Der morgendliche Stoßseufzer „Herr, lass Abend werden, Morgen wird's von selber“ deutet nicht gerade darauf hin, dass ein Tag mit besonders interessanter und beglückender Arbeit bevorsteht! Muss das so sein? „Eigentlich nicht!“, werden Sie möglicherweise antworten und das vielleicht sogar auch sagen, wenn bei Ihnen die Aussichten auf solche sinnvolle Arbeit gar nicht vorhanden zu sein scheinen, etwa weil Sie arbeitslos sind oder Ihre berufliche Tätigkeit nicht Ihren Vorstellungen entspricht.
Wohl jeder Mensch verspürt in seinem Innersten den Wunsch nach einer Arbeit, bei der er jene tiefe Befriedigung empfindet, die wirklich glücklich macht. Das Entfalten von Fähigkeiten, wie sie dem Menschen innewohnen, ist ein Bedürfnis, das gestillt werden kann, wenn wir unsere Arbeit mit Freude und innerer Zufriedenheit leisten. Sie mögen sich fragen, wie und wo solche Arbeit „erhältlich“ ist, wenn in Ihrem Bereich Arbeit offensichtlich „Mangelware“ zu sein scheint und Ihnen die „guten Brocken“ regelmäßig weggeschnappt werden, weil andere, wie Sie glauben, über mehr „Vitamin B“, also über sogenannte „gute Beziehungen“, verfügen.
Wie entsteht denn jenes wünschenswerte Glücksgefühl, das eine sinnvolle Arbeit hervorruft? Der Hauptgrund liegt sicher im bekannten Sprichwort: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Ich erinnere mich an ein Erlebnis vor vielen Jahren, das in mir einen nachhaltigen Eindruck hinterließ: Ziemlich früh an einem Sonntagmorgen, als noch keine Verkehrsmittel unterwegs waren, marschierte ich durch die Stadt zum Bahnhof. In einer Straße beobachtete ich vor mir einen Straßenwischer, der fröhlich pfeifend die Überreste eines nächtlichen Festes sauber wegräumte. Als ich zu ihm kam, sagte ich freundlich „Guten Tag!“ (und meinte es auch so). Der Gruß wurde ebenso freundlich erwidert, und weil ich noch etwas Zeit hatte, fragte ich den strahlenden Mann, was er denn in seiner Arbeit sehen könne, dass er dabei so zufrieden pfeife angesichts der Berge von Unrat, die ihm andere „beschert“ hätten. „Ich mache es ja für Sie!“, sagte er. Und wie er das sagte, zeigte mir, wie dankbar er war, dass an diesem Morgen jemand nicht allein seine Arbeit gewürdigt, sondern seine Einstellung zu ihr erkannt hatte, was ihm offensichtlich mehr bedeutete, als ein freundliches „Danke schön!“
Wie entsteht denn jenes wünschenswerte Glücksgefühl, das eine sinnvolle Arbeit hervorruft?
Im Lehrbuch von Christian Science Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt dessen Autorin, Mary Baker Eddy: „Glück ist geistig, aus Wahrheit und Liebe geboren. Es ist selbstlos; daher kann es nicht allein bestehen, sondern verlangt, dass die ganze Menschheit daran teilhabe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 57. Was aber, wenn jemand überhaupt keine Möglichkeit erkennen kann, jemanden glücklich zu machen? Zugegeben: Im menschlichen Dasein können Situationen auftreten, in denen es gewaltige Anstrengungen erfordert, etwas Positives im eigenen Leben zu sehen, geschweige denn, anderen auch nur ein bisschen Freude weiterzugeben. Aber gerade die „gewaltige Anstrengung“ ist ein ganz entscheidender Teil jener Arbeit, die uns und andere glücklich machen wird, nämlich das Überwinden all jener negativen Gedanken, die uns weismachen wollen, dass es keinen Sinn und schon gar keinen Wert habe, sich um der anderen willen aufzuraffen und auf die sich leise meldende innere Stimme zu hören und ihrem Rat zu gehorchen. Viele der Straßenwischer sind heutzutage, wie manche andere Arbeit, wegrationalisiert worden. Aber „meinen“ Straßenwischer gibt es immer noch, jene Lebenseinstellung, jede auch noch so geringe Arbeit zur Zufriedenheit der Mitmenschen auszuführen, um ihnen damit Freude zu machen. Ob Sie Arbeit zu vergeben haben oder nicht, fragen Sie sich: Wer würde einen Mitarbeiter nicht schätzen, der jede ihm anvertraute Arbeit gewissenhaft und mit sichtlicher Freude ausführt, oder sein ehrliches Interesse an der rechtzeitigen und guten Erledigung eines Auftrages nicht beachten?
Fast am Anfang des Alten Testamentes in der Bibel können wir über einen jungen Mann nachlesen, der es fertigbrachte, unter widrigsten Umständen seiner Überzeugung treu zu bleiben und damit andere zu segnen. Siehe 1. Mose, Kap. 37–50. Es war Josef, Jakobs liebster Sohn. Diese Sonderstellung trug ihm den Hass seiner zehn Brüder ein, die ihn zuerst töten wollten, ihn dann aber nach Ägypten verkauften. Dort erkannte der reiche Potifar sehr schnell die Qualitäten seines Sklaven. Er überließ ihm alles, außer seiner Frau, die bald auf ihre Art versuchte, den jungen Mann für sich zu gewinnen. Als ihr dies nicht gelang, verleumdete sie ihn bei ihrem Gemahl, der ihr glaubte und Josef ins Gefängnis werfen ließ. „Und er lag allda im Gefängnis“, heißt es lakonisch in dem Bericht. Statt jedoch über die Gemeinheit seiner Brüder und der Chefin zu zürnen und über dem ihm widerfahrenen Unrecht zu brüten, besann er sich erneut auf seine „Arbeit“, nämlich seinem Gott und seinen Mitmenschen wahrhaft zu dienen. Es heißt weiter, dass sich der „Amtmann über das Gefängnis“ um nichts kümmerte, weil Gott mit Josef war, „und was er tat, dazu gab der Herr Glück“. Schließlich kamen seine Fähigkeiten auch dem Pharao zu Ohren, der ihn „über ganz Ägyptenland“ setzte. Als Regent hatte dann Josef während einer großen Hungersnot Gelegenheit, seinen Brüdern seinen Großmut zu beweisen, als diese aus ihrem Land herkamen, um Getreide zu kaufen, und nicht ahnten, dass sie ihrem angeblich verschollenen Bruder gegenüberstanden.
Ein Sonderfall? Oder eine schöne Geschichte? Der Straßen- wischer, der am frühen Sonntagmorgen den Unrat seiner Mitbürger abtragen musste, hatte wohl einen Schimmer von dem erfasst, was Josef verstand und praktizierte. So konnte er bei seinem uninteressanten Auftrag etwas von dem weitergeben, was sein Vorgänger (oder vielleicht Vorbild?) erfahren hatte und am Ende seinen Brüdern erklären konnte: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“
Was auch immer Ihre Tätigkeit sein mag, Ihre wirkliche tägliche Arbeit besteht darin, Ihr wahres Glück zu erarbeiten und es selbstlos mit Ihren Mitmenschen zu teilen. Dann werden Sie, wie Josef oder der Straßenwischer, in Ihrem beglückenden Wirken erleben, dass Gott mit Ihnen ist, um „es gut zu machen“.
