Du hast mich gestern gefragt, was ich von sexuellen Beziehungen und Keuschheit halte. Ich weiß, schon allein bei dem Begriff „Keuschheit“ läuten bei dir die Alarmglocken: „Hör mir bloß auf mit diesem prüden Dogma absoluter Abstinenz. Wir leben doch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert und nicht mehr im Mittelalter." — Aber hör mir erst mal zu, was ich überhaupt mit diesem Begriff meine.
Keuschheit bedeutet nicht Prüderie im Umgang mit Sexualität oder gar geheuchelter Verzicht aufgrund einer auferlegten dogmatischen Lehre. Lass mich erst mal über den Umgang mit sinnlichem Genuss im Allgemeinen reden. Denn wer von uns verzichtet schon gerne freiwillig auf Genuss? Und die Frage ist, wofür überhaupt?
Fast jedes Konsumgut wirbt mit dem Versprechen, uns durch Genuss Glück und Befriedigung zu geben; sei es ein Parfum, ein neuer Wagen oder eine Süßigkeit: „Probieren Sie die Neue — der pure Genuss", wirbt eine Schokoladenfirma. Dazu sehen wir in einem Werbespot zwei glücklich strahlende Gesichter. Klar schmeckt die Schokolade, und der auf das Sinnliche gerichtete Genuss mag uns ein kurzweiliges Vergnügen oder ein vorübergehendes beglückendes Gefühl verleihen. Aber wie dauerhaft ist das?
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