Der Herold veröffentlicht jeden Monat verschiedene Anmerkungen und Kommentare zu Bibelzitaten, um die vielseitigen Möglichkeiten um die Bibel zu erforschen aufzuzeigen. Die Zitate sind der Lutherbibel (revidierte Ausgabe 1984) entnommen.
Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain ... danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann. (1. Mose 4:1, 2)
„Im Lauf eines langen Lebens hatten Adam und Eva viele Kinder. Wenn nur von ihren zwei erstgeborenen Söhnen Wesensart und Lebensweg anschaulich geschildert werden, dann darum, weil bei ihnen Charakter und religiöse Grundhaltung zeitlose Typen erkennen lassen.” (LBe)
„Zur Bruderbeziehung tritt die Arbeitsteilung (Bauer und Hirte sind Grundberufe der Menschheit). Beides birgt die Möglichkeit zur Rivalität in sich.” (BE)
„Der Ausdruck erkennen„ jada’, umfasst das Empfinden, Fühlen und Bekanntwerden dessen, was Mann und Frau scheidet und bindet., Erkennen’ ist im Alten Testament auch Fachausdruck für, Geschlechtsverkehr’ ...
Der Name Kain kommt im Alten Testament als Eigenname, als Bezeichnung des Stammes der Keniter und als Ortsname vor. ...
Die dem Namen Kain zugrundeliegende Wurzel bedeutet im Arabischen, gestalten, formen, bilden’. Kain ist der, der Formen schafft und Formen gibt, er ist der, Handwerker’. Erst in einer zweiten Bedeutung ist Kain der, Schmied’ ...
Die Geburt Abels ... verlief im Vergleich mit Kains Geburt ganz anders und war mit ungleich anderen Erwartungen verbunden. Es findet keine Bewillkommnung statt, auch keine Namenserklärung. Abel kommt im Alten Testament als Name nicht mehr vor. ... Das dem Namen Abel zugrundeliegende hebräische Wort heißt, Hauch, Nichtigkeit’. Der Name atmet Resignation und enttäuschte Hoffnung. ...
Das Zerbrechen der Bruderschaft und der Weg zum Mord begannen nicht mit der Aufteilung der Berufe, sondern mit der Trennung im Gottesdienst. Kain und Abel dienten Gott auf verschiedenen Altären.
... [Kain] wollte seine religiöse Pflicht erfüllen und bringt ... das, ErstBeste’, das, was er gerade fand. Abel aber hatte das, Erste und das Beste’ ausgewählt. Die Opfer, besonders aber die dahinter stehenden Haltungen waren verschieden.” (WStB)
Siehe, auch jetzt noch ist mein Zeuge im Himmel, und mein Fürsprecher ist in der Höhe. (Hiob 16:19)
„Hiob ist enttäuscht und betroffen von der Redeweise der Freunde, fühlt sich völlig unverstanden. Es schmerzt ihn, von seinen Freunden verkannt zu sein." (WStB) In seiner „zweiten Antwort an Elifas" münden Hiobs zunächst zornigen Angriffe mit Vers 19 in den verzweifelten, hilflosen Schrei: „Im Himmel muss doch einer für mich aufstehn, der dort mein Recht vertritt und für mich bürgt" (nach der GN). Hiob wendet sich also „hin zu dem Gott, der ihn — durch die damaligen Rechtsverhältnisse dazu verplichtet — richten muss; und von diesem Gericht erwartet Hiob seine Gerechtsprechung." (BE)
„Obgleich alles gegen Hiob zu sprechen scheint, und obgleich das von Gott gesandte Leid als Zeuge gegen ihn auftritt (Hi 16:8), beruft sich Hiob auf Gott als den Zeugen seiner Unschuld. ...
Der Begriff, Zeuge' (hebräisch: ed) kennzeichnet eine Person„ die eine Tat gesehen oder irgendwie erfahren hat, bezüglich derer die Verpflichtung besteht, auszusagen. Im Alten Testament kann Gott selbst die Funktion eines solchen Zeugen übernehmen. Das mit, Anwalt’ [Fürsprecher] übersetzte Wort kommt aus dem Aramäischen und bedeutet ebenfalls, Zeuge’ (Aramäisch: sahed). Es ist der Zeuge, der sich zu einem Angeklagten bekennt und zum Anwalt seiner Unschuld wird. Das Herbeirufen Gottes als seinen Zeugen und seinen Anwalt ist ein, Höhepunkt’ im Glauben des Hiob.” (WStB)
So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. (Gal 4:7)
Am Beispiel des Vormundschaftsrechts verdeutlicht Paulus die Bedeutung der Freiheit von den der Versklavung „unter den Elementen des Kosmos”.
„Der Rechtslage nach (de jure) ist der Junge Erbherr über Sachen und Personen des gesamten Anwesens, aber der Tatsachenlage nach (de facto) führt er ein Sklavendasein. In Geschäftsdingen handeln Vormünder für ihn, im Alltag befehligen Hausbeamte. Er ist nicht anders als die Leibeigenen gestellt, Knecht unter Knechten.” (WStB)
„Die Antike war vom Glauben an die Astrologie besessen. Wurde jemand unter einem bestimmten Stern geboren, so war sein Schicksal damit ein für allemal festgelegt. Die Menschen ließen sich von diesem Sternenglauben tyrannisch beherrschen, obwohl sie sich insgeheim danach sehnten, von ihm erlöst zu werden.” (Barclay)
„Paulus vergleicht die Situation des Sünders ... mit der Lage eines unmündigen Knaben: Obwohl als Sohn des Vaters von allen Sklaven im väterlichen Hause unterschieden, steht er doch unter der oft rohen Aufsicht der zu seiner Erziehung beauftragten Sklaven. Sowie aber der Tag seiner Mündigkeit gekommen ist, haben jene kein Recht mehr über ihn: Er ist frei.” (Wilckens)
„Frei von Angst vor den Schick-salsmächten, weiß sich der mündige Sohn im Vertrauen des Vaters geborgen.” (BE)
„Sohnschaft ist jedoch nicht nur eine Beziehung auf der personalen Ebene, nämlich zum Vater und zur Familie, sondern auch auf der sachlich-juristischen Ebene, zum väterlichen Besitz. So folgt aus der Sohnschaft Erbschaft. ... Sohnsein macht geschäftsfähig. Der große Abschnitt endet: durch Gott. Paulus hat die Erläuterung der Zusammenhänge hoch angebunden. Nicht dreiste Anmaßung von unten führt hier das Wort.” (WStB)
Und er nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn hinaus vor das Dorf, tat Speichel auf seine Augen, legte seine Hände auf ihn und fragte ihn: Siehst du etwas? (Mk 8:23)
„Markus brachte seine Geschichten nicht zusammen, wie man Laub zusammenharkt, sondern verfolgte feine geistliche Linien. ...Sechsmal ist das Wortfeld, sehen’ vertreten. ... Markus sah in dieser Blindenheilung einen über die körperliche Hilfe hinausschießenden geistlichen Sinn: Wahres Sehen durch Jesus! Dabei handelt es sich um das einzige Wunder in den Evangelien, das sich stufenweise vollzog. Die Wahrheit Gottes erschließt sich also nicht mit einem Schlag.” (WStB)
„Viele orientalische Dörfer sind von Mauern umgeben. Jesus führte den Blinden aus dem Ort heraus, um Störungen durch das Beisein Neugieriger zu vermeiden. ...
Jesus musste in diesem Fall ganz ruhig handeln und dem Mann Fragen stellen können, was in der dörflichen Enge unmöglich gewesen wäre. Es hätte sich vielleicht auch als schwierig erwiesen oder gar Jesus in Verlegenheit gebracht, dem Blinden mitten in der zwiespältigen Menge auf die Augen zu speien, denn Anspucken betrachtet man im Orient als eine schwere Beleidigung. Nur Heiligen war es erlaubt eine Wunde zu bespeien. ... Durch das Bespeien von Wunden erteilte der Heiler der Krankheit und den von ihr hervorgerufenen Folgeerscheinungen einen deutlichen Tadel ... Er weist damit die Macht des Bösen gewissermaßen in seine Schranken zurück. Jesus hielt sich an diese dem Volke wohlvertrauten Gebräuche, da die Kranken ohne die Beachtung solch äußerlicher Formen kaum zu überzeugen gewesen wären.” (Lamsa)
Blindheit war nicht nur die Geißel der Menschen in der damaligen Zeit, „über dreißigmal spricht das Alte Testament, über fünfzigmal das Neue Testament von Blindheit, achtmal überliefern die Evangelien Blindenheilungen. ... Früh diente, blind’ als Bildwort für geistliche Verblendung. Wenn Blinde wieder sehen, hat Gott angefangen, sich seinen Menschen neu zu zeigen und die Schöpfung, wieder herzustellen’ (Vers 25).” (WStB)
Abkürzungen:
Barclay = William Barclay, Auslegung des Neuen Testaments
BE = Die Bibel mit Erklärungen
GN = Gute Nachricht
Lamsa = George M. Lamsa, Die Evangelien in aramäischer Sicht
LBe = Lutherbibel erklärt
Wilckens = Ulrich Wilckens, Das Neue Testament
WStB = Wuppertaler Studienbibel