Ein Ganz Besonderer Platz in meinem Herzen gehört meinen Schülern — ungeachtet dessen, was sie außerhalb der Schule tun. Ich erwarte gute Leistungen von ihnen. Ich liebe jeden einzelnen und weiß, daß sie diese Liebe spüren.
Wahrscheinlich haben die meisten meiner Schüler noch nie etwas von der Christlichen Wissenschaft gehört, und da ich an einer staatlichen Schule unterrichte, spreche ich dort auch nicht mit ihnen darüber. Aber es gibt viel, was ich ihnen — vor allem durch mein Beispiel — vermitteln kann. Ich kann Eigenschaften wie Ruhe, Ordnung und Vertrauenswürdigkeit fördern — etwas, wonach diese Schüler sich wirklich sehnen!
Als ich mich mit der Christlichen Wissenschaft zu beschäftigen begann und etwas über meine geistige Identität als Ebenbild Gottes erfuhr, erkannte ich, daß ich Talente und Fähigkeiten besitze, die ich nie in mir vermutet hätte. Diese wundervollen Fähigkeiten hat Gott mir verliehen. Und da Gott, Liebe, unparteiisch ist, hat Er auch allen anderen Menschen geistige Gaben in reicher Fülle geschenkt. Wir sind alle Gottes Kinder. Mir wurde klar, daß es meine Aufgabe ist, diese göttlichen Eigenschaften in anderen zu suchen und zu finden. Wenn ich konsequent darauf bestehe, daß jeder gottgegebene Eigenschaften besitzt, dann sehe ich sie um mich her in meinen Schülern und Kollegen ausgedrückt.
Ich unterrichte an einer Schule, die mitten in dem Stadtteil von Los Angeles liegt, wo 1992 die Unruhen stattfanden, und ich gehöre einer anderen ethnischen Gruppe an als meine Schüler. Während der Unruhen waren Truppen der Nationalgarde ein paar Häuserblocks von der Schule entfernt stationiert. Man hört so viel Negatives über die Innenstädte, aber ich habe hier nur gute Erfahrungen gemacht. Sicher — schon jahrelang wird unsere Schule von Aufsichtsbeamten und einem Hilfssheriff kontrolliert. Aber das ermahnt mich nur immer wieder, selber wachsam zu sein und mein Denken zu erheben — Haß, Furcht, Kritik und andere feindliche Gedanken nicht einzulassen. In der Bibel heißt es: „Wenn der Feind wie ein reißender Strom kommt, wird der Geist des Herrn den Schild gegen ihn erheben.“ Jes 59:19 [nach der engl. King-James-Bibel]. Ich weiß, daß der Geist Gottes immer gegenwärtig ist, um das menschliche Denken zu erheben, und darum haben meine Schüler und ich alles, was wir dazu brauchen.
Was ist dann unsere Aufgabe als Lehrer, Berater oder Eltern? Wir müssen gute Erwartungen haben! Ich erwarte immer, daß meine Schüler ihr Bestes geben, und das ist ein Ansporn für sie, das Rechte zu tun. Liebe, die der Ausdruck der göttlichen Liebe ist, hilft uns, alle negativen Urteile über einen Schüler durch die Wahrnehmung seiner wahren, geistigen Eigenschaften zu ersetzen und dadurch Heilung herbeizuführen.
Unsere Erwartung beruht auf einer soliden geistigen Grundlage, auf der Tatsache nämlich, daß die Schüler schon jetzt, in diesem Augenblick, in ihrem wahren Sein geistig und gottähnlich — und darum vollkommen gut — sind. Daher können sie im absoluten Sinn niemals Gedanken der Feindseligkeit hegen oder von solchen Gedanken berührt werden. Die höchste Norm für Lehrer wie Schüler ist: das zu sein, was wir in Wirklichkeit bereits sind — das Ebenbild von Geist und Liebe. Ich halte eisern an der biblischen Tatsache fest, daß der Mensch Gottes Bild und Gleichnis ist, ganz gleich, wie die Schüler sich verhalten. Das ist weit mehr als nur positives Denken! Wenn wir andere geistig erkennen, so wie Gott sie tatsächlich geschaffen hat, dann stehen wir auf der Seite der Wahrheit des Seins, und das wirkt heilend, erneuernd — es hat eine Kraft, die allein dem christusgleichen Denken innewohnt.
Ich sehe meine Aufgabe gern darin, daß ich den Schülern helfe, ihre geistige Identität zu erkennen. Dadurch wird ihnen klar, wie natürlich es ist, die rechte Autorität zu respektieren, und daß sie die Fähigkeit haben, aufrichtig und ehrlich zu reden und zu handeln. Mrs. Eddy drückt das in ihrem Buch Kanzel und Presse so aus: „Wisset denn, daß ihr unumschränkte Macht besitzt, recht zu denken und zu handeln, und daß nichts euch dieses Erbes berauben und gegen die Liebe verstoßen kann.“ Kanzel, S. 3. Ich habe erlebt, daß Schüler, die sich ihrer „Macht“ bewußt wurden, „recht zu denken und zu handeln“, ganz natürlich Gehorsam und Respekt entwickelten.
Daß junge Menschen Autorität in Frage stellen, ist nicht negativ zu werten, wenn es aus dem Wunsch erwächst, „recht zu denken und zu handeln“. Es kann ein Zeichen für ein tastendes Suchen nach geistigen Werten sein. Die Schüler sprechen auf die Eigenschaften der Wahrheit an, die der Lehrer zum Ausdruck bringt. Sie sperren sich jedoch gegen rein menschliche Autorität. Die göttlichen Gedanken eines Lehrers können eine Atmosphäre schaffen, in der die Schüler ihre gottgegebene Identität entdecken und dadurch lernen, Autorität zu respektieren. Ich bemühe mich ständig um eine solche helfende Atmosphäre. Ein Lächeln und echte Liebe bewirken bei den Schülern besonders viel.
An dem Morgen, nachdem die Ausschreitungen in Los Angeles begonnen hatten, wollten einige Schüler über die Gewalttaten und das Plündern reden. In den Nachrichten war häufig das Wort heilen gebraucht worden. Und so sagte ich zu ihnen, sie könnten alles vorbringen, was nützlich, aufbauend oder heilend sei. Sie waren dankbar für die Gelegenheit, sich aussprechen zu dürfen. Eine Bemerkung war besonders aufschlußreich. Ein Mädchen hob die Hand und fragte: „Können wir die Lösung eines Problems nicht als erhörtes Gebet ansehen?“ Eine weitere Bemerkung kam von einer Schülerin, die meinte, die Menschen ihrer Rasse sollten erwarten, nicht so behandelt zu werden wie andere Leute. Im Verlauf des Gesprächs aber kamen wir darauf, daß nicht die Hautfarbe einer Person, sondern die Eigenschaften, die ein Mensch zum Ausdruck bringt, wichtig sind. Wir alle haben die gleichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben: die Fähigkeit, das Gute auszudrücken.
An dem gleichen Morgen kam ein Schüler extra zu mir, um mir zu zeigen, daß er seine Hausaufgaben gemacht hatte, und zu fragen, ob sie richtig seien. Eine Kleinigkeit? Vielleicht — aber sehr erstaunlich bei dem Ruf, den dieser Schüler „genoß“. Vom ersten Tag an in meiner Klasse hatte ich darum gebetet, ihn im rechten Licht zu sehen. Ich hatte die menschlichen Beurteilungen, die früher über ihn erstellt worden waren, nicht angenommen, sondern sie durch Gottes Urteil über ihn ersetzt, nämlich daß er gut und rein war. Ich habe in meiner Klasse nie Probleme mit ihm gehabt. Und an diesem Morgen, an dem aller Grund für eine besonders gespannte Atmosphäre bestanden hätte, gab es bei uns im Klassenzimmer keine Spur davon. Ich legte meinen Arm um den Jungen, und wir fühlten einen Augenblick lang beide tiefen Frieden.
Auch meine Kollegen haben anscheinend etwas von dieser geistigen Ruhe gespürt. Eine Lehrerin, die im ersten Berufsjahr stand, kam in unser Klassenzimmer und fragte mich, was sie in einigen Angelegenheiten tun könne. Ein Lehrer im zweiten Berufsjahr verbrachte seine Freistunde bei mir im Unterricht und beobachtete, was meine Schüler und ich taten. Mittags sagte er mir, er habe noch nie in einem Klassenzimmer eine so positive Atmosphäre empfunden wie bei uns. Nun wisse er, was er tun müsse, um ein besserer Lehrer zu werden. Ich glaube, das kam daher, daß in unserem Klassenzimmer die göttliche Liebe zum Ausdruck gekommen war. Was meine Kollegen spürten, war das göttliche Gute, das allen zur Verfügung steht.
Wenn Erzieher erkennen, daß jeder — Eltern, Lehrer und Schüler — die gottgegebene Vollmacht besitzt, „recht zu denken und zu handeln“, wird das ganze Erziehungssystem auf eine höhere Ebene gehoben. Und dieser höhere Standpunkt segnet mit Sicherheit die menschliche Gesellschaft und die ganze Welt!