die Zeit dafür gekommen, daß Frauen neue, höhere Aufgaben im Dienste Gottes und der Menschen übernehmen. „Dies ist die Stunde der Frau“, schrieb sie 1891, „mit all ihren köstlichen Gegebenheiten und mit ihren sittlichen und religiösen Reformen.“ Nein und Ja, S. 45. Und sie handelte nach ihren Worten. Unerschrocken organisierte sie „Die Mutterkirche“ (die sie ursprünglich 1879 gegründet hatte) völlig neu und machte sie zu einer einzigartigen Institution, deren Ziel es sein sollte, Gottes mütterliche Liebe allumfassend auszudrücken.

Mrs. Eddy las damals, als die Vorstellung von einem göttlich bevollmächtigten Frauentum in ihrem Lebenswerk Gestalt annahm, einmal einen Artikel von Walt Le Noir Church, dem Herausgeber der New Century. Der Artikel war 1895 erschienen und spiegelte so sehr ihre eigene Anschauung wider, daß sie sagte: „Ich könnte diesen Artikel unterschreiben, ohne ein Wort zu verändern.“ Mit Freuden veröffentlichte sie ihn im Christian Science Journal und in ihrem Buch Kanzel und Presse. Die Abhandlung von Church schließt mit einer bewegenden Verkündigung. „Jene Zeit ist nahe“, schrieb er, „wo, die neue Frau‘ die ganze Erde mit den Waffen des Friedens bezwingen wird. Dann... [werden] der neue Mann und die neue Frau Seite an Seite als gleichberechtigte Partner stehen... in allem, was wert ist, daß man dafür lebt.“ Kanzel, S. 84.

Das volle Potential gottverliehener Weiblichkeit zu verstehen heißt keineswegs, daß man das Potential gottverliehener Männlichkeit übersieht — und umgekehrt. Wie der Artikel von Church hervorhebt, gehört zur neuen Frau ganz natürlich der neue Mann. Wenn die Frauen die Freiheit gewinnen, alles zu sein, was sie geistig sein können, dann werden auch die Männer der gleichen Freiheit teilhaftig.

Männer und Frauen, die ihre begrenzten Ansichten über die Geschlechter ablegen, erfahren, daß sich ihr Denken und Erleben unweigerlich erneuert. Sie ziehen „den neuen Menschen an“ Eph 4:24., wie es Paulus von uns fordert. Sie entdecken ihre Vollständigkeit in Gottes Vollständigkeit. Und sie fühlen wie nie zuvor die Mutterliebe Gottes und drücken sie aus.

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