Im siebenten und achten Jahrhundert erlebte Northumbrien, ein größeres Gebiet im Nordosten Englands, eine Blüte in der Kunst, Literatur und Religion. Die primitiven, rustikalen Bräuche des frühen keltischen Christentums wichen der mehr zentralisierten, von Rom beherrschten Kirche. Diesen Zeitabschnitt hat man als ein „goldenes Zeitalter” bezeichnet. Nur wenige Geistliche beider religiösen Traditionen übten das christliche Heilen aus. Cuthbert und Beda waren die berühmtesten unter ihnen.
Cuthbert wurde im Jahr 634 geboren und trat im Alter von dreißig Jahren dem keltischen Mönchsorden bei. Gegen Ende seines Lebens wurde er Bischof von Lindisfarne. Er brachte viel Zeit mit Studieren und Beten auf der nahe gelegenen Insel Farne zu. Überall in England wurden Kirchen nach ihm benannt. In der Stadt Durham wurde zu seinen Ehren eine Kathedrale gebaut.
Von Bedas Jugendjahren ist nicht viel bekannt. Er wurde 672 geboren und im Alter von dreißig Jahren zum Priester geweiht. Es liegt keine Überlieferung vor, dass er es zu einem hohen Kirchenamt gebracht hat. Er spielte jedoch eine bedeutende Rolle als Cuthberts Biograf und als Kirchenhistoriker. Sein Ruhm breitet sich schnell in England und ganz Europa aus. Schon bald nannte man ihn Beda Venerabilis, Beda den Ehrwürdigen. Er betrachtete Cuthbert als einen beispielhaften Bischof und Kirchenführer.
In seinen Schriften über den Bischof von Lindisfarne berichtet Beda von vielen geistigen Heilungen. Ein Historiker schreibt: „Für Beda war er [Cuthbert] etwas ganz Anderes, ein Musterbeispiel, von dem man lernt, wie man ein vorbildlicher Bischof und Mönch sein kann ... Er erklärte, wie Cuthberts Gehorsam gegen Gottes Gebote ihn befähigten, Wunder zu wirken, und wie er als Bischof abgelegene Wohnorte besuchte ...” Henry Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England [Die Ankunft des Christentums im angelsächsischen England] (University Park, Penn.; Pennsylvania State University Press, 1991), S. 165.
Die folgende Beschreibung, wie Cuthbert einen jungen Mann heilte, ist Bedas Werk Das Leben St. Cuthberts entnommen:
Einmal geschah es auch, dass der hochheilige Hirte der Herde Gottes die Runde durch die Weiden seiner Schafe machte und in einen bergigen und unzivilisierten Landstrich kam, wo sich viele aus den weithin verstreuten Dörfern eingefunden hatten, damit er ihnen die Hand auflegte.. .. Plötzlich erschien eine Frau mit einer Pritsche, auf der ein von einer langen und schlimmen Krankheit ausgezehrter Junge lag.. .. Als man den Jungen zu Cuthbert brachte und dieser seinen schrecklichen Zustand sah, bat er alle, sich etwas zu entfernen. Und nachdem er sich seiner gewohnten Waffe, nämlich des Gebets, bedient hatte, segnete er den Jungen und trieb die Krankheit aus, was die sorgsamen Hände der Ärzte mit ihren Präparaten und Arzneien nicht vermocht hatten. Dann stand der Junge noch zur selben Stunde auf, nahm Nahrung zu sich, kam wieder zu Kräften und Gott danksagend ging er zu den Frauen, die ihn getragen hatten, zurück.Das Leben St. Cuthberts von Beda, Kap. XX- XII.
Beda berichtet auch von einer weiteren Heilung, die Cuthbert vollbrachte, als eine schlimme Seuche herrschte. Die Heilung geschah bei einem kleinen Kind, dessen Bruder bereits angesteckt worden und gestorben war.
Als er [Cuthbert] in ein Dorf kam und allen, die er antraf, durch seine Ermahnungen geholfen hatte, sagte er zu seinem Priester: „Glaubst du, dass es hier noch jemanden gibt, den wir besuchen und ermahnen müssen, oder haben wir uns um alle gekümmert, die Sorgen haben, so dass wir weitergehen und uns anderen zuwenden können?”
Der Priester schaute sich überall um und sah in einiger Entfernung eine Frau stehen, deren Sohn vor kurzem gestorben war und die jetzt dessen Bruder, der dem Tod nahe war, in ihren Armen hielt; die Tränen quollen ihr aus den Augen und zeugten von ihrem vergangenen und jetzigen Leid. Der Priester wies den Mann Gottes auf sie hin und dieser säumte nicht, sondern ging zu ihr und segnete sie, küsste den Jungen und sagte zur Mutter: „Fürchte dich nicht und sei nicht traurig; denn dein Kind wird geheilt werden und wird leben, und diese Seuche wird sonst niemanden in deinem Heim treffen.” Die Mutter selbst und ihr Sohn lebten noch viele Jahre danach und konnten die Wahrheit dieser Prophezeiung bezeugen. Ebd., Kap. XXXIII.
Beda zufolge vollbrachten auch andere Geistliche in Northumbrien viele Heilungen. Ihre Taten sind in seinem klassischen Werk Die Kirchengeschichte des englischen Volkes enthalten. Es folgt ein Bericht über eine Heilung, die Augustin, der Erzbischof von Canterbury, bewirkte; er berief einmal ein besonderes Konzil zur Förderung der Einheit in der Kirche ein. (Dieser Kirchenführer ist nicht mit Augustinus zu verwechseln, der in Nordafrika lebte und mehrere Jahrhunderte zuvor von vielen Heilungen berichtete.) Der Erzbischof in England wollte mit dieser Heilung andere überzeugen, dass seine Form des Christentums „als Gott wohlgefällig galt”. Beda schreibt wie folgt:
Augustin. .. beendete das langwierige und ergebnislose Konzil mit den Worten: „Bitten wir unseren Herrn, der Einmütigkeit unter den Menschen in Seines Vaters Haus schafft, dass Er uns ein Zeichen vom Himmel gebe und uns zeige, welcher Tradition wir folgen und auf welchem Weg wir unsere Schritte zu Seinem Reich lenken sollen. Bringt einen Kranken herein und lasst den Glauben und die Werke derjenigen, die ihn heilen können, als Gott wohlgefällig gelten und von allen als Beispiel genommen werden.” Mit widerstrebender Einwilligung seiner Gegner wurde ein blinder Engländer hereingeführt und den britischen Priestern präsentiert, deren Bemühungen ihm jedoch keine Heilung und keine Besserung brachten. Dann kniete Augustin nieder, wie es der Anlass erforderte, betete zum Vater unseres Herrn Jesus Christus und flehte ihn an, dass das Sehvermögen des Mannes wiederhergestellt werden möge, um zu beweisen, auf welche Art und Weise das Licht der geistigen Gnade das Denken unzähliger Gläubiger erleuchten sollte. Sogleich erlangte der Blinde sein Sehvermögen und alle erkannten Augustin als den wahren Verkünder von Christi Licht an. Beda, Die Kirchengeschichte des englischen Volkes, Band II, Kap. 2.
Das waren außergewöhnliche Heilungen in der langen Ära des Mittelalters. Die Kirche in Rom hatte das Heilen nicht in ihre offizielle Lehre aufgenommen. Sie verhinderte eher, dass Krankheit durch Gebet und geistiges Verständnis geheilt wurde. Auch neigte sie dazu, unter der riesigen Zahl ihrer Anhänger Furcht, Dogmen und Aberglauben zu verbreiten.
Einige Geistliche erlangten jedoch durch viel Meditieren und Beten ein hohes Maß an Geistigkeit. Sie hatten Zugang zur Bibel und empfanden eine tiefe Liebe zu den einfachen, ungebildeten Menschen ihrer Umgebung. Wie auch Cuthbert bewirkten sie eindrucksvolle Heilungen. Die Tradition des Heilens, die in der frühchristlichen Kirche begonnen und dann in den nächsten tausend Jahren einen Niedergang erlebt hatte, wurde von ihnen bis zu einem gewissen Grade aufrechterhalten. Sie verhinderten, dass das geistige Heilen während dieser Zeit der Stagnation völlig verloren ging.