„Ich glaube, ich verliere den Verstand" wird so häufig gesagt, dass wir es oftmals unbewusst als eine zutreffende Voraussetzung akzeptieren. Doch der Kampf gegen psychische Schwierigkeiten verdient große Einsicht und Aufmerksamkeit. Und er verdient Mitgefühl. Schizophrenie, posttraumatischer Stress, vererbte Geistesgestörtheit und die seelischen Narben und Anomalien, die auf Missbrauch und Suchtverhalten zurückgeführt werden, sind nur einige der Herausforderungen unserer Zeit. Manchmal scheint es, je mehr wir nach Antworten Ausschau halten oder sie sogar in uns selbst suchen, desto schwieriger ist es, klar zu definieren, was psychische Gesundheit ist. Wenn es sich so anfühlt, als würden wir „durchdrehen" oder seien wir „durchgedreht", dann mag alles, was wir erleben, wenig stabil erscheinen und unsere Situation kann hoffnungslos und unabänderlich aussehen. Aber es gibt einen Weg — einen geistigen Weg —, der aus solchen Problemen herausführt und dauerhafte Heilung bringt. Wir können den ersten Schritt tun, indem wir einmal die Frage unseres Selbstbildes betrachten.
Gott schuf den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis. Das ist eine wunderbare Wahrheit, denn sie befreit uns von der Last persönlich dafür sorgen zu müssen, dass unsere Selbstachtung steigt, oder uns selbst durch gutes Zureden in einen psychisch stabilen Zustand hineinmanövrieren zu wollen. Fakt ist, dass jeder von uns mit einer geistigen Identität geschaffen wurde — jeder ist tatsächlich ein individueller Ausdruck Gottes. Im Neuen Testament lesen wir: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und des klaren Verstandes." 2. Tim 1:7 (nach der King-James-Bibel). Kraft, Liebe und ein klarer Verstand — das sind Gottes Gaben an uns. Sie beschreiben unsere gottähnliche Natur.
Christian Science erklärt, dass Gott Gemüt ist, und hilft uns damit besser zu verstehen, warum unsere gottähnliche Natur psychische Stabilität einschließen muss. Da es nur einen Gott gibt, gibt es auch nur ein Gemüt, einen Geist, die Quelle aller Intelligenz und Kreativität. Im göttlichen Gemüt besteht keine Unordnung und kein Ungleichgewicht; deshalb entbehren sie der Wahrheit. Als Gottes ewiges Bild und Gleichnis, sind wir immer der Ausdruck des vollkommenen Geistes. Es ist im Grunde gar nicht möglich „den Verstand zu verlieren", weil wir nie von unserer göttlichen Quelle, Gott, getrennt sein können.
Christus Jesus veranschaulichte die Einheit des Menschen mit dem göttlichen Gemüt und die Bibel fordert uns auf: „Lasst das Gemüt in euch sein, das auch in Christus Jesus war." Phil 2:5 (nach der King-James-Bibel). Das Befolgen dieser Aufforderung hat praktische Bedeutung. Es befreit uns von dem selbstauferlegten Stress, der die Folge davon ist, dass wir glauben, alle Einzelheiten unseres Lebens manipulieren zu müssen.
Das ausschließliche Vertrauen auf die Führung des göttlichen Gemüts ist dem Vertrauen vergleichbar, das ein Musiker in den Dirigenten setzt. Jedem einzelnen Musiker im Orchester steht eine umfassende Notenskala zur Verfügung. Doch wenn er sich die ganze Partitur ansieht, wird ihm bewusst, dass er an etwas viel Größerem teilhat als was dem einzelnen Instrument möglich ist; er ist Teil einer ganzen Welt von Klängen. Der Musiker bekommt vom Dirigenten die notwendige Hilfe, um sich gut einfügen und mit den anderen harmonieren zu können. Er ist für keines der anderen Instrumente verantwortlich, auch braucht er nicht die Noten für alle anderen Instrumente spielen zu können, damit die Komposition vollständig ist. Wichtig ist, dass der Musiker an der richtigen Stelle einsetzt und aufmerksam dem Dirigenten folgt — der sich in der ganzen Partitur auskennt und dafür verantwortlich ist. Gott, das göttliche Gemüt, hat alles komplett im Griff. Wenn wir alle uns als das Bild und Gleichnis des Gemüts identifizieren, das untrennbar von Ihm ist, haben wir Anteil an der Ausgeglichenheit, der Harmonie, der Freude und der Schönheit, die die ganze Komposition des Lebens kennzeichnen.
Ein Beispiel dafür ist die Erfahrung einer Frau, die die Mittwochabend-Zeugnisversammlungen in einer Zweigkirche Christi, Wissenschaftler, besuchte. Die Idee von Gott als Gemüt, Geist, sprach sie sehr an. Dieser neue Gottesbegriff gab ihr Trost. Als junges Mädchen war die Frau in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Diese Erfahrung war der Höhepunkt vieler schwieriger Vorfälle in den vorausgegangenen Jahren gewesen, die sie in einem Zustand zurückgelassen hatten, wo sie nicht mehr fähig war, mit dem Leben fertig zu werden. Sie hatte dort jedoch keine Heilung und Hilfe erfahren.
Ihr gefiel die Anschauung von Gott und vom Menschen, über die sie in den Christian Science Gottesdiensten hörte; doch es fiel ihr schwer still zu sitzen, wenn in der Lesung der besessene Mann namens Legion vorkam, der in den Grabhöhlen lebte und umherlief (siehe Mk 5:1). Sie hatte sich immer als Außenseiter der Gesellschaft gesehen, der mental „in den Grabhöhlen" lebte. Ihre Gedanken waren so auf dieses traurige Selbstbild fixiert gewesen, dass sie bisweilen die Hauptsache in dem biblischen Bericht übersah, nämlich dass der geistesgestörte Mann von Jesus geheilt wurde und dann „dasaß, bekleidet und vernünftig".
Doch es kam ein Mittwoch, wo sie weniger furchtsam war und während der Lesung jener Geschichte ruhig sitzen bleiben und über die heilende Botschaft nachdenken konnte. Während des Zeugnisteils der Versammlung stand eine Frau auf, die über eine Heilung von Geisteskrankheit sprach. Sie sagte, der Vorfall habe sich vor über zwanzig Jahren ereignet, aber an diesem Abend fühlte sie sich veranlasst, darüber zu sprechen. Eine Familie in ihrer Nachbarschaft hatte beschlossen, ein Familienmitglied, das an psychischen Problemen litt, mit denen niemand fertig werden konnte, in eine Anstalt einzuliefern. Die Zeugnisgeberin empfand zutiefst, dass dieser Schritt nicht richtig war, und sie bat einen Christian Science Praktiker für sie zu beten und ihr zu helfen, sich selber Klarheit zu verschaffen über die unveränderliche Vollkommenheit der geistigen und seelischen Fähigkeiten des Menschen und über Gottes Fürsorge für jede Seiner Ideen. Die Zeugnisgeberin sagte, eine Nebenwirkung dieses Gebets sei gewesen, dass die betreffende Person vollständig geheilt wurde.
Als die Frau, die das Zeugnis gehört hatte, an diesem Abend nach Hause ging, dachte sie über die Wirksamkeit solchen Gebets nach und war zutiefst berührt von der Liebe und Anteilnahme am Geschick eines anderen, die in dem Bericht zum Ausdruck gekommen war. Plötzlich wurde ihr klar, dass Gott, der diese andere Person geheilt hatte, auch sie heilen konnte. Die allumfassenden Wahrheiten, die die Zeugnisgeberin erklärt hatte, galten auch für sie. Sie beanspruchte die fortwährende heilende Wirkung der Wahrheit für sich selbst. Das Ergebnis war eine vollständige Heilung!
Wenn früher die Erinnerungen an ihre Erfahrung in der Heilanstalt in ihr hochgekommen waren, hatte sie unter schweren Angstzuständen und unter dem traurigen Gefühl gelitten, ungeliebt und von aller Welt verlassen zu sein. Doch nun waren die Erinnerungen, die ihr kamen, bestimmte Vorfälle, die zeigten, dass sie geliebt, beschützt und fähig war, Gottes Gegenwart bei sich zu spüren. Ihre Erinnerungen waren so völlig anders ausgerichtet, dass diese Frau überzeugt war, dass sie keinen vom göttlichen Geist getrennten Verstand hatte, den sie verlieren konnte, und dass sie nie an irgendeinem Ort gewesen war, wo die göttliche Liebe nicht bei ihr gewesen war. Sie lebte nicht mehr „in den Grabhöhlen". Sie begann sich als das Bild und Gleichnis Gottes zu identifizieren, als eins mit Gemüt und in Frieden mit sich selbst. Dieser Wandel war der Anfang eines neuen und wundervollen Lebens.
Jesu Heilung des geistesgestörten Menschen und die Heilung dieser Frau, die den Mittwochabend-Gottesdienst besuchte, bezeugen eindeutig, dass jeder ein Recht hat und Anspruch erheben kann auf den Geist „der Kraft und der Liebe und des klaren Verstandes". Er ist Teil unserer wahren Identität.
