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Unsere Englandreise

Aus der September 2000-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im Mai 1991 traf ich eine Bekannte auf dem Schulhof, die ursprünglich aus England stammt. Sie wusste, dass wir für den Sommer in ihre Heimat fahren wollten und fragte mich nach dem Stand der Dinge. Da bemerkte ich, dass wir durch aufwändige Umbauarbeiten in unserer Wohnung ganz vergessen hatten, uns darum zu kümmern, eine Familie zu finden, die nicht nur an den Einnahmen durch Vermietung, sondern auch an Kontakten zu uns interessiert wäre. Daher, sagte ich meiner Bekannten, sähe ich für dieses Jahr keine Chance mehr nach England zu fahren.

Wieder zu Hause aber sagte ich mir: „Warum willst du eigentlich resignieren? Es gibt doch Organisationen, die solche Familien vermitteln.” Mein Entschluss stand fest — zur Tat aber (d. h. zu ein oder zwei Briefen auf Englisch) war es noch ein weiter Weg. Erst etwa drei Wochen später raffte ich all meine Willenskraft zusammen und nahm mir vor, am nächsten Tag ganz bestimmt die Briefe zu schreiben.

Doch es sollte zunächst anders kommen. Am nächsten Morgen nämlich fand ich die drei chinesischen Deutschschüler meiner Klasse in einer ganz elenden Verfassung. Sie erzählten mir, dass sie in einen anderen Stadtteil ziehen müssten, sechs Leute in eine winzige 3-Zimmer-Wohnung, in der ein Zimmer gar kein Fenster hätte, und dass es deshalb ihr letzter Schultag an unserer Schule wäre.

Mit diesen tieftraurigen Kindern war kein Unterricht zu machen. Ich schickte sie deshalb zum Spielen auf den Schulhof und bemühte mich, wenigstens ihren Übergang auf die neue Schule zu regeln. Um ihre neue Adresse zu erfahren, fuhr ich zu ihnen nach Hause.

Dort traf ich auf große Ratlosigkeit: Für die sicherlich zu kleine Wohnung hatte der Vater zwar einen Mietvertrag abgeschlossen, jetzt aber war ihm noch eine größere 4-Zimmer-Wohnung angeboten worden, die allerdings etwas teurer war. Was sollte er tun?

Ich dachte an die unglücklichen Kinder, aber durfte ich dem Vater zu einer höheren Miete raten, die ihn vielleicht in Schwierigkeiten bringen konnte? Dann aber stellte ich fest, dass er für die kleine Wohnung einen Untermietvertrag für 3 Personen abgeschlossen hatte. Da er mit 5 Kindern einziehen wollte, gab ihm dieser Vertrag keinerlei Sicherheit: Entweder müsste er sofort wieder ausziehen oder die Miete würde wesentlich erhöht werden.

Also riet ich ihm zur größeren Wohnung und um ihm die Sorge wegen der höheren Kosten ein wenig zu nehmen, bot ich ihm an, den Hausrat der Familie in meinem Auto zur neuen Wohnung zu fahren. Dann munterte ich schnell die drei Kinder in der Schule auf und erledigte die Umschulungsformalitäten.

Nun, es war sehr gut, dass ich beim Einzug dabei war, denn es mussten noch einige Missverständnisse beim deutschen Vermieter aus dem Weg geräumt und ein Vertrag vorbereitet werden. Ich war zwei volle Tage beschäftigt.

Am Vormittag des zweiten Tages erinnerte ich mich plötzlich wieder daran, dass ich eigentlich zwei englische Briefe hatte schreiben wollen. Schon wollte ich zwischen schlechtem Gewissen, Resignation und Verzweiflung schwanken, als mir der Gedanke kam, dass Gott uns niemals einen Nachteil daraus erwachsen lassen konnte, dass wir Hilfebedürftigen halfen.

„Wenn Gott möchte, dass wir nach England fahren,” sagte ich mir, „dann fahren wir nach England.” Damit war alle Unruhe von mir genommen, und als ich am Abend des zweiten Tages nach Hause fuhr, hatte ich nicht das Gefühl, gearbeitet zu haben, sondern von einem großen Fest zu kommen.

Wieder zwei Tage später schrieb ich schließlich die Briefe, und noch zwei Tage später bekam ich von meiner Bekannten die Nachricht, dass in Cheddar, einem Städtchen in Somerset, eine Gastgeberin auf uns wartete.

Was war geschehen?

Am Tag unseres Gesprächs auf dem Schulhof im Mai hatte sie überraschend Besuch von einem Pfarrer ihrer Heimatgemeinde bekommen; sie erzählte von uns, worauf er in seinem Gemeindeblättchen nach einer Familie für uns suchte, allerdings ohne Erfolg. Drei Wochen später allerdings fragte eine kinderlose Frau, deren Ehemann nach einem Schlaganfall im Pflegeheim lebte, nach, ob sich eine Familie gemeldet hätte. Da er verneinte, bot sie sehr gerne an, uns in ihrem Haus aufzunehmen.

Als ich davon hörte, wusste ich sofort, dass dies der richtige Platz für uns war, dass wir keine Touristen bleiben, sondern an ihrem Leben teilhaben würden.

Und so war es auch: Es hätte keinen besseren Platz für uns geben können. Wir haben Freundschaften geschlossen, die sich seit Jahren stetig weiterentwickelt haben.

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