Der menschliche Körper ist weder ein Verbrecher noch ein Übeltäter. Er ist des Verbrechens, der Krankheit oder anderer körperlicher Beschwerden nicht schuldig. Weder verursacht er Krankheit noch stellt er sie her oder entwickelt sie. Die allgemeine Anschauung jedoch ist, dass man den Körper dauernd beobachten und auf Anzeichen oder Symptome einer Krankheit untersuchen muss, die er angeblich hervorbringt und die dann — unabhängig vom Gemüt — ihren Lauf nimmt. Aber der Körper ist nicht autonom. Er handelt nicht von sich aus noch regiert er sich selbst. Er wird vollständig vom Denken beherrscht — bewusst oder unbewusst.
Der so genannte sterbliche Geist und Körper sind keine getrennten Wesenheiten. Sie sind eine Einheit, in der nach menschlicher Ansicht der Geist der vorherrschende Faktor ist. Man kann den Körper ganz gut mit einem Computerbildschirm vergleichen. Welche Nachrichten oder Bilder auf dem Bildschirm erscheinen, wird allein durch die Informationen bestimmt, die man in den Computer eingibt. Der Körper ist eigentlich genau so unschuldig wie der Bildschirm. Er registriert nur das, was wir denken. Wenn wir einen kranken Körper heilen wollen, dann müssen die negativen Gedankenzustände, die das sterbliche Gemüt auf ihm abbilden will, wie zum Beispiel Furcht, den Wahrheiten des ewigen Gemüts weichen, den heiligen, Gesundheit gebenden Gedanken, die Gott ununterbrochen Seiner Idee, dem Menschen, übermittelt.
Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Unser Meister fragte:, Wie kann jemand in das Haus eines Starken eindringen und ihm seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken fesselt?‘ Mit anderen Worten: Wie kann ich den Körper heilen, ohne mit dem so genannten sterblichen Gemüt zu beginnen, das den Körper unmittelbar beherrscht? Wenn die Krankheit erst einmal in diesem so genannten Gemüt zerstört ist, dann ist die Furcht vor Krankheit vergangen und deshalb ist die Krankheit gründlich geheilt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 399.
Wie binden wir „den Starken", die sterbliche, materielle Mentalität, damit wir ihm seinen „Hausrat", seine Güter, die schlimmen Wirkungen — Schmerz und Krankheit — rauben können? Die Ängste des sterblichen Gemüts werden gefesselt — das heißt aller Kraft zum bösen Wirken beraubt —, wenn wir Gott als göttliche Liebe, als das eine vollkommene Gemüt erkennen und die Gegenwart der Liebe fühlen. „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus" 1. Joh 4:18., schreibt der Apostel Johannes. Die Furcht nimmt ab, wenn wir uns der großen Liebe Gottes zum Menschen stärker bewusst werden und erkennen, wie grenzenlos Er bereit, willens und in der Lage ist zu heilen.
Die göttliche Liebe ist allmächtig; sie teilt ihre Macht nicht mit der Materie oder dem Bösen. Liebe heilt den Menschen durch das göttliche Gesetz. Das Verständnis vom Gesetz Gottes und das Vertrauen darauf verdrängen alle materiellen Theorien über Krankheit, die vom sterblichen Gemüt als Gesetze akzeptiert worden sind. Christus Jesus bewies den Supremat dieses Gesetzes durch das Heilen akuter und chronischer menschlicher Leiden. Die Wissenschaft des Heilens durch Gemüt — ihr göttliches Prinzip und ihre Gesetze der Liebe, die Jesus durch das Austreiben von Furcht und das Heilen von Krankheit bewies — steht uns heute ebenso zur Verfügung wie damals im ersten christlichen Jahrhundert.
Christian Science bewirkt die Heilung von Krankheit, indem sie zuerst das menschliche Denken mit der Wahrheit über die Identität des Menschen als Bild und Gleichnis Gottes, des Geistes, beruhigt und korrigiert. Unsere Harmonie und unsere Gesundheit sind auf immer und ewig unversehrt, da Gott den Menschen in seinem vollkommenen Zustand erhält. Wenn wir begreifen, dass unser wahres Sein die Verkörperung von geistigen Eigenschaften des göttlichen Gemüts ist — von Krankheit weder berührt, verunreinigt noch angegriffen —, dann löst sich „des Starken" Würgegriff der Furcht und der unschuldige Körper wird befreit.
Auf den letzten dreizehn Seiten des Kapitels „Die Praxis von Christian Science" in Wissenschaft und Gesundheit zeigt Mrs. Eddy in einer Allegorie, wie Krankheit durch das Verständnis der Allerhabenheit des Gesetzes Gottes geheilt wird. Die Allegorie schildert den Vorgang in Form einer Gerichtsverhandlung. Der Angeklagte, der „Sterbliche Mensch", ist vor dem „Gericht des Irrtums" des „Verbrechens" der „Leberbeschwerde" angeklagt und schuldig gesprochen worden, eines Verbrechens, das er beging, während er einen kranken Freund pflegte. Als der Fall vor das „Gericht des Geistes" gebracht wird, erscheint Christian Science als Verteidiger des Angeklagten. Das Plädoyer des Verteidigers, das sich auf biblische Gesetze gründet, bringt die Falschheit der „Gesundheitsgesetze" ans Licht, die den Sterblichen Menschen zum Leiden und zum Tode verurteilen, weil er seinem Nächsten Gutes getan hat. Zu Beginn seiner Beweisführung fragt der Verteidiger: „Hat der Körper ein Verbrechen begangen oder das Sterbliche Gemüt?" Und er fährt fort: „Der Körper beging kein Verbrechen." Wissenschaft und Gesundheit, S. 435.
Dann spricht der Anwalt über die Tatsache, dass der Sterbliche Mensch nicht dafür bestraft werden kann, dass er das Gesetz der Liebe befolgt und dass das Zeugnis des „Persönlichen Sinnes" durch und durch falsch ist. Durch das Eintreten von Christian Science für die göttlichen Rechte des Menschen auf Gesundheit und Harmonie wird der Prozess gewonnen. Der Gefangene wird entlassen und seine Stärke und sein Wohlbefinden sind vollständig wiederhergestellt.
Diese Allegorie birgt eine Fülle von Weisungen und Ratschlägen für die christlich-wissenschaftliche Heilmethode. Hier interessiert uns besonders das Argument, dass der Körper niemals das Verbrechen der Krankheit begeht. Wer Christian Science studiert, lernt im Fall von Krankheit niemals den Körper zu beschuldigen oder ihn zu fürchten. Der Übeltäter, die offensichtliche Ursache der Schwierigkeit, ist nicht der Körper, sondern die Furcht oder andere mentale Irrtümer, die ihn anscheinend beherrschen. Statt dass wir also die körperlichen Symptome beobachten und uns von ihnen beunruhigen lassen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, die Gedanken zu vergeistigen und den heilenden, reinigenden Einfluss des göttlichen Gemüts und seinen Bericht über die ununterbrochene Harmonie des Menschen in uns wirken zu lassen. Das Heilen durch Gebet erfordert, dass wir vom Körper wegschauen, der angeblich die Quelle oder Ursache der Krankheit ist, und Gott als die einzig wahre Ursache unseres Seins und als den Heiler aller menschlichen Leiden anerkennen.
Die Furcht verschwindet, wenn wir uns standhaft der göttlichen Wahrheit und Liebe zuwenden und unserem Bewusstsein die geistigen Tatsachen der Allheit Gottes und der Immunität des Menschen — des Bildes und Gleichnisses Gottes — gegen alles Böse immer fester einprägen. Das reine Bewusstsein der geistigen Wahrheit wirkt den mentalen Bildern von Krankheit, Schmerz und anderen körperlichen Disharmonien entgegen, die das sterbliche Gemüt dem Körper anhängen möchte, und vernichtet sie. So wird die Gesundheit wiederhergestellt.
Aber nehmen wir einmal an, unsere Gebete bewirkten keine schnelle Heilung. Ist daran der Körper schuld? Weigert er sich halsstarrig mitzumachen? Nein, den Körper trifft keine Schuld. Wenn der Körper nicht auf unsere ernstlichen Gebete reagiert, dann ist der Grund dafür meistens, dass Furcht das Denken beherrscht. Wissenschaft und Gesundheit erklärt: „Unter der gleichen Lebensführung, die das Denken vergeistigt, vervollkommnet sich der Körper; und wenn unter dieser Lebensführung die Gesundheit nicht sichtbar wird, so beweist dies, dass Furcht den Körper regiert. Das ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, oder vom Gleichen, das Gleiches hervorbringt." Ebd. S. 370.
Manchmal ist man sich der einem körperlichen Leiden zugrunde liegenden Furcht gar nicht bewusst. Sie ist latent, verborgen unter der Oberfläche des Denkens. Dann müssen unsere Gebete tiefer in die Wahrheit des Seins eindringen, bis der verborgene Irrtum aufgedeckt und von der Wahrheit zerstört worden ist. Jesus erklärte: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden soll, auch nichts geheim, was nicht bekannt werden und an den Tag kommen soll." Lk 8:17.
Um zu entdecken, welcher Irrtum oder welche Furcht die Heilung verzögern möchte, ist es wichtig, keine Zeit damit zu verschwenden, das sterbliche Gemüt zu analysieren. Das wäre so, als schauten wir in die Dunkelheit, um Licht zu entdecken. Vielmehr heben wir im Gebet unsere Gedanken hinauf zu dem Licht des Christus, der Wahrheit. Dieses Licht durchdringt die Dunkelheit der Furcht und deckt den spezifischen Irrtum auf, der aus dem Bewusstsein ausgetrieben werden muss, damit die Heilung stattfinden kann.
Sobald „der Starke" ganz und gar durch die göttliche Liebe gefesselt ist, verschwindet sein „Hausrat". So entlasten wir den unschuldigen Körper und stellen in Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes die mentale und körperliche Freiheit wieder her.
Jeder hat die Fähigkeit die Menschen als Gottes geistige Schöpfung zu sehen — ganz gleich, wie unsere physische Umgebung aussieht.
    