Hatten Sie als junges Mädchen bereits die Idee, einmal eine Geschäftsfrau zu werden?
Allerdings. Viele Mädchen wollten Ballerinas werden, aber ich erinnere mich, dass ich jedem sagte, ich wollte einmal in einem Vorstandszimmer sitzen.
Als ich zwölf war, hatte ich drei verschiedene Routen beim Zeitungsaustragen. Offenbar war ich überhaupt das einzige Mädchen in meiner Gemeinde in New York, die so etwas machte. Es war viel Arbeit, also beschloss ich, die Nachbarskinder anzuheuern mir die Zeitungen austragen zu helfen. Nach der Schule stellten sie sich mit ihren Fahrrädern vor meinem Haus auf und bekamen die Zeitungen von mir zum Austragen. Danach bezahlte ich die Kinder in Brezeln.
Ich hatte die Zeitungsrouten drei Jahre lang und natürlich wurde ich für jede Route bezahlt. So machte ich Profit.
Und wie gelangten Sie schließlich in die Vorstandszimmer der Firmen?
Vor zwanzig Jahren stieg ich ins Geschäftsleben ein, und zwar im Technologiebereich. Ich begann mit dem Verkauf in einer nationalen Firma, die über dreihundert Verkaufsleute im ganzen Land hatte. Innerhalb von sechs Monaten wurde ich die zweitbeste Handelsvertreterin. Eine Position im Management in der Firma war frei geworden, für die ich gut qualifiziert war. Ich war vierundzwanzig und ehrgeizig. Und obwohl ich weniger Erfahrung als alle anderen hatte, war ich all den anderen Anorderungen für den Job gerecht geworden.
Ich sprach mit unserem regionalen Vizepräsidenten über die Position, aber er lachte nur und sagte, dass ich zu jung wäre, um in Betracht zu kommen. Er sagte, dass selbst wenn die Firma vielleicht die Altersfrage außer Acht ließe, es dennoch keine Frauen im Management gäbe. Er riet mir inoffiziell, dass ich glücklich sein sollte, wo ich war, und dass ich schon mehr erreicht hatte, als die meisten „Mädchen” in meinem Alter.
Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass Frauen es aufgrund ihres Geschlechts nicht weiter bringen konnten. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass Gott meinen Fortschritt regiert. Das hieß, dass ich ein Individuum ohne Grenzen war. Ich hatte unbegrenzte Möglichkeiten. Wenn man von dieser Basis aus arbeitet, warum kann dann eine vierundzwanzigjährige Frau nicht Vizepräsidentin werden?
Mehr als alles andere wollte ich in einer Firma sein, wo ich andern helfen und beibringen konnte, was ich über das Geschäft wusste und nicht nur dazu beitragen, dass (finanziell) „unterm Strich” etwas herauskommt.
Manchmal können wir unsere Umgebung ändern, aber zu andern Zeiten ist es der richtige Weg, woanders hinzugehen.
Innerhalb von sechs Monaten bot mir einer unserer Konkurrenten eine Position auf gleicher Ebene an, aber in einer viel fortschrittlicheren Firma. Innerhalb eines Jahres wurde ich ihre erste Vizepräsidentin und im gleichen Jahr trat ich dem Vorstand bei.
Gibt es andere Beispiele, wo Sie kleineren oder größeren Ungerechtigkeiten gegenüber standen?
Ja, einige. Einmal wurde in dieser neuen Firma von einem der Männer des Vorstands ein neues Komitee gebildet. Ich sollte Teil dieses Komitees sein. Aber ich wurde nicht zu Rate gezogen oder informiert, wer darin war oder wann es sich traf. Es wurde eine sehr unangenehme Situation für alle Komiteemitglieder, als sie anfingen, mich wegen Informationen über dieses neue Komitee anzurufen und ich keine Details kannte.
Ich brachte dieses Versehen vor den Vorstand, war aber darauf bedacht, meine Kommentare nicht persönlich zu fassen. Anstatt meinen Gefühlen entsprechend zu handeln, dass ich unfair behandelt worden war, sagte ich jedem, welch gute Arbeit dieser Mann geleistet hatte, indem er alles erledigt hatte, ohne die Zeit der übrigen Vorstandsmitglieder zu beanspruchen. Als Resultat davon informierte mich dieser Mensch die nächsten Jahre über alles, was passierte. Und ich hatte das Empfinden, dass er mir weniger das Gefühl vermittelte: „Du bist die Frau im Vorstand, darum toleriere ich dich, beziehe dich aber nicht mit ein.”
Hat sich in der Geschäftswelt seitdem viel verändert?
In den USA hat es viel Fortschritt gegeben, aber es ist noch immer nicht leicht für Frauen, in leitende Positionen zu kommen. Ich bin jedoch nicht mehr in allzu vielen Sitzungen, wo ich die einzige Frau bin oder auch zweideutige Witze erzählt werden.
Sehen Sie mehr und mehr berufliche Möglichkeiten auf gehobener Ebene für Frauen in der Welt?
Ich denke, Frauen überall haben viel Grund zur Hoffnung. Eine Frau, mit der ich arbeitete, die die erste und einzige Frau in einer Managementposition in ihrer Firma war, erzählte mir, ihre Familie hatte sie ausgestoßen, weil sie eine berufliche Laufbahn eingeschlagen hatte und sich nicht dazu entschlossen hatte, jung zu heiraten.
Einmal saß ich mit ihr in einer Geschäftssitzung und beobachtete, wie einige ihrer männlichen Kollegen über alles redeten, was sie sagte. Sie blieb extrem gelassen, während die ihre Ideen in Frage stellten und auf subtile Art über sie hinweggingen. Es war dieselbe Sache, die ich als junge Frau erlebt hatte. Wir hatten einige Gespräche über Religion und Glauben und es war offensichtlich, dass sie sehr klar wusste, wer sie war und was sie tun sollte.
Welche Stärken bringen Frauen in das Geschäftsleben mit?
Ich habe gelernt weibliche Qualitäten wie Beharrlichkeit, die Fähigkeit mehrere Dinge auf einmal zu erledigen und Hilfsbereitschaft zu respektieren und zu hegen, denn sie helfen einem tatsächlich im Beruf. Viele Frauen — besonders junge Frauen — versuchen ihre Weiblichkeit zu unterdrücken, weil sie glauben, es lässt sie schwach aussehen. Über die Jahre habe ich gelernt, dass es anders ist. In der Vergangenheit versuchte ich z.B. all die Eigenschaften zu entwickeln, die man normalerweise mit Männern verbindet — ein fester Händedruck etwa — und nicht die anderen Eigenschaften, die man mit Frauen assoziiert, wie Sanftheit.
Heute habe ich immer noch die Stärke, die man oft mit Männern in Verbindung bringt, so wie meinen festen Händedruck, aber ich denke, dass ich auch ein fürsorglicher Mensch bin.
Ich habe immer festgestellt, dass wenn ich Gott an erste Stelle setze, das Leben dann immer leichter ist. Ich versuche immer etwa den halben Tag zu beten und auf Seine Führung für meine Familie und mein Geschäft zu lauschen. Das hilft mir, mich weniger von dem Stress und den Herausforderungen des täglichen Lebens „auffressen zu lassen”. Etwas, was mir all die Jahre geholfen hat, wenn ich Herausforderungen gegenübergestanden habe — sei es nun eine Ungerechtigkeit oder ein Gesundheitsproblem —, ist dieses Versprechen aus der Bibel: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind” (Röm. 8:28).