Kann man sich mit Betrug und Unehrlichkeit im Leben wahre Vorteile verschaffen? Ansgar Schwierskott hat dem Christian Science Herold — Radioausgabe erzählt, wie er erlebt hat, dass vielmehr Integrität und Aufrichtigkeit Stärke verleihen und Fortschritt mit sich bringen.
Nach einem Urlaub wurde ich in der Firma gebeten, für eine kurze Zeit auf einer Baustelle auszuhelfen, da durch den Ausfall von Mitarbeitern ein Engpass entstanden war. Ich sollte dort Aufmaße für unsere Bauleistungen erstellen, die zur Rechnungsschreibung dringend gebraucht wurden.
Auf der Baustelle erklärte mir der Bauleiter, wie ich das zu machen hätte. „Wenn Sie über die ganze Baustrecke das Maß um soundso viel höher ansetzen, als es ist, dann haben wir einen zusätzlichen Gewinn." Im Klartext, ich sollte durch Betrug mehr Geld machen.
Es war mir sofort klar, dass ich das nicht tun würde. Ich musste an die Bibelstelle denken: „Zweierlei Gewicht und zweierlei Maß ist beides dem Herrn ein Greuel" (Spr 20:10). Die zweitägige Arbeit machte ich so genau, wie ich es gewohnt war, und lieferte dann das Ergebnis ab. Auf die Frage, wie viel zusätzlicher Gewinn denn zu erwarten sei, erklärte ich, dass ich kein falsches Maß genommen habe, da ich so etwas nicht tun würde.
Der Ruf über mein Verhalten eilte mir voraus, denn als ich in die Firma zurückkam, bekam ich von mehreren Mitarbeitern Vorwürfe. In den folgenden Wochen erlebte ich eine bedrückende Feindseligkeit vonseiten vieler Kollegen. Einer forderte, ich solle „gefeuert" werden, da ich nicht im Sinne der Firma arbeitete. Ich wurde zur Geschäftsleitung zitiert, wo man mir erklärte, dass für Mitarbeiter, die sich nicht im Sinne der Firma verhalten, auf Dauer kein Platz im Hause sei.
Ich blieb jedoch allen gegenüber bei meinem Standpunkt, dass ich kein falsches Maß nehmen würde. Die drohende Entlassung und die Feindseligkeit bedrückten mich sehr; so wandte ich mich im Gebet an Gott um Stärke und Schutz.
Ein Synonym für Gott heißt Wahrheit. Ehrlichkeit und Wahrheit gehören zusammen. Beim Studium von Christian Science fiel mir auf, dass dieses Wort jedoch in viel mehr Zusammenhängen angewandt wird, die nicht unbedingt nur die Ehrlichkeit betreffen. So stellte ich mir die Frage, was ist denn Wahrheit? Ich bat Gott, mir den tieferen Sinn zu offenbaren, und ich bat Gott, auch den Mitarbeitern in der Firma Einsicht zum Guten zu geben. Nun — ich bekam eine Antwort.
Nach weiteren zwei Wochen wurde ich wieder zur Geschäftsleitung gerufen, wo man mir mit großer Freundlichkeit die vor einiger Zeit erbetene Gehaltserhöhung gewährte. Da war keine Rede mehr von „feuern".
Was haben Sie in der Zeit der Bedrängnis und des Gebets dazugelernt?
Ansgar Schwierskott: Es ist in Zeiten der Bedrängnis unbedingt notwendig, ganz fest zu seiner inneren Überzeugung zu stehen und voll auf Gottes Führung zu vertrauen. Außerdem muss ich alle Menschen als Kinder Gottes anerkennen, also auch so genannte Widersacher, und sie der göttlichen Führung überlassen.
Michael Pabst: Ist Ihnen der Begriff Wahrheit in Bezug auf Gott noch näher gekommen?
Ansgar Schwierskott: Ja sogar noch mehrmals. In meiner Branche werden gewisse Bauleistungen durch Zeichnungen dargestellt und berechnet. Früher war das eine mühselige und zeitraubende Handarbeit. Mit der Einführung der EDV, die meine Haupttätigkeit in der Firma war, konnte man diese Arbeiten viel schneller und kostengünstiger durchführen. Eine große Anzahl von Mitarbeitern lehnte jedoch die EDV ab. Sie behaupteten, durch absichtlich ungenaue Zeichnungen mit der Hand könne man bessere Ergebnisse erreichen als mit der genauen Computerberechnung. Bei so einem Streitgespräch war ein Geschäftsführer anwesend. Der gab den Auftrag, beide Parteien sollten, jede in ihrer Arbeitsweise, eine bestimmte Baustelle berechnen.
Nun fühlte ich mich in großer Bedrängnis. Wie konnte ich mit genauer Arbeit gegen bewusst falsch ausgeführte Zeichnungen bestehen. Ich bat Gott um Hilfe und ich wurde im Christian Science Lehrbuch zu der folgenden Stelle geführt: „Denke daran, dass die Wahrheit größer ist als der Irrtum ..." (Wissenschaft und Gesundheit, S. 223). Das gab mir Mut zu der Arbeit. Bei einer Gegenüberstellung der Arbeiten war der betreffende Geschäftsführer wieder dabei. Es stellte sich heraus, dass die genauen Computerberechnungen immer etwas mehr erbrachten als die herkömmlichen Ermittlungen. Es gab seitdem eine sehr angenehme Wende in dem Verhältnis zu meinen Kollegen. Auf einmal herrschten Respekt und Höflichkeit, wo früher Feindseligkeit war. Nach dieser Begebenheit hatte ich sogar echte Freunde in der Firma.
Ein Jahr danach wurde ich nochmals gebeten, auf einer Baustelle auszuhelfen. Der gleiche Mitarbeiter, der noch vor zwölf Monaten meine Entlassung gefordert hatte, sagte mir nach der Einweisung in die zu betreuenden Baustellen: „Der Bauherr wird bei den Aufmaßen nicht mit anwesend sein. Achten Sie ja darauf, dass Sie genau aufmessen, denn wir leben vom Vertrauen unseres Bauherrn."
Diese Begebenheiten sind nun schon einige Jahre her. Vor etwa zwei Jahren beschloss die Geschäftsleitung, Mitglied im Ethikmanagement zu werden. Diese landesweite Institution hat sich zum Ziel gesetzt, sämtliche Aktivitäten in der Wirtschaft ausschließlich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie nach den Regeln der Menschenwürde zu vollziehen. Meine Firma gehörte zu den ersten zwölf Mitgliedern dieser Neugründung. Sämtliche Mitarbeiter sind seitdem ausdrücklich zur Einhaltung dieser Grundsätze verpflichtet.
Ich habe drei wunderbare Antworten auf die Frage: „Was ist Wahrheit?" bekommen.
Erstens: Es lohnt sich im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man fest auf Gottes Führung vertraut. Die erhaltene Lohnerhöhung sehe ich hier als mitfolgendes Zeichen. Gott regelt alles nach Seinen Gesetzen.
Zweitens: Wahrheit ist immer größer als der Irrtum. Das Vertrauen darauf muss sich als Erfolg und Harmonisierung zeigen. Ehrlichkeit kann nie zu Verlust führen.
Drittens: Der „Verkläger" mag noch so aggressiv schreien. Am Schluss wird jeder von Gott zur Einsicht und zum Vertrauen auf das Gute geführt. Gott setzt seine Absichten durch, wie es sich im Wandel der Geschäftsgrundsätze in meiner Firma gezeigt hat.
