Mein Vater hatte immer Unfug im Kopf! Es gab Zeiten, da ließ er ihn an uns allen aus. Einmal, als er die Pflanzen vor unserem Haus goss, öffnete meine Mutter die Tür. Er wirbelte herum, spritzte sie voll und weichte sogar drinnen die Bücherregale ein! Sie musste sich natürlich an ihm rächen, schlich also die Treppe hoch zu einem offenen Fenster und schüttete ihm einen Eimer Wasser über den Kopf.
Ein Gefühl der Leere blieb, als ich an ein Weihnachten ohne meine nächsten Angehörigen dachte.
Wir standen uns in der Familie sehr nahe, nicht nur, weil wir viel Spaß haten, sondern auch, weil wir oft zusammen im Lebensmittelgeschäft meiner Eltern arbeiteten. Ich habe viele, viele wunderbare Erinnerungen an meine Kindheit. Vor allem an die Liebe erinnere ich mich.
Zu Beginn meines Lebens als Erwachsene änderte sich vieles drastisch, als meine Mutter weiterging. Sie war das Rückgrat unserer Familie gewesen, hatte all unsere Unternehmungen unterstützt und bei den verschiedensten Herausforderungen, denen meine Schwester und ich in unserem jungen Leben begegneten, Rat gewusst. Einige Monate später heiratete meine Schwester und zog aus. Ich blieb die nächsten paar Jahre zu Hause bei meinem Vater, um ihm zu helfen, wieder Halt zu finden. Dann heiratete er wieder.
Im ersten Jahr seiner Ehe wollte mein Vater natürlich Weihnachten mit seiner neuen Frau und deren Sohn verbringen. Meine Schwester würde bei den Verwandten ihres Mannes sein. Die Familie, wie ich sie gekannt hatte schien es nicht mehr zu geben. Ich fühlte mich wie auf einem Grenzstreifen, mit einem Fuß in und mit einem außerhalb der Familie. Ich quälte mich mit der Frage, wo – oder sogar ob – ich hineingehörte. Einige Freunde luden mich ein, die Feiertage mit ihnen zu verbringen und ich sagte erfreut zu. Doch ein Gefühl der Leere blieb, als ich an ein Weihnachten ohne meine nächsten Angehörigen dachte.
In den Jahren nach dieser Erfahrung habe ich gelernt, auf Gebet und geistige Gemeinschaft mit Gott zu vertrauen, wenn es einmal hart auf hart ging. Der Gott, den ich kennengelernt hatte, ist voller Gnade, was bedeutet, dass Er diese in reichem Maße für jedes Seiner Kinder bereithält, mich eingeschlossen. Als ich mich also bei dem Gedanken ertappte, meine Familie sei alles andere als »in reichem Maße bereitgehalten«, erkannte ich, dass ich wahrscheinlich die Idee von Familie von einem geistigeren Standpunkt aus erkunden sollte. Ich fand heraus, dass das, was ich für Familie aus »Fleisch und Blut« hielt, erbärmlich begrenzend sein kann und manchmal eine Menge Probleme verursacht. Manchmal enttäuscht einen ein Familienmitglied, oder die Familie verändert sich, wie bei mir, oder sie hat schlichtweg nie existiert.
Mary Baker Eddy, die diese Zeitschrift gründete, war mit einer noch größeren familiären Herausforderung konfrontiert als ich. Nachdem sie als junge Frau und Mutter ihren Mann verloren hatte, war sie mit Gesundheitsproblemen konfrontiert, so dass ihre Familienangehörigen überlegten, ob sie ihren eigenen Sohn aufziehen könne oder nicht. Sie entschieden sich dagegen und gaben das Kind dem Kindermädchen in Pflege. Diese Verwandten unterbrachen schließlich jede Verbindung zwischen Mrs. Eddy und ihrem Sohn und unterbanden jeglichen weiteren Kontakt zwischen ihnen, bis er erwachsen wurde.
Auch wenn Mrs. Eddy mit Enttäuschung und dem Gefühl des Betrogenseins zu kämpfen gehabt hatte, konnte sie durch eine Überzeugung von Gott als Vater-Mutter einen festen Halt finden. Dies führte sie dazu, Familie jenseits von Blutsverwandtschaft und darüber hinaus neu zu definieren. Später schrieb sie: »Die Unsterblichen, oder die Kinder Gottes in der göttlichen Wissenschaft, sind eine harmonische Familie; aber die Sterblichen oder die >Menschenkinder< im materiellen Sinne sind unharmonisch und oft falsche Brüder.« (Wissenschaft und Gesundheit, S. 444)
Aus einer »Fleisch und Blut Perspektive« betrachtet sind Familien oft unvollkommen. Aber sich selbst als ein Kind Gottes zu erkennen, eröffnet eine zärtliche Beziehung zu diesem ewigen Vater-Mutter Gott und zu allen Seinen Kindern. Diese erhobene Perspektive kann bestehende Familien in Einklang bringen und neue Formen von Liebe und Zugehörigkeit fördern.
Sich selbst als Kind Gottes zu erkennen, eröffnet eine zärtliche Beziehung zu diesem ewigen Vater-Mutter Gott und zu allen Seinen Kindern.
Die Bibel unterstützt eine solche Betrachtungsweise. Das Gebet des Herrn beginnt mit: »Unser Vater im Himmel« (Matth. 6:9). Später führte Mary Baker Eddys Interpretation zu der Bedeutung: »Unser Vater-Mutter Gott, all-harmonisch« (Wissenschaft und Gesundheit, S. 16). Dieser einfache Satz beinhaltet den Schlüssel, um Harmonie in uns selbst, in unseren Familien und in unserer Welt zu finden. Wir alle haben einen Vater-Mutter. Wenn wir einen Schimmer der Bedeutung dessen erhaschen, erkennen wir, dass wir ein Teil von Gottes großartiger und harmonischer Familie sind, und dann löst sich eine einschränkende Sicht von Blutsverwandtschaft auf.
Diese göttlich geschaffene Familie schließt Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt ein, ungeachtet von Sippschaft, Nachnamen, Generationsfolge oder von ethnischen, kulturellen oder nationalen Grenzen. Das Band, das sie alle vereint, ist ihr geistiges Erbe als Kinder Gottes – nicht menschliche Abstammung, sondern Verwandtschaft der Werte und Qualitäten des Denkens. Wenn wir zum Kern der Frage vordringen, wer wir als Söhne und Töchter Gottes sind, lassen wir Paulus' Bekräftigung an die Römer widerhallen: »So sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, ...« (Römer 12:5). Und das öffnet der menschlichen Familie den Weg, eine höhere Natur anzunehmen und die Natur Gottes widerzuspiegeln. Diese Art von Familie bietet Erfüllung, Harmonie, Ausgeglichenheit und eine tief verwurzelte Struktur, die sich in Unterstützung für jedes seiner Mitglieder ausdrückt.
Den Begriff von Familie auszudehnen kann sich auf das Leben vieler grundlegend auswirken, genau wie auf meines. In all den Jahren habe ich einen greifbaren Ausdruck von Familie erlebt, der sich auf wunderbare und oft unerwartete Weise zeigte. Zum Beispiel habe ich statt darauf zu warten, dass Familie zu mir kommt, das Abenteuer der Entdeckung genossen. Und wenn ich auch immer noch vielfältige »blutsverwandtschaftliche« Beziehungen pflege, hat sich mein Konzept von Familie erweitert und bezieht nun viel mehr Menschen ein.
Kurz nachdem meine Mutter weitergegangen war, arbeitete ich in Arizona im Herzen eines indianischen Gebiets, wo ich einer Familie begegnete, die mich viele Jahre lang als eine von ihnen ansah. Wenn Familienmitglieder dieser Urbevölkerung Amerikas zum Erntedankfest zu Besuch kamen oder wenn mein Mann und ich in der Weihnachtszeit nach Arizona reisten, um sie zu sehen, fühlte ich mich in eine stets wachsende Familie aufgenommen. Und als ich heiratete, brachte mein Mann drei Kinder in unsere Familieneinheit. Zwei von ihnen haben nun selbst Kinder, somit wächst meine Verwandtschaftsliste immer weiter. Während der Feiertage heißen wir oft eine bunte Mischung von Familienmitgliedern an unserem Tisch willkommen, darunter viele aus verschiedenen Kulturen und Nationalitäten. Einige junge französische Studentinnen, die bei uns zu Hause wohnten, nennen mich nun ihre amerikanische Mutter.
Gottes Familie verheißt Einheit, nicht Teilung, Aufnahme, nicht Ausschluss.
Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Gottes Familie Einheit verheißt, nicht Teilung, Aufnahme, nicht Ausschluss. Ich denke gern darüber nach, was für eine Welt wir wohl hätten, wenn jeder die Menschheit als eine große Familie ansehen würde, unter der fähigen Elternschaft des einen Vater-Mutter Gottes.
