»Meins.«
»Nein, meins.«
»Es gehört aber mir!«
»Stimmt nicht.«
»Gib schon her!«
»Nein, lass mich!«
»Dann nehme ich's mir, ich bin eh viel stärker!«
Der Konversation folgt Keuchen und dumpfe Geräusche, die sich in immer höher werdendes Geschrei steigern.
Das Ende? Das kann sich jeder ausmalen. Eine Situation, die jeder von uns mitgemacht hat oder gerade mitmacht. Ein Streit, der sich hier beispielsweise wegen Besitzansprüchen zu einer verletzenden Auseinandersetzung gesteigert hat, hat viele Facetten, Spielplätze, Ausgänge. Aber meist sind es keine Spiele, die Kinder, Ehepartner, Politiker oder Länder austragen, denn Spiele basieren auf Regeln, die vorher ausgehandelt wurden. Nein, hier werden meist Regeln gebrochen, und nun entwickelt sich daraus viel zu schnell und unkontrolliert eine Auseinandersetzung, die Spuren des Chaos, der Opfer und der Trostlosigkeit hinterlässt.
In der internationalen Wochenzeitung Monitorworld (deren tägliche Ausgabe von Mary Baker Eddy 1908 gegründet wurde) vom 18.-24. Juni 2005 hieß es, dass momentan 67.000 »peacekeeper« (Ordnungsmächte) aus mehr als 90 Ländern in 17 friedensstabilisierenden Missionen beschäftigt seien. Das klingt nach einer großen »Streitmacht« für das Gute — zum Aufbauen und Sichern von Orientierung und Gerechtigkeit.
Vielleicht sind darin noch nicht einmal die 1000 »peacewomen« (Friedensfrauen) inbegriffen, auf die ich vor einiger Zeit im Internet gestoßen bin (www.1000peacewomen.org). Frauen, die sich weltweit mit individuellen, alltäglichen Projekten aktiv am Friedenschaffen und -erhalten beteiligen.
Sie alle gründen ihre Bemühungen auf dem tief empfundenen Sehnen nach Sicherheit, einem Zustand der Ordnung, der Gerechtigkeit und Ruhe. Mit offenen Augen haben sie Nöte wahrgenommen und sich den Glauben an das Gute in ihrem und im Leben aller nicht nehmen lassen — und sie werden mit noch so kleinen aber wahrnehmbaren Fortschritten belohnt!
So auch beispielsweise vor hundert Jahren Bertha von Suttner, eine Frau, die mich nach und nach immer mehr an Mary Baker Eddy denken ließ. Ende des 19. Jahrhunderts lebten sie beide ein für Frauen ihrer Zeit ungewöhnliches Leben. Sie hatten Jahre gebraucht, bis sie die Aufgabe ihres Lebens zum Wohle der Menschheit fanden und widmeten sich dieser dann auch unermüdlich und ohne Ende. Beide haben den Menschen etwas gegeben, beide waren voller Ideen, die zeitlos aktuell und umsetzbar geblieben sind. Beide Frauen mussten ihr Konzept des Friedens immer wieder verteidigen und haben dies manchmal still, manchmal vehement, doch nie verletzend getan.
Während Bertha von Suttner für Strukturen des Friedenschaffens und -erhaltens arbeitete, setzte sich Mary Baker Eddy mit einem spirituellen Konzept für Frieden ein. Ein Konzept, das auf ihrem Bibelstudium beruht, das sie zu der Schlussfolgerung der Allerhabenheit Gottes führte, dem einen und einzigen Vater-Mutter-Gott, der alles und jeden einschließenden unendlichen Liebe, allüberall.
Dieses Konzept ist ein Werkzeug für einen umfassenden Sinn der Gerechtigkeit, für Offenheit für das anders-artige Denken des anderen, für Zuhören ohne Schubladendenken, für das Abbauen der Ego-Mauern und dafür, keine Trägheit des Herzens aufkommen zu lassen.
Lassen Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, von den hier vorgestellten Menschen und Ideen anregen, nichts, das den Frieden mitträgt, zu übersehen oder zu verpassen. Und lassen Sie sich auch anregen, was und wie Sie hier und jetzt zum Frieden beitragen können — zum Wohle der ganzen Menschheit.
Bertha von Suttner und Alfred Nobel
In ihrer aktiv gepflegten Freundschaft mit Alfred Nobel, dem schwedischen Erfinder des Dynamits, versuchte von Suttner ihn von ihrer Meinung zu überzeugen, Krieg nicht durch Abschreckung unmöglich zu machen, sondern in Gegenteil durch internationale Vereinbarungen, Verhinderung der Kriegsursachen, Abbau von Feindbildern, internationale Verständigung und Verflechtung auf breitester Ebene, sowie durch einen großen Propagandafeldzug für die Bevölkerung in allen Ländern. Daraufhin sagte Nobel, der Wissenschaftler und Techniker, einmal: »Belehren Sie mich, überzeugen Sie mich — und dann will ich für die Bewegung etwas Großes tun.« 1893 schlug Nobel von Suttner seine Testamentidee vor, die beinhaltete, dass jährlich fünf Preise zu verleihen wären, beglichen aus Zinsen des Fonds seines Nachlasses, für jene (ungeachtet ihrer Nationalität), die für das Wohl der Menschheit Ersprießliches geleistet hätten: auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur und »für denjenigen oder diejenige, welcher oder welche am besten für die Verbrüderung der Menschheit, die Herabminderung der Heere und die Förderung von Friedenskongressen gewirkt hat.«
Anfang Dezember 1905, fünf Jahre nach der erstmaligen Verleihung des Friedensnobelpreises am 10.12.1901, erhielt Bertha von Suttner das Telegramm mit der Mitteilung, dass sie — als erste Frau — den Friedensnobelpreis erhalte. Am 18.04.1906 rühmte der Laudator Björnsterne Björnson von Suttner als erste Frau, die im Militärstaat »Waffen nieder« zu sagen gewagt hätte und seitdem unermüdlich für die Sache des Friedens wirke.
Ihren zu diesem Anlass gehaltenen Vortrag begann von Suttner folgendermaßen: »Die ewigen Wahrheiten und ewigen Rechte haben stets am Himmel der menschlichen Erkenntnis aufgeleuchtet, aber nur gar langsam wurden sie von da herab geholt, in Formen gegossen, mit Lehm gefüllt, in Taten umgesetzt. Eine jener Wahrheiten ist die, dass Frieden die Grundlage und das Endziel des Glückes ist, und eines jener Rechte ist das Recht auf das eigene Leben. Der stärkste aller Triebe, der Selbsterhaltungstrieb, ist gleichsam eine Legitimation dieses Rechtes, und seine Anerkennung ist durch ein uraltes Gebot geheiligt, welches heißt: >Du sollst nicht töten.< «
Buchquellen zu Bertha von Suttner:
Christian Götz, Die Rebellin Bertha von Suttner: Botschaften für unsere Zeit, Klein & Bleichinger Verlag, Elsdorf 1996
Brigitte Hamann, Bertha von Suttner, Ein Leben für den Frieden, Piper Verlag, München 1986
Ilse Kleberger: Bertha von Suttner — Die Vision vom Frieden, Erika Klopp Verlag, Berlin 1985
»Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden« 4. Mo. 6:26
1000 Peacewomen
Im Jahr 2005 sollten weltweit 1000 Frauen stellvertretend und symbolisch den Friedensnobelpreis für ihre unermüdliche Friedensarbeit erhalten. Ihre vielfältigen Friedensbemühungen sollten dadurch weltweit sichtbar gemacht werden, sie sollten Anerkennung, Ermutigung und Dank erfahren. So werden Frauen und Männer in Konfliktsituationen bestärkt, sich weiterhin für friedliche Lösungen einzusetzen.
Dieses Projekt wurde im März 2003 von der Schweizerin Ruth-Gaby Vermot angeregt: »Der Friedensnobelpreis gehört den Frauen.« Das kostbare Wissen, die Kompetenzen und Erfahrungen der Frauen dürften nicht weiterhin ausgegrenzt werden. Das Ungleichgewicht spiegele sich auch in der Vergabe des prestigeträchtigen Friedensnobelpreises wider. Seit seiner Gründung 1901 wurde der Preis 80 mal an Staatsmänner, 20 mal an Organisationen und nur elf mal an Frauen vergeben — erstmalig 1905 an Bertha von Suttner.
Das Kernstück des Projektes »1000 Frauen für den Nobelpreis 2005« ist eine Dokumentation (Buch und Ausstellung) mit Porträts über diese Frauen und ihre verschiedenen Wege zum Friedenschaffen. Als Expertinnen für ein Leben in Sicherheit und Würde verfügen sie nicht über große Budgets, jedoch über wirkungsvolle Strategien zur Lösung von Konflikten. Ihre Lebenserfahrungen sind eng mit der politischen Situation ihres Landes oder ihrer Region verbunden, sie kennen die Schwachstellen ihrer Gesellschaft und sind in folgenden Bereichen aktiv: politische Rechte, Wirtschaftspolitik, Gewaltbekämpfung, Friedensförderung, Gesundheit, Bildung, Umwelt, Kinderrechte, Bekämpfung des organisierten Verbrechens und Menschenhandels. Sie wirken auf allen gesellschaftlichen Ebenen: lokal, regional, national und international. Sie setzen sich gewaltlos gegen Ungerechtigkeiten ein, engagieren sich gewaltfrei in Konfliktsituationen und arbeiten auf Nachhaltigkeit hin.
Die Daten der Forschungsresultate werden Regierungen, Zivilgesellschaften und internationalen Organisationen zur Entwicklung neuer Friedensstrategien zur Verfügung gestellt. Damit wird die Nachhaltigkeit der tausendfachen Friedensarbeit auch nach Abschluss des Projektes sichergestellt.
Mary Baker Eddy (1821-1910) und Frieden
Mary Baker Eddys Botschaft in all ihren Schriften (Sie finden diese in Christian Science Leseräumen, siehe gelbe Seiten 36-41 in dieser Ausgabe) ist eine Botschaft des Friedens. Sie bezieht sich entweder auf Eigenschaften des Friedens oder auch ganz spezifisch auf eine politische Krisensituation, und sie bezieht sich auf das, was Frieden für Gesundheit ausmacht oder für die Arbeit ihrer Kirchenbewegung. Hier sind einige der von ihr erwähnten »Zutaten« für Frieden bzw. dessen »Begleiter-scheinungen«:
Wohlwollen, Harmonie, Geduld, Heiligkeit, Freude, Liebe, Kraft, Fortschritt, Gedeihen, Ruf, Mitgefühl, Trost, Gott, das Gute, Gnade, Zuhause, Liebe, Rechtschaffenheit, Vertrauen, Ermutigung, Unversehrtheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Verheißung, Leben, Fortdauer, Reinheit, Widerspiegelung, Stärke, Geistigkeit.
Haben Sie davon heute etwas erlebt und dankbar anerkannt? Sie können es einkreisen — oder einen anderen Begriff mit einem Ausrufezeichen versehen, wenn Sie darauf noch mehr achten möchten. Oder Sie notieren zu dem entsprechenden Begriff eine Stelle aus einem Buch, das Sie gern lesen.
Wir können uns und unsere Mitmenschen in der alles umspannenden Einheit der Liebe sehen! Unterschätzen wir das Werkzeug des Gebets nicht: indem wir Gott als Quelle des Lebens und der Versorgung anerkennen, können wir einander in einem sanfteren Licht sehen und einander vergeben. Ein Opfer-Denken wird damit zunichte gemacht, Reduzierung auf Negatives erledigt und die Furcht zerstört. Dieses Vertrauen schafft Fortschritt — nicht nur für uns, sondern für jeden überall. Wir alle sind Gottes funktionierende Friedenswerkzeuge! Es gibt immer einen entscheidenden Gedanken und etwas, was wir tun können — lächeln, helfen, zuhören, ...
andere Zitate
»Alle Taten der Liebe
sind Taten des Friedens.«
Mutter Theresa
Frieden beginnt ...
mit einem Atemzug
mit einem Gedanken
mit einer Entscheidung
Frieden beginnt ...
wenn du dich entscheidest,
nicht mehr zu fürchten
nicht mehr zu hassen
(Gekürzte, freie Übersetzung)
»Frieden ist keine dramatische Tat, er wird vielmehr Schritt für Schritt errungen. Frieden ist keine individuelle Tat. Du kannst Frieden nicht allein schließen.«
Kamla Bhasin,
Projektkoordinatorin, Indien
»Frieden zeichnet sich durch die Bereitschaft aller Beteiligten aus, sich gegenseitig als Mensch zu achten. Frieden kann Auseinandersetzungen einschließen, wenn sie auf Achtung und Gerechtigkeit basieren. In Gott konstituiert sich ein Begegnungsraum. Dadurch entsteht Lebensbewegung — weil der eine Gott nicht verschlossen ist. Der Friede begünstigt das Sein.«
Prof. Dr. Heinrich Beck
Der Mensch in den Fängen des Friedens umkränzt sich mit Hoffnung.
Siegen beruht auf Brüderlichkeit.
Wie ein fliegender Vogel seinen
Flügeln vertraut
So wissen wir wohin unsere ausgestreckte
Hand führt
Hin zu unserem Bruder.
Unsere Lieder rufen den Frieden
Und unsere Antworten sind Werke
für den Frieden.
Nicht das Scheitern, die Sehnsucht
Ist unser Schicksal und der Frieden
ist unvermeidlich.
Die Architektur des Friedens
Ruht auf der gesamten Welt.
Paul Eluard
Aus: Pablo Picasso — Paul Eluard, Das Antlitz des Friedens, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Sebastian Göppert, aus dem Französischen übertragen von Herma Göppert-Frank, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1988
