Ein Gesichtspunkt der Christlichen Wissenschaft wird in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen: das Heilen durch Gebet. Dieses Heilen jedoch ist nur ein Teilaspekt der vor mehr als 130 Jahren aus dem amerikanischen Protestantismus hervorgegangenen Religionsgemeinschaft.
Das eigentliche Ziel der Christlichen Wissenschaft ist identisch mit dem des Christentums, nämlich die völlige Erlösung von Sünde, Krankheit und Tod. Jede Verengung (Eingrenzung) auf das körperliche Heilen als der Qualität der Christlichen Wissenschaft wäre deshalb sinnwidrig. Nicht nur die gut dokumentierte Heilungstradition in der Christlichen Wissenschaft jedoch, sondern im zunehmenden Maße auch Heilungsbestrebungen in anderen Kirchen zeigen, daß
a) die christliche Nachfolge das Heilen der Kranken in natürlicher Weise einschließt,
b) dieses Heilen nichts mit physischer Therapie oder Diagnose zu tun hat.
In der Elisabethenkirche in Basel bieten seit einiger Zeit jeden Donnerstagnachmittag mehrere Heilerinnen ihre Dienste durch Handauflegen an und verzeichnen großes Interesse. Durchschnittlich 50 Personen würden jedesmal donnerstags diesen kirchlichen Dienst nutzen, berichtete kürzlich die Schwäbische Zeitung (23. April 1996). So wichtig es auch ist, daß alle Christen über diese Fragen nachdenken und sich austauschen, so ist doch deutlich zu machen, daß sich die Methoden oder Vorstellungen von christlichem Heilen sehr unterscheiden können. Christliche Wissenschafter legen z. B. keine Hände auf, um nur einen Punkt zu nennen; ihre Auffassung von einem absolut geistigen und guten Sein unterscheidet sich auch weit von der üblichen theologischen Seinsauffassung.
In dem genannten Artikel werden Äußerungen des Pfarrers wiedergegeben, die sich in zwei Punkten zusammenfassen lassen, die für die Bewertung allen christlichen, auf der Bibel beruhenden Heilens und damit auch des Heilens im Sinne der Christlichen Wissenschaft zugrunde gelegt werden müssen:
• Das Heilen ist wichtiger Bestandteil des Neuen Testaments, auch Jesus war ein Heiler, Heilen war eigentlich schon immer Teil kirchlicher Tradition (theologische Grundlage).
• Es werdem keine Diagnosen gestellt, es wird seelsorgerische Hilfe geboten (Praxis).
Die Grundlage des Heilens in der Christlichen Wissenschaft
Seit gut 100 Jahren gibt es christlich-wissenschaftliches Heilen in Deutschland. Die Christliche Wissenschaft vertritt ein Christentum der Werke, an denen die religiösen Ansprüche und der eigentliche Glaube gemessen werden können und müssen. Der Gründer des Christentums, Christus Jesus, verwies auf seine Werke, als er von den Jüngern Johannes des Täufers gefragt wurde, ob er der sei, auf den man wartete. Er lenkte den Blick auf konkrete Ergebnisse, die „mitfolgenden Zeichen“ Mk 16:20., die von ihm bewirkten Heilungen.
Das christliche Heilen in der Christlichen Wissenschaft hat nichts mit Glaubensheilung im üblichen Sinne, mit Handauflegen, Geistheilen, „mind over matter“-Ansätzen oder positivem Denken zu tun. Es ist nicht Autosuggestionspraxis oder spontane Remission. Es hat nichts mit emotionaler Selbsttäuschung, schwarzer Magie oder spiritistischen Sitzungen zu tun. Es ist auch nicht mit Methoden von Scientology oder New Age zu verwechseln. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt: „Viele meinen, die Phänomene des physischen Heilens in der Christlichen Wissenschaft stellten nur eine Phase der Tätigkeit des menschlichen Gemüts dar, einer Tätigkeit, die auf irgendeine unerklärte Weise die Heilung von Krankheit zur Folge habe.“
Und sie fährt fort: „Das physische Heilen durch die Christliche Wissenschaft ist jetzt, wie zu Jesu Zeiten, das Ergebnis der Wirksamkeit des göttlichen Prinzips, vor dem Sünde und Krankheit ihre Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein verlieren und ebenso natürlich und unvermeidlich verschwinden, wie Dunkelheit dem Licht und Sünde der Umwandlung Raum gibt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. XI.
Die Christlichen Wissenschafter glauben, daß das christliche Heilen, das sie erleben, jener Heilmethode entspricht, die Christus Jesus vor zweitausend Jahren praktizierte und die er seinen Nachfolgern anbefahl. Sie beruht auf dem Verständnis und dem Akzeptieren der Gesetze Gottes, wie sie in der Bibel offenbart sind. Der Schlüssel ist selbstloses Gebet, ein demütiges Anerkennen der Liebe Gottes als einzige Macht und Ursache. Es schließt Dankbarkeit, Gehorsam, Freude ein und öffnet das Denken für den göttlichen Segen. Es versucht nicht, Gott „einzuspannen“, sondern sich Seiner Güte zu unterstellen, die unfehlbar ist. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt des Gebetes, sondern Gott. Dieses Gebet heilte zu Jesu Zeiten, und es heilt heute.
Häufig wird gefragt, warum das Heilen bei Christlichen Wissenschaftern eine so bedeutende Rolle spielte. Es spielt keine größere Rolle als zu Zeiten Christi Jesu und seiner Nachfolger. Heilungen sind nach Auffassung von Mary Baker Eddy notwending, um die allgemeine Erlösung der Menschen von Sünde, Krankheit, und Tod zu ermöglichen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Äußerung von Mary Baker Eddy auf die Frage, ob das Heilen der Kranken alles darstellt, was die Wissenschaft in sich schließt. Sie antwortet: „Das Heilen von körperlicher Krankheit ist der kleinste Teil der Christlichen Wissenschaft. Es ist nur der Weckruf zum Denken und Handeln im höheren Bereich der unendlichen Güte. Was die Christliche Wissenschaft mit allem Nachdruck anstrebt, ist das Heilen von Sünde; und diese Aufgabe mag zuweilen schwerer sein als das Heilen von Krankheit, da die Sterblichen zwar gern sündigen, doch nicht gern krank sind.“ "Grundzüge der göttlichen Wissenschaft, S. 2.
Die Christlichen Wissenschafter meinen, daß Gottes Wille für alle Menschen vollständig gut ist und daß Er nicht Sünde, Leiden oder Tod verursacht. Sie sind davon überzeugt, daß das christliche Heilen nicht lediglich einigen wenigen Privilegierten vorbehalten ist. Daher beobachten sie dankbar ein wachsendes Interesse am christlichen Heilen in vielen anderen christlichen Kirchen.
Die Praxis des christlichen Heilens
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Ausübung der Religion vom Grundgesetz geschützt. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens nehmen Christliche Wissenschafter die Möglichkeit christlichen Heilens als Teil ihres religiösen Lebens wahr. Sie fühlen sich der Sicherheit der Gesellschaft und den aus den allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen erwachsenen Pflichten verbunden. Ja, sie sehen sich in der Pflicht, als Christen durch Gebet, wie es Christus Jesus lehrte, zu besserer allgemeiner Gesundheit beizutragen. Christliche Wissenschafter entziehen sich nicht gesetzlichen Vorschriften, nehmen aber alle gesetzlichen Möglichkeiten wahr, um Anerkennung ihrer seit 130 Jahren dokumentierten effektiven Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsfürsorge auf der Grundlage christlichen Gebetes zu erlangen. In den USA, in England, Australien und auch in der Schweiz ist das christliche Heilen, wie es von Anhängern der Christlichen Wissenschaft erfahren wird, von Versicherungen anerkannt worden.
Manche Familien vertrauen seit fünf Generationen auf die Christliche Wissenschaft. In vielen Fällen wurden christlich-wissenschaftliche Heilungen durch ärztliche Untersuchungen bestätigt. Von den mehr als 10 000 Heilungsberichten, die zwischen 1969 und 1988 im Christian Science Journal und im Christian Science Sentinel veröffentlicht wurden, waren 2337 Berichte Heilungen von Zuständen, die ärztlich diagnostiziert worden waren. Von den über 10 000 Heilungen waren 2451 Kinderheilungen. Für 640 dieser Fälle lagen medizinische Diagnosen vor.
Nachbarn, Ärzte, Krankenhauspersonal, Personalchefs werden hier und da mit Christlichen Wissenschaftern und ihren Vorstellungen von Gesundheitsfürsorge zu tun haben. Wenn ein Christlicher Wissenschafter medizinische Behandlung ablehnt, tut er dies, weil er bewußt jene Form der Hilfe für sich wählen möchte, die er in Notlagen als am wirkungsvollsten erlebt hat — häufig in Situationen, wo medizinische Hilfe nicht mehr gegeben werden konnte. Dem Sucher nach Heilung durch Gebet im Sinne der Christlichen Wissenschaft steht ein umfassendes Hilfssystem zur Verfügung. So kann jeder, ob Anhänger dieser Religion oder nicht, einen Ausüber bitten, ihm im Gebet zu helfen. Diese seelsorgerische Tätigkeit beinhaltet spezifisches, auf die Situation angewandtes Gebet. Es hilft dem Patienten, eine bessere Vorstellung von Gott als liebendem Vater-Mutter Gott zu festigen und die eigene Gotteskindschaft anzuerkennen. Ein Ausüber stellt keine Diagnosen, empfiehlt dem Hilfesuchenden weder bestimmte medizinische noch hygienische Methoden und respektiert vollständig jede Entscheidung des Patienten bezüglich seiner Wahl der Behandlungsmethode. In Fällen, in denen eine besondere körperliche Betreuung des Patienten notwendig ist, kann ein christlich-wissenschaftlicher Besuchspfleger eingeschalter werden, der nichtmedizinisch für die Grundbedürfnisse des Patienten sorgt. In Deutschland gibt es außerdem ein Sanatorium, das auf dieser Grundlage all jenen intensive Pflege bis zur Heilung bietet, die sich vollständig auf Gebet zur Lösung des körperlichen Problems verlassen wollen.
„Leidet jemand unter euch, der bete. ... Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.” Jak 5:13–15. Diese ur-christliche Erfahrung ist bis heute wirksam. Jede Heilung durch Gebet, das Gott all Macht zuerkennt, zeigt uns etwas mehr von dem Himmelreich und zeugt von der göttlichen Kraft, die von Sünde, Krankheit und Tod erlöst, wie es die Bibel verheißt.
