Der Wecker ratterte mit Getöse bis in meinen tiefsten Traum. Unsanft aus dem Schlaf geschreckt, spürte ich sogleich ein Unbehagen, das größer war als sonst, eine spontane Mutlosigkeit. Vor mir sah ich den Tag mit seinen vielen Programmpunkten und einer heiklen Situation, die bewältigt werden musste. Ich zögerte, konnte nicht wie sonst aufstehen und alles Anstehende rasch erledigen. Bleierne Müdigkeit lähmte mich, und ich empfand eine Sorge, die schwer überwindbar schien.
In diesem Augenblick fiel mir ein Satz aus Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy ein: „Das Bewusstsein von Wahrheit ist erholsamer als Stunden des Schlafs in einem unbewussten Zustand." Wissenschaft und Gesundheit, S. 218. Ich hatte ein so starkes Verlangen nach Erholung und die Stunden des Schlafs waren so kurz bemessen gewesen. Aber ich dachte über diesen Satz nach und mir fiel auf, dass wir ja normalerweise unsere Leistungsfähigkeit, Frische und Energie von einem gesunden, tiefen Schlaf her erwarten, nicht von einem wachen Bewusstseinszustand. Was war also hier gemeint?
Ein Kardinalgedanke in Christian Science ist, dass die menschlichen Fähigkeiten vom unsterblichen Gemüt, von Gott, verliehen werden, da der von Gott geschaffene Mensch nicht materiell gestaltet ist, sondern geistig. Als die Idee Gottes unterliegt er nicht den Gesetzen des Verfalls oder der Ermüdung. Anstatt sich von einem einengenden sterblichen Standpunkt aus zu betrachten, kann man sich als Ausdruck der tätigen göttlichen Liebe sehen und identifizieren. Eine solche geistige Einstellung ermöglicht größere Tatkraft und Aktivität, sie beflügelt und inspiriert. Das ist ein göttlich natürlicher, ja gesetzmäßiger Vorgang.
Da Gott, das immer wirkende, göttliche Gemüt, und der Mensch als Gottes Ausdruck in einer unzerstörbaren und harmonischen Einheit zugleich bestehen, kann der Mensch in unbegrenztem Maß die Vitalität, Kraft und Freude der göttlichen Natur zum Ausdruck bringen. Gott verändert sich nicht. Das immerwährende Gute ist keinen Schwankungen unterworfen. Deshalb brauchen wir keine Befürchtungen zu hegen, dass Teile unseres göttlichen Erbes verlorengehen könnten.
Wenn die Dankbarkeit für Gottes Kraft unsere Handlungen prägt, erlangen wir einen Schimmer von der wirklichen Macht, die Gott, Geist, ist. Das Gute und seine ewigen Energien beleben und halten uns tätig. Sie machen von Begrenzungen frei. Das Vertrauen in die unmittelbare Gegenwart Gottes ermöglicht es, Gottes Willen besser zu erkennen und zu betätigen. Das verleiht Energie.
Diese göttliche Energie des Geistes musste in meinem Bewusstsein Fuß fassen, erkannt und gefühlt werden. Dazu war es aber notwendig, mein Denken von herabziehenden Gedanken Konzepten und Empfindungen von Schwäche, Kraftlosigkeit und Mutlosigkeit frei zu machen.
Eine geistige Einstellung ermöglicht größere Tatkraft und Aktivität, sie beflügelt und inspiriert. Das ist ein göttlich natürlicher, ja gesetzmäßiger Vorgang.
Man könnte es als eine Suggestion bezeichnen, was da behauptet, der Ausgangspunkt für das menschliche Dasein wäre der Körper mit all seinen materiellen Bedingungen. Diese Suggestion, das wurde mir klar, hat im göttlichen Bereich keinen Halt, ich musste sie als Fehlinformation aufgeben.
Meine Vorhaben an diesem Tag waren der Arbeit gewidmet, ich hatte gute und begründete Motive. Es waren hilfreiche, selbstlose Aktionen dabei. Ich konnte also sicher sein, dass ich nicht gegen, sondern in Übereinstimmung mit dem Guten, mit Gott, handeln wollte. Damit konnte ich Gottes Unterstützung und Erfolg für meine Aktivitäten beanspruchen. Nun wusste ich schon aus Erfahrung, dass das Beharren auf einem solchen Gedanken eine menschliche Situation total verändern kann. Deshalb setzte ich jetzt bewusst diese Gedankenkette fort, im Vertrauen darauf, dass Sorge, das Empfinden von Energiemangel und Trägheit die Illusionen sind, die durch die geistige Wahrheit von dem immer tätigen Gemüt (dessen Energien sich niemals erschöpfen) überwunden, ja zerstört werden können.
Mit diesem Bewusstsein erhob ich mich und folgte zielstrebig allen meinen Vorhaben. Mir standen plötzlich Kräfte zur Verfügung, die mich durch den Tag leiteten. Ich fühlte Frische und Schaffenskraft bei allen Aktionen und Vorhaben. Obwohl der Tag lang war und viel Umsicht erfordert hatte, fühlte ich so viel Freude und Dankbarkeit. Der eine Satz aus dem oben genannten Buch, den ich am Morgen aufgenommen hatte, hatte mich den ganzen Tag über getragen, und ich hatte schließlich das Empfinden, dass es ein besonders schöner und erfolgreicher Tag gewesen war.
Abends, als ich dann zur Ruhe gekommen war, konnte ich mit voller Zustimmung die Aussage bestätigen, dass „das Bewusstsein von Wahrheit erholsamer [ist] als Stunden des Schlafs". Tatsächlich ist die geistige Wahrheit eine unerschöpfliche Energiequelle, die mit keiner anderen Ressource vergleichbar ist und jedem Menschen unabhängig von Raum und Zeit zur Verfügung steht.
