Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Feature-Serie: Gerechtigkeit

„In jedem Herzen gibt es Güte. Entwickle sie zur vollen Blüte!”

Aus der März 2004-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ich traf Madame Yukika Sohma in ihrem Büro in der Yukio-Ozaki-Gedenkstiftung im Parlamentsmuseum, das auf dem bewaldeten Grundstück des Kaiserpalastes, umgeben von einem Burggraben, liegt. Das Museum wurde zu Ehren Yukio Ozakis gebaut, der fünfundzwanzigmal ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde und dort 63 Jahre arbeitete. Yukio Ozakis Tochter, Yukika Sohma, ist Vizepräsidentin der Stiftung und gleichzeitig Herausgeberin der Stiftungszeitung Welt und Parlament. Sie erfuhr in ihrer Kindheit vom Einsatz ihres Vaters für Gerechtigkeit und Fairness.

Yukika Sohma ist eine überzeugte Anhängerin der MRA, Moral and Spiritual Re-Armament (der heutige Namen ist IC, Initiatives of Change), was so viel wie moralische und spirituelle Wieder-Aufrüstung bedeutet, eine internationale Bewegung, die ihre Wurzeln in den USA hat. Ihr Ansatz ist es, die Welt nicht durch Waffen, sondern durch die Mobilisierung der moralischen und spirituellen Kräfte im Menschen zu verbessern. Madame Sohma berichtet, dass die MRA sie gerettet hat, als sie sich in den Vorkriegsjahren frustriert und hilflos fühlte. Die MRA, die für Werte wie Ehrlichkeit, Reinheit, Selbstlosigkeit und Liebe steht, lehrte sie, dass man zuerst sich selber ändern muss, bevor man die Welt verändern will.

Ich erinnere mich noch gut daran, was sie 1979 in einem Interview sagte, nachdem sie die Vereinigung zur Hilfe für Flüchtlinge aus Indochina gegründet hatte. „Die Regierung ist wie ein Elefant — groß, schwer und langsam. Wir dagegen sind wie Mäuse, wir bewegen uns flink.” Nach einigen Jahren konnte ich sehen, wie treffend sie damit ihre Gruppe beschrieben hatte. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sich diese kleinen Mäuse zu einer großen Kraft entwickelt haben, die weltweit tätig ist. Die Gruppe hat an die 500 freiwillige Helfer eingesetzt, um Flüchtlingen rund um den Globus zu helfen.

Ich musste an ihre Worte denken, als ich Berichte las, wie ihre Gruppe Brunnen im ausgedörrten Afrika gegraben oder Tonnen von Eiern und Bananen in das vom Hunger gezeichnete Nordkorea gebracht hat. Ich las, dass Madame Sohmas Gruppe hunderttausend Paar Unterwäsche, die sie in Südkorea gekauft hatte, nach Kobe schickte, nachdem dieses 1995 von einem heftigen Erdbeben heimgesucht wurde, wodurch dreihunderttausend Häuser zerstört worden waren.

Yukika Sohma ist eine bemerkenswerte Frau, die in den verschiedensten Bereichen tätig ist. Aber am bekanntesten ist sie wahrscheinlich durch ihr Engagement in der weltweiten Flüchtlingshilfe.

Als Sie Ihre Arbeit mit der Flüchtlingshilfe begannen, war, soviel ich weiß, noch keine Rede von NGOs (Nichtstaatlichen Hilfsorganisationen) in Japan?

Aus Kambodscha strömten die Flüchtlinge in Scharen, aber Japan unternahm nichts. Genauer gesagt gab es weder nicht-politische noch nicht-religiöse Gruppen in Japan, um Flüchtlingen zu helfen. Japans Politik war ein striktes Nein, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen ging. Aber Japan veranstaltete ein G8-Gipfeltreffen und die Britische Premierministerin Margaret Thatcher sollte das Land besuchen. Premierminister Masayoshi Ohira musste etwas unternehmen und so entschloss er sich für eine Quote von fünfzig Flüchtlingen.

Ich hatte über dieses Problem schon viele Jahre nachgedacht und von der Not der Menschen aus Indochina gehört. 1965 wurde mit Hilfe der MRA die asiatisch-pazifische Parlamentsunion gegründet und ich, als deren Übersetzerin, besuchte viele Länder Asiens und konnte die traurige Wahrheit der Dinge aus erster Hand erfahren.

Ich war der Ansicht, wir sollten ein Fakten-Such-Team nach Indochina schicken und erwähnte diese Idee Nobusuke Kishi gegenüber, der später Premierminister wurde. Herr Kishi sagte nicht ausdrücklich Nein. Für mich war klar, dass er mir sagen wollte, ich solle in Aktion treten. Also besuchte ich mit Tsutomu Hata, der später Premierminister wurde und Bumbei Hara, der später Präsident des Oberhauses wurde, die thailändischen Flüchtlingscamps entlang der kambodschanischen Grenze.

Auf diese Weise begann also die Vereinigung zur Hilfe für Indochina-Flüchtlinge und sie gewann enorme sofortige Unterstützung.

Ja, ich hatte Vertrauen in die Japaner. Ich wusste, dass sie ein gutes Herz haben. Aber die Geschichte geht noch weiter. Wir sahen uns die Thai-Camps an, wussten aber immer noch nicht, was wir diesbezüglich unternehmen konnten. Gerade da erhielt ich einen Brief eines Bekannten, worin es hieß: „Aus Indochina strömen die Flüchtlinge in Scharen und Amerikaner und Europäer unternehmen viel, aber die Japaner tun überhaupt nichts. Tatsächlich hat Japan gerade mal zwei Flüchtlinge aufgenommen. Die Japaner sind hartherzig. Und sie interessieren sich nur fürs Geldverdienen.”

Wenn Sie so einen Brief bekommen würden, was würden Sie dann tun? Ich zog Erkundigungen ein und fand heraus, dass das Rote Kreuz in Kyushu drei Flüchtlinge aufgenommen hatte. Also schrieb ich zurück: „Ihre Information ist zu fünfzig Prozent falsch. In Japan gibt es drei Flüchtlinge und wir werden beweisen, dass die Japaner nicht hartherzig sind.” Ich denke immer, ich lege mich für die ganze Nation ins Zeug.

Also wurde ich aktiv. Ich erinnerte mich an Masunori Hiratsuka, von dem ich wusste, dass er irgendwo geschrieben hatte, dass die japanische Jugend eine warme, freundliche und mitfühlende Haltung während des UN-Jahres der Jugend pflegen sollte. Ich rief ihn an und sagte: „Herr Hiratsuka, das ist Ihre Chance. Sie können die Jugend dazu bewegen, den Flüchtlingen zu helfen.” Er stimmte sofort zu und bot umfassende Hilfe an und kontaktierte wichtige Köpfe der führenden Privatuniversitäten in ganz Japan.

Wir organisierten ein Treffen, das alle zusammenbrachte, die daran interessiert waren Flüchtlingen zu helfen. Auf dem Treffen fragten die Leute, wie wir das Projekt finanzieren wollten. Ich sagte: „Wenn jeder Japaner einen Yen gibt, haben wir ¥ 120 Millionen (über eine Million Euro), da in Japan 120 Millionen Menschen leben.” Diese Aussage war eine Eingebung. Die Zeitungen schrieben darüber und wir bekamen reichlich Geld und Schecks zugeschickt. Viele kamen von Kindern, die darauf verzichteten mit dem Bus zu fahren und lieber liefen, um das Geld dafür einzusparen und es uns zu schicken. In weniger als vier Monaten hatten wir mehr als ¥ 120 Millionen zusammen bekommen. Wir hatten bewiesen, dass die Japaner ein gutes Herz haben.

Um ein Büro zu mieten, fehlte uns das Geld. Ich plante von meinem Haus aus zu operieren. Dann, auf einem der Treffen, huschten zwei Mädchen hinaus und als sie wiederkamen, sagte die eine: „Mein Vater würde sich freuen, wenn Sie sein Büro benutzen würden.”

Gott stellt alles zur Verfügung! Mein Vater pflegte zu sagen: Wenn du etwas Gutes für andere tust, wird der Himmel dir helfen. Er benutzte den Begriff Himmel anstelle von Gott, weil die Bedeutung des Begriffs Himmel den Japanern wahrscheinlich angeboren ist. Ich wusste, dass die Menschen ein gutes Herz haben.

Sie lösten 1984 die Gruppe auf, um Sie als AAR (Association for Aid and Relief, Japan) neu ins Leben zu rufen und Flüchtlingen in der ganzen Welt zu helfen.

Von Anfang an hatte ich die Idee, Flüchtlingen zu jeder Zeit und in jedem Winkel der Erde zu helfen. Afrika zum Beispiel war in einem schrecklichen Zustand, mit all den internen und externen Konflikten, zusätzlich zu Trockenheit und Hungersnot.

Die AAR rief eine Kampagne ins Leben, um Milch und Wasser nach Afrika zu schicken und fragte auch nach freiwilligen Hilfskräften zum Einsatz vor Ort. Es meldeten sich 284 Leute. Wir schickten Helfer in Flüchtlingslager nach Sambia, Angola, Zimbabwe und Mozambique und befassten uns mit der Ausbildung in den Bereichen Medizin, Ernährung und Anbaumethoden und kümmerten uns außerdem um andere kulturelle und berufsbildende Maßnahmen.

In der Nähe von Lusaka, der Hauptstadt Sambias, wo Wasser knapp ist, gruben die Helfer mehr als fünfzig Brunnen mit den eigenen Händen nach der traditionellen japanischen Methode. Einfache japanische Karren ohne Motor erwiesen sich als sehr nützlich. Die AAR baute Bibliotheken und schickte Zehntausende englische Bücher dorthin. Die Kampagne „Decken für Afrika” brachte 1,26 Milliarden Yen ein und verschickte 1,7 Millionen Decken in dreizehn Staaten Afrikas, nach Äthiopien, in den Sudan, nach Mozambique, Ghana, Mali und Niger.

1991 verursachte der Zerfall der Sowjetunion eine neue große Flüchtlingswelle in Jugoslawien und die AAR arbeitete in Kroatien, Serbien-Montenegro, in Bosnien-Herzegowina und Mazedonien. Sie bot medizinische Hilfe, psychische Betreuung, Versorgung mit Prothesen und Rollstühlen an. Die Arbeit in Jugoslawien wurde 2003 beendet.

Die AAR ist jetzt in Afghanistan aktiv. Doch während der Irak und Afghanistan breites Interesse in der Weltöffentlichkeit genießen, neigt Afrika dazu in Vergessenheit zu geraten, wo doch weiterhin Millionen von Menschen an Malaria und Aids und den Landminen zu leiden haben.

Sie kommen an gefährliche Orte.

Ja, wir gehen in gefährliche Gebiete und ich muss leider gestehen, dass wir drei unserer Helfer verloren haben, zwei durch Malaria und einen durch einen Verkehrsunfall, alle drei in Afrika.

Aktionen gegen Landminen sind ein weiteres Feld, auf dem Sie gerade sehr aktiv sind. Ich habe gehört, dass die AAR eine große Rolle bei der Entscheidung Japans gespielt hat, das Verbot gegen Landminen zu unterzeichnen, das 1999 in Kraft trat?

Einer Tradition folgend dachte Japan, dass Landminen nötig sind, um das Land gegen feindliche Übergriffe zu schützen. Doch durch die Arbeit mit den Flüchtlingen wussten wir von den schlimmen menschlichen Tragödien, durch die von Landminen getroffenen Flüchtlinge, wenn sie schließlich in ihr Heimatland zurückkehren.

Die AAR brachte ein Anti-Land-minen-Bilderbuch für Kinder heraus, mit dem Titel: „Blumen statt Minen”. Das Buch wurde ein Bestseller und erscheint nun in der fünften Auflage. Insgesamt hat sich das Buch 550 000 Mal verkauft. Fusako Yanase, die Direktorin von AAR, schrieb den Text in einer Form, in der sie die Kinder direkt anspricht.

Yoh Shomei, ein chinesischer Künstler und Mitglied in der AAR, hat das Buch ohne Vergütung illustriert und einen Hasen namens „Sunny” ins Leben gerufen, der seitdem das Symbol für die AAR ist.

Mit den Einnahmen aus dem Buchverkauf konnte in Kambodscha ein Areal in der Größe von 2000 Tennisplätzen von Landminen befreit werden.

Sie haben es geschafft sehr viele Leute zu aktivieren. Wie machen Sie das?

Ich versuche die Seele der Menschen zu erreichen. Ich weiß, dass jeder Gutes in seinem Herzen hat und Gutes tun möchte, aber oft nicht die Möglichkeit hat, dies in die Tat umzusetzen. Doch wenn ich es tun kann, kann es jeder tun.

Haben Sie nicht ab und zu das Gefühl gegen eine Wand zu rennen?

Natürlich passiert das, eigentlich ständig. Was ich dann mache? Ich denke nach. Wenn man wirklich ernsthaft nachdenkt, bekommt man ganz sicher eine Idee von Gott.

Nehmen Sie sich jeden Tag Zeit zum Nachdenken?

Ja, morgens und immer, wenn es nötig ist. Menschen bestehen aus Güte und dem Teufel. Es geht darum, den Teufel zu verjagen. Wir müssen zwischen beiden wählen. Wir können uns selbst ändern, wenn wir merken, dass wir etwas falsch gemacht haben. Die MRA sagt: „Schaue auf deine eigene Hand. Wenn du mit dem Finger auf jemanden zeigst, zeigen gleichzeitig drei Finger auf dich selber.”

Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, manchmal warten zu können, um zu sehen, ob eine Idee gut ist.

Wir können die Wege der anderen Menschen nicht ändern, aber wir können immer unsere eigenen Gedanken ändern.

Ich halte außerdem die Lehren von Christian Science für gut. Sie haben mir enorm dabei geholfen gesund zu bleiben. Als Jugendliche habe ich monatliche Treffen mit Christlichen Wissenschaftlern besucht. Und heute erinnere ich mich oft an die Worte: „Es ist kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie. Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Manifestation, denn Gott ist Alles-in-allem” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Besonders wenn ich vor einem Problem stehe, wende ich mich an diese Stelle.

Es mag verschiedene Maßstäbe von Gerechtigkeit geben.

Jeder weiß in seinem Herzen, was wahr und was falsch oder was eine Lüge ist. Wenn man tief nachdenkt, wird es offensichtlich.

Was möchten Sie als Nächstes machen?

Ich möchte, dass Japan eine Nation wird, die der Welt von Nutzen ist.

Ich fühle, dass die Menschheit schließlich zu der Tatsache erwacht, dass alle Völker, Christen, Muslime, Buddhisten oder Menschen mit welcher Glaubensrichtung auch immer, letztlich alle dasselbe suchen. Terroristen scheinen zu glauben, dass sie den Willen ihres Gottes tun. Wir werden nichts erreichen, wenn wir sie einfach nur verdammen. Wir müssen darüber nachdenken, welchen Anteil wir an der Verantwortung haben, dass dieses Problem in der Welt entstehen konnte.

Wir müssen unser Denken prüfen, unser Bewusstsein beobachten. Ohne diese Arbeit wird es keinen Fortschritt geben.

Unsere Gedenkhalle existiert, um den Geist der konstitutionellen Regierung wach zu halten. Bis zum Jahr 1868 wurde die Gesellschaft von der Klasse der Samurai regiert und der Rest der Stadtbevölkerung, die Bauern und Handwerker, wurden nicht wie menschliche Wesen behandelt. Die Samurai konnten sie auspeitschen, wann immer sie wollten, auch ohne Gerichtsurteil. Die konstitutionelle Regierung sorgt dafür, dass alle Menschen nach gleichem Recht behandelt werden und deswegen ist es so wichtig, dass man seine Stimme erhebt.

Die Gedenkhalle bietet Seminare an und führt eine Reihe von Trainingsprogrammen durch mit dem Ziel, Dinge wie Demokratie und den Frieden in der Welt zu pflegen, unter japanischen Jugendlichen, politischen Führern und den Menschen ganz allgemein. Eines dieser Seminare, das jährlich im Namen Ihres Vaters abgehalten wird, wurde zum ersten mal 1998 mit fünfzig Teilnehmern und brillanten Sprechern durchgeführt.

Ich bin mit vielen Dingen beschäftigt, aber ich mache nicht alles selber. Es sind unsere Mitarbeiter und andere, die sie durchführen. Die Dinge beginnen oft mit einer einfachen Idee irgendwo in einem guten Herzen. Alles, was ich tue ist, das Gute zu sehen, es zu unterstützen und zu helfen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / März 2004

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.