In einer kürzlich veröffentlichten Statistik heisst es, dass die Deutschen Reiseweltmeister sind. Wie war das bei Ihnen?
Ich bin sicher verhältnismäßig wenig verreist. Zu DDR-Zeiten waren die häufigsten Reiseziele wie Tschechoslowakei, Polen und Ungarn meist nur per Auto oder Zug erreichbar. Und ich war froh darüber, denn ich hatte panische Angst vorm Fliegen. Alleine die Vorstellung, in ein Flugzeug zu steigen, ließ mir die Haare zu Berge stehen.
Alleine die Vorstellung, in ein Flugzeug zu steigen, ließ mir die Haare zu Berge stehen.
Ist das heute auch noch so?
Mit der politischen Wende in Deutschland hat sich mein Bewegungsradius drastisch erweitert. Nicht zuletzt durch meine Liebe zur Ersten Kirche Christi, Wissenschaftler, in Boston, USA, durch meine Arbeit für die Mutterkirche stand ich vor der Wahl: entweder ich lerne Englisch und »Fliegen« oder ich bewege mich wie ein alter Bär immer in meinem alten, festgelegten Kreis.
Sie haben sich für Veränderungen entschieden?
Zumindest habe ich mich entschieden, mich von der Furcht vor dem Fliegen nicht beherrschen zu lassen. Mein erster Flug war wie ein Testflug. Er war kurz und führte mich in ein Land, dessen Sprache ich damals grausig schlecht gesprochen habe, nämlich nach England. Mit zwei kleinen Kindern und viel Gepäck machte ich also meine erste Flugreise in bis dahin für mich nicht erreichbares Ausland.
Im Rückblick war das fast schon tollkühn. Die Leute, die ich besuchte, waren ein sehr liebes älteres Ehepaar, die aber kein Wort Deutsch sprachen, und mein Englisch genügte noch nicht einmal, um auch nur richtig nach dem Weg zu fragen. Und so wurde diese Zeit zu einem Praxis-Crash-Kurs in Englisch — und doch war es eine wunderbare Zeit.
Ich habe mich entschieden, mich von der Furcht vor dem Fliegen nicht beherrschen zu lassen.
Sie sind also nach London geflogen. Was hat denn Ihre Entscheidung zu fliegen beeinflusst?
Ja, da waren einmal diese lieben Leute, mit denen ich mich gut — (auch ohne viele Worte) — verstanden habe und die mir mit großer Warmherzigkeit und Offenheit begegnet waren. Die wollte ich natürlich nicht enttäuschen und womöglich ihre Einladung ablehnen. Aber es war auch eine große Neugier auf das Fremde, auf neue Erlebnisse und neue Begegnungen. Und so bin ich über meinen Schatten gesprungen.
Haben Sie sich gezwungen, das Fliegen nicht mehr zu fürchten?
Es hat einige Flüge gebraucht bis die Furcht vorm Fliegen die Freude auf das Reisen nicht mehr überschattet hat. Aber ich habe diese Furcht nicht bloß verdrängt oder einfach ignoriert. Ich weiß, dass ich auch heute noch bei jedem Flug mit dem Gedanken in das Flugzeug steige, den Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift so formuliert: »Wir wandeln auf Kräften.« In der Passage auf Seite 124 geht es im Wesentlichen darum, dass das göttliche Prinzip ein Gleichgewicht aller Gedankenkräfte bewirkt und der Mensch unter diesem Einfluss Sicherheit erlebt. Das heißt für mich, auch wenn ich festen Boden unter den Füßen habe, auf einer Straße laufe oder per Auto oder Zug unterwegs bin, dann wandle ich auf Kräften. Und diese Kräfte bestehen unabhängig davon, wie das Material beschaffen ist, auf oder in dem ich mich bewege. Dieser göttliche Einfluss unterscheidet nicht zwischen Auto, Fahrrad, Schiff oder Flugzeug, Asphalt, Waldboden oder Wolken.
Was sind das für Kräfte, von denen Sie sprechen?
Für mich ist das in erster Linie eine Auswirkung von Gesetz. Jede Kraft beruht auf einem gesetzmäßigen Wirken. Und diese Gesetze sind zuverlässig und überall wirksam. Egal ob auf festem Boden oder in der Luft. Für mich sind Naturgesetze wie beispielsweise Gesetze der Physik oder der Aerodynamik inzwischen nichts anderes als eine spezielle Ausprägung eines höheren, eines geistigen Gesetzes, des Gesetzes von Ursache und Wirkung. Gott ist die Ursache und Seine Schöpfung ist die Wirkung. Und eine Auswirkung dieser Gesetze sind eben solche Erfindungen und technischen Entwicklungen wie Flugzeuge, die zuverlässig fliegen können, weil Menschen irgendwann einmal diese Gesetze der Aerodynamik erkannt und sie nutzbar gemacht haben.
Was vermitteln Ihnen diese Gesetze persönlich?
Ich erinnere mich beispielsweise an mehrere Landeanflüge zum Berliner Flughafen Tegel. Aus irgendwelchen Gründen empfand ich die oft als besonders unangenehm. Das Flugzeug rumpelte, als würde man mit einem Auto über eine Buckelpiste fahren, der Pilot musste offensichtlich häufig sehr plötzlich die Richtung anpassen, das Flugzeug neigte sich von einer Seite zur anderen. Und nicht selten krallten sich meine Hände in die Armlehne.
Auch wenn ich festen Boden unter den Füßen habe, auf einer Straße laufe oder per Auto oder Zug unterwegs bin, dann wandle ich auf Kräften.
Eine solche Situation erlebte ich aber auch einmal auf einem Langstreckenflug, auf dem der Pilot schon angekündigt hatte, dass der Flug ruppig werden würde und er die Anschnallzeichen eingeschaltet lassen würde.
Trotz der eingeschalteten Anschnallzeichen musste ich einmal zur Toilette gehen und beobachtete beim Warten eine Stewardess, die dem Piloten etwas zu Trinken ins Cockpit brachte. Durch die offene Tür sah ich den Piloten, wie er ganz lässig und bequem zurückgelehnt, die Füße hochgelegt, im Cockpit saß, und sich völlig unbekümmert mit seinem Kollegen unterhielt. Das brachte mich zum Nachdenken. Ich war mir ganz sicher, dass sich die Crew nicht aus Verantwortungslosigkeit eine vergnügliche Zeit machte. Der Mann kannte sein Flugzeug, der Mann kannte die Wetterlage und er war sich offensichtlich absolut sicher, dass keinerlei Gefahr bestand.
Diese Souveränität vermittelte mir eine solche Ruhe, dass ich den Rest der Nacht im Flugzeug wunderbar schlafen konnte. Für mich war klar: Dieser Mann kannte die Gesetze. Und ich hab mich darauf verlassen, dass er exakt das weiß, was er als Flugzeugführer wissen muss, um seine Passagiere sicher zum Ziel fliegen zu können.
Ich hatte mir aber auch überlegt, dass dieses Wissen nicht nur auf seinem Studium all der technischen und physikalischen Gesetze beruht, sondern für mich verkörperte er den Menschen, dem Gott exakt und genau das Wissen gibt, was er in einer entsprechenden Situation braucht, um für jede Lage und auch für jeden etwaigen Zwischenfall gewappnet zu sein.
Und es spielt noch ein anderer Gedanke mit hinein: Ich muss mich nicht in alles einmischen, was andere Menschen tun. Ich kann vertrauen, dass sie die ihnen gestellten Aufgaben erfüllen und gewissenhaft handeln. Diese Haltung vermittelt mir oft eine Freiheit, die aber eben nicht einfach naiv vertrauensselig ist, sondern anerkennt, dass jeder Mensch Gott durch Umsicht und Zuverlässigkeit widerspiegelt.
Dieser göttliche Einfluss unterscheidet nicht zwischen Auto, Fahrrad, Schiff oder Flugzeug, Asphalt, Waldboden oder Wolken.
Mit welchen Gedanken beschäftigen Sie sich vor dem Abflug?
Ich glaube, dass an einem erfolgreichen und harmonischen Flug im Grunde jeder beteiligt ist, der auch nur im Entferntesten in irgendeinem Bezug zu diesem Flug steht. Und damit meine ich nicht nur Piloten und die Flugbegleiter. Sondern auch die Angestellten am Abfertigungsschalter, jeden einzelnen Mitarbeiter, der vielleicht das Gepäck befördert oder als Techniker Wartungsaufgaben ausführt. Und nicht zuletzt denke ich da auch an die Fluggäste selbst. Ich glaube, dass jeder einzelne durch sein eigenes Bewusstsein in Form von zuverlässiger Arbeit oder auch durch seine Gedanken über den Flug zum Erfolg beiträgt. Und ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, vor jedem Flug meine Gedanken zu ordnen und gewissermaßen »aufzuräumen«.
Aus Furcht vor möglichen Unfällen?
Früher mag das vielleicht so gewesen sein, heute nicht mehr. Es ist mein Beitrag und mein Verantwortungsbewusstsein, weil ich weiß, welch wichtige Rolle unser Bewusstsein für uns und für andere spielt.
Ich erinnere mich an meine erste Flugreise nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Es war eine Reise in die USA zu einer Weiterbildung als Christian Science Praktikerin. Es gab für mich keinen Zweifel, dass diese Veranstaltung für mich zu diesem Zeitpunkt die absolute Priorität hatte. Ich wusste, dass wir viel darüber lernen würden, wie wir auf ein solches Ereignis und seine Auswirkungen eingehen und möglichst positiven Einfluss nehmen könnten. Ich hatte viel über diese Ereignisse nachgedacht und gebetet. Und war zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Terroranschläge ganz speziell ein Ziel hatten: Die Menschen zu schockieren und zu lähmen. Und ich hatte mir geschworen, dass ich genau diese Lähmung durch Furcht und Schrecken zumindest nicht bei mir selbst zulassen würde. Ich wollte meinen Freunden in Amerika ein Zeichen geben, dass es auch außerhalb Amerikas Menschen gibt, die mitfühlen und sie unterstützen in ihrem Bemühen, genau diese Lähmung wieder abzuschütteln.
Ich war mir absolut sicher, dass diese Tagung für mich und die anderen Teilnehmer und wahrscheinlich noch viel mehr Menschen außerordentlich wichtig war, um wieder die Gewissheit zu gewinnen, dass Gott tatsächlich immer gegenwärtig ist.
Ich glaube, dass ich, wenn ich meinen beruflichen und familiären Aufgaben nachkomme, ganz natürlich unter einem göttlichen Schutz stehe.
War Ihre Familie mit diesem Flug einverstanden?
Meine Familie äußerte von allen Seiten sehr ernste Bedenken, als ich ihnen erzählte, dass ich schon wenige Wochen nach den Anschlägen wieder nach Amerika fliegen würde. Aber gerade weil ich so überzeugt davon war, dass diese Tagung für ganz viele Menschen wie ein Befreiungsschlag werden könnte und ich genau diese Bemühungen unterstützen wollte, konnte ich die Besorgnis meiner Familie beschwichtigen und ihnen liebevoll und überzeugt versichern, dass alles seine Richtigkeit haben und ich heil und unbeschadet wieder zurückkommen würde.
Ich wünsche den Menschen, dass sie tatsächlich jede Reise als etwas von Gott Gegebenes und Geordnetes betrachten können.
Diese Besorgnis ist ja etwas, was oft geäussert wird, wenn Angehörige in vielleicht weit entfernte Länder reisen.
Ich kann diese Besorgnis der Menschen einerseits verstehen. Aber ich bin für mich selbst nicht bereit, mein Leben von Sorgen diktieren zu lassen. Der Grund dafür ist meine Überzeugung, dass für den Erfolg einer Aufgabe, auch einer Reise, meine Motive entscheiden. Ich glaube, dass ich, wenn ich meinen beruflichen und familiären Aufgaben nachkomme, ganz natürlich unter einem göttlichen Schutz stehe. Aber auch wenn ich auf einer Urlaubsreise bin, gehe ich davon aus, dass diese Reise ein Geschenk, eine Gabe Gottes ist und ich deshalb ein Recht darauf habe, eine wunderbare, unbeschwerte und behütete Zeit zu erleben. Jeder Reisende kann sich auf diese Gesetze berufen. Sie sind universell und man kann daraus eine Sicherheit beziehen, wo man sich vielleicht früher durch vorhergehende Unfälle oder andere Zwischenfälle bei Flügen hat irritieren oder verschrecken lassen. Ich sehe es so: Wir erleben mehr Sicherheit, je näher wir uns Gott fühlen.
Auch in diesem Sommer gehen wieder Millionen von Menschen auf Reisen. Was wünschen Sie denen?
Eine gute Reise! (Sie lacht dabei). Im Ernst: Ich wünsche den Menschen, dass sie tatsächlich jede Reise, ob beruflich bedingt oder einfach zur Erholung, als etwas von Gott Gegebenes und Geordnetes betrachten können. Ich glaube nämlich, dass diese Einstellung unnötigen Stress, Zeitdruck und unerfreuliche Zwischenfälle vermindern oder ganz vermeiden kann. Mit diesem Gedanken im Gepäck ist klar, dass wir uns nicht durch Gedrängel, Geschubse oder unfreundliche Worte etwas nehmen, sozusagen ergattern müssten, sondern dass wir uns unsere Reise — von Gott — geben lassen. Wenn ich mir meine Reise von Gott geben lasse und ich weiß, dass Gott mich liebt, versorgt und mir eine schöne und erfolgreiche Reise vorbereitet hat, dann ergibt sich für mich daraus, dass jeder Mensch, der mir begegnet, Teil dieses göttlichen Plans ist und ich ihm mit Respekt, Achtung und Dankbarkeit begegne. Das bringt eine Offenheit und eine Freiheit der Gedanken mit sich, durch die wir ein ständiges Geben und Nehmen erleben.
