Vielleicht kennen Sie Kinder in der Nachbarschaft, deren Eltern sie zurücklassen oder in ein anderes Land schicken mussten, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht. Oder es gibt in einer Familie ein Problem mit Drogen oder Missbrauch oder eine finanzielle Notlage. Vielleicht kennen Sie auch jemanden, der nach seinen „richtigen” Eltern sucht oder der sich danach sehnt, die Lücke zu schließen, die der Tod eines liebevollen Elternteils hinterlassen hat? Möglicherweise sind Sie selber derjenige. Was kann man tun, um die Elternliebe und die Hilfe zu finden, die man braucht und nach der man sich sehnt?
Das ist etwas, was ich für mich selber herausfinden musste. Als ich aufwuchs, hatte ich das Gefühl, dass es mir an Mutterliebe fehlte. Meine leibliche Mutter beschloss in ein anderes Land zu ziehen und mich mitzunehmen. Das bedeutete, dass ich aus einer Pflegefamilie herausgeholt wurde, in der ich gerade angefangen hatte, die Wärme eines echten Familienlebens zu fühlen. Ich wollte nicht aus der Familie weg. Ich wollte den Trost und die Sicherheit, die sie mir bot, nicht missen. Doch ich habe schließlich gefunden, was ich suchte — eine beständige, sichere Mutterliebe, die nicht von einer einzelnen Person abhängig ist. Und zwar fand ich sie durch Christian Science.
Ich lernte, dass Gott meine wahre Mutter ist. In Wissenschaft und Gesundheit ist eine Beschreibung von Mutter zu finden, die folgendermaßen lautet: „Gott; göttliches und ewiges Prinzip; Leben, Wahrheit und Liebe.”Wissenschaft und Gesundheit, S. 592.
Das mag für viele von uns eine neue und spannende Offenbarung sein. Wir betrachten Gott oft als Vater und finden das in der Bibel an vielen Stellen bestätigt. Doch woher kommt das Mütterliche? Da Gott der eine und einzige Schöpfer ist, muss es auch von Gott kommen. Könnte Gott etwas schaffen, was nicht gottähnlich ist? Nein. Die wunderbaren, warmen, hegenden Eigenschaften, die wir mit einer idealen Mutter verbinden, müssen mit Gott beginnen. Und Christus Jesus hilft uns erkennen, dass wir tatsächlich alle Kinder des einen göttlichen Vater-Mutter sind.
Zärtlichkeit, Trost und Fürsorglichkeit, Zuneigung und Zuwendung sind Eigenschaften, die eine gute Mutter ganz natürlich einschließt. Als Gottes Kinder erleben wir, dass diese Eigenschaften Teil unserer wahren Lebensgeschichte sind und nicht von uns getrennt werden können, ganz gleich, was unsere menschliche Erfahrung gewesen sein mag. Da sie ihre Quelle in Gott, unserem Schöpfer, haben, sind sie immer da und nur diese Eigenschaften können auf andere übertragen werden, mit deren Leben wir in Berührung kommen. Gottes Kinder sind ihrer Natur nach wie Gott — wie ihre Mutter.
Ich selber hatte einige Zeit mit dem Gedanken zu ringen, dass meine leibliche Mutter mir doch all die Liebe hätte zukommen lassen sollen, die ich brauchte. Mir wollte es nicht in den Kopf, warum das nicht der Fall war. Kinder brauchen doch die Liebe und Fürsorge ihrer Mutter. Vieles von dem, was ich lernte, half mir über das schmerzliche Gefühl von Ablehnung und Unerwünschtsein hinwegzukommen. Ich vertraute mich einem Christian Science Praktiker an (das ist jemand, der mit Ihnen für eine Heilung betet) und er wies mich darauf hin, dass selbst Jesus bei Gott ein Verständnis wahrer Mutterliebe suchte.
Ein Beispiel dafür, was Jesus über den wahren Ursprung von Mutterliebe wusste, ist im Johannes-Evangelium zu finden, wo die folgende, kurz vor der Kreuzigung stattfindende Szene beschrieben wird: „Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.” Joh 19:26, 27. Vielleicht deutet dies darauf hin, dass Jesus eine menschliche Vorstellung von Mutterschaft fallen ließ und sich in noch stärkerem Maße Gott zuwandte, um Trost, Sicherheit und Fürsorge zu finden. Dieser Gedanke regte mich an, mein Verständnis von Gott als meiner wirklichen Mutter zu erforschen und zu vertiefen. Dieser kurze Abschnitt weist letztlich auf Gottes Fürsorge für jeden Einzelnen hin. Jesus ist aus dem Grab auferstanden und Maria und Johannes wurden nicht allein zurückgelassen.
Gottes Gesetz des Guten zeigt, dass Gott in diesem Augenblick für uns sorgt, und zwar auf eine Weise, die uns am meisten hilft. In Wissenschaft und Gesundheit heißt es: „Die Erde bringt auf Gottes Befehl Nahrung für den Menschen hervor. Jesus, der das wusste, sagte einmal:, Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet' — nicht, weil er sich das Vorrecht seines Schöpfers anmaßte, sondern weil er erkannte, dass Gott, der Vater und die Mutter von allem, fähig ist den Menschen zu nähren und zu kleiden, so wie Er die Lilien nährt und kleidet.”Wissenschaft und Gesundheit, S. 530.
Wenn wir mütterliche Liebe brauchen, wird Gott sie uns ganz bestimmt zukommen lassen. Das geschah auch in meinem Fall. Āls ich erst einmal entdeckt hatte, dass jene mütterlichen Eigenschaften Teil des Himmelreichs in mir waren, fing ich an sie in die Tat umzusetzen. Āls erstes ging ich liebevoller mit mir selbst und mit anderen um. Dann arbeitete ich daran andere gottähnliche Eigenschaften zum Āusdruck zu bringen, die nach meinem Begriff eine Mutter kennzeichnen.
Verschiedenes ereignete sich daraufhin. Eine Frau im Ālter meiner Mutter wurde meine enge Freundin und sagte, ich sei die Tochter für sie, die sie nie gehabt hatte. Āuch einige andere Frauen schenkten mir zu verschiedenen Zeiten ihre mütterliche Liebe. Āußerdem bekam ich Gelegenheit mit Kindern zu arbeiten und fand es sehr beglückend, etwas von dem, was ich über diese Mutterliebe lernte, an andere weiterzugeben.
Schließlich verbesserte sich auch mein Verhältnis zu meiner leiblichen Mutter. Unsere Unterhaltungen wurden angenehmer. Sie verheiratete sich dann wieder und zog zurück in ein Land, wo sie ihrer Familie näher ist und sich mehr „zu Hause” fühlt.
Nichts kann uns von der liebevollen Fürsorge unserer göttlichen Mutter trennen. Selbst wenn wir etwas getan haben, was wir nicht hätten tun sollen, wissen wir, dass unsere Mutter da ist und uns liebt, bereit uns zu vergeben, während wir uns bessern. Unsere Mutter weiß, wer wir sind und was wir wirklich sein wollen — gut und vollkommen — und ihre Liebe hilft uns jede Neigung oder jedes Verlangen zu überwinden, wieder etwas Verkehrtes oder Verletzendes zu tun. Könnte es etwas Wundervolleres geben als das ständige Bewusstsein, wie sehr unsere Mutter uns liebt?
Die wunderbaren, warmen, hegenden Eigenschaften, die wir mit einer idealen Mutter verbinden, müssen mit Gott beginnen.
