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»Ihr seid meine Zeugen

... spricht der Herr, ...« (Jes 43:10)

Aus der Februar 2006-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Dieser Satz wird recht häufig in den Gottesdiensten der Christlichen Wissenschaft gelesen, und ich habe mich oft gefragt, ob mir diese Worte wohl etwas Besonderes sagen könnten.

Als ich einmal in einer Erklärungsbibel nachlas, fand ich allerdings nur historische Hintergründe, die mir aber nicht dabei helfen konnten, diese Aussage in irgendeiner Weise für mich anzuwenden. Bis ich eines Tages im Leseraum meiner Zweigkirche eine wunderschöne Erklärung bekam.

Ich betreute damals eine fast hundertjährige Dame, die immer hinfälliger geworden war. Manchmal hatte ich das Gefühl, überfordert zu sein.

Ich betreute damals eine fast hundertjährige Dame, und die ganze Situation belastete mich zunehmend. Die Beziehung zu der alten Dame hatte damit begonnen, dass ich sie – im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit – einmal pro Woche für eine Stunde besuchte. Im Laufe der Zeit aber war sie immer hinfälliger geworden. Die äußeren Umstände wurden immer schwieriger, und ich wurde mehr und mehr hineingezogen in die tägliche Betreuung. Die alte Dame war mir sehr sympathisch und ich tat das alles auch gern. Aber manchmal hatte ich das Gefühl, mit dem allen überfordert zu sein. Und ich fühlte mich zuweilen verantwortlich, auch wenn das objektiv gar nicht zutraf. Da ich nicht mit ihr verwandt war, brauchte ich keinerlei Entscheidungen zu treffen, aber gerade das empfand ich oft als Problem. Oftmals hätte ich ihr gern mehr geholfen, als mir möglich war, und dann übermannte mich das Mitgefühl.

Eines Tages sprach ich im Leseraum darüber, in der Hoffnung, irgendeine hilfreiche ldee zu bekommen. Und ich bekam sie. Ich erhielt die Kopie eines Zeugnisses, das im Christian Science Sentinel vom 27. Oktober 1986 veröffentlicht worden war. Die Autorin, Sally Lou Lind, beschrieb darin, wie sie eine ähnliche Situation gemeistert hatte. Bei ihr ging es um die Betreuung ihrer Eltern. Sie erläuterte in diesem Bericht, wie ihr der Satz »Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr« (Jes. 43:10) sowie der Satz »Ein treuer Zeuge lügt nicht« (Spr. 14:5) zu der Einsicht verholfen hatten, dass sie die Verantwortung einfach an Gott abgeben konnte.

Die folgenden Sätze sind eine freie Übersetzung ihrer Worte: »Ich folgerte, wenn ich Gottes Zeuge war, dann bestand meine Aufgabe darin, zu sehen, was Er bereits getan hatte; einfach Seine Schöpfung zu sehen. Ein Zeuge vor Gericht muss sehr sorgfältig die Wahrheit sagen und nichts als die Wahrheit, über alles, was den Fall betrifft. Ein Zeuge ist niemals dafür verantwortlich, den Fall zu verändern, zu regeln oder irgendetwas zu entscheiden – er muss nur die Wahrheit sagen.«

Schlagartig erkannte ich ganz klar meine Aufgabe in »meinem Fall«. Die Wahrheit, die ich hier zu bezeugen hatte, war ganz einfach die: Die Schöpfung Gottes ist vollendet! Der zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffene Mensch spiegelt Gott wider, für immer und in unveränderter Vollkommenheit – ganz gleich, welche Gedanken sich mir aufdrängen wollten oder was meine Augen mir meldeten oder welche Sorgen von anderen Menschen geäußert wurden. Die Erkenntnis, dass das alles war, was ich zu denken hatte, befreite mich von Gedanken wie: Was soll daraus werden? Wie lange wird das noch dauern? Wird es vielleicht noch schwieriger werden? Wie wird das zu Ende gehen? Und so weiter und so fort. Ich hielt in Gedanken einfach an der Wahrheit fest. Das falsche Verantwortungsgefühl fiel von mir ab und ich konnte mich dieser Aufgabe wieder mit neuem Mut und mit neuer Freude widmen.

Ein Zeuge vor Gericht muss sehr sorgfältig nichts als die Wahrheit sagen. Die Wahrheit, die ich hier zu bezeugen hatte, war: Die Schöpfung Gottes ist vollendet!

Was also bedeutet das konkret: die Wahrheit denken oder die Wahrheit wissen? Nun, ich meine, die Wahrheit wissen, heißt, eine Situation so zu sehen, wie Gott sie sieht, sozusagen mit Seinen Augen zu schauen.

In seinem Buch »Erinnerungen an Mary Baker Eddy« beschreibt Adam H. Dickey auf den Seiten 61 und 62 eine Situation, in der Mrs. Eddy ihn bat, für sie die Wahrheit »zu wissen«, und zwar im Hinblick auf eine Kutschfahrt, die sie unternehmen wollte. Er zitiert sie folgendermaßen; »Mr. Dickey, ich möchte, dass Sie wissen, dass es mir gut tut, diese Ausfahrt zu machen.« Sie sagte das nicht im Plauderton, sozusagen als »small-talk«, sondern sie bat ihn, diese Wahrheit zu denken, zu beten, eben: zu wissen. Denn sie hatte wohl Schmerzen oder ein anderes gesundheitliches Problem, das sie davon abhalten wollte, diese Ausfahrt anzutreten, von der sie, Mrs. Eddy, aber meinte, dass es wichtig sei, sie zu unternehmen. Und Adam Dickey schreibt dann weiter: »Ich verstand sofort, was sie meinte, und antwortete mit ermutigenden Aussagen der Wahrheit aus ihrem Buch, und nach wenigen Augenblicken war jede Spur des Angriffs verschwunden, sie war wieder sie selbst, bereit zur Abfahrt.«

Als Zeuge bin ich z.B. nicht zuständig für die Anklage.

Als Zeuge bin ich auch nicht zuständig für die Verteidigung.

Als Zeuge bin ich auch nicht zuständig dafür, wie lange das Verfahren dauert.

Als Zeuge habe ich auch kein Urteil abzugeben.

Sicherlich tat Mr. Dickey mehr, als nur ein paar nette Worte formulieren. Er hat diese Aussagen ganz gewiss als absolute Tatsachen durchdacht, erkannt und dann erst »ausgesagt«. Wie ein guter Zeuge. Und das tat seine Wirkung!

Um meine obige Geschichte noch zu Ende zu bringen: die alte Dame ist eines Tages ganz friedlich eingeschlafen. Das alles ist nun schon etliche Jahren her. Aber diese Gedanken über »Zeuge-Sein« sind mir noch heute eine wertvolle Hilfe, wenn ich mich in einer Situation befinde, die ich nicht überblicke, in der ich nicht das Heft des Handelns in der Hand habe oder der ich mich einfach ausgeliefert fühle.

Ich variiere und ergänze dann die Argumente je nach Bedarf bzw. »Fall«, aber immer gilt das gleiche Grundmuster:

Als Zeuge bin ich z.B. nicht zuständig für die Anklage. Das bedeutet, ich muss in Gedanken nicht ständig alle möglichen Vorwürfe bewegen.

Als Zeuge bin ich auch nicht zuständig für die Verteidigung. Auch diese Argumente muss ich einfach nicht durchdenken! Das ist nicht meine Aufgabe!

Als Zeuge bin ich auch nicht zuständig dafür, wie lange das Verfahren dauert. Darüber zu entscheiden gehört ganz eindeutig nicht zu den Aufgaben eines Zeugen. Gerade dieser letzte Punkt ist mir immer sehr hilfreich, wenn es scheinbar gar nicht vorangehen will. Aber, ich bin nicht der Richter! Ich bin der Zeuge!

Als Zeuge habe ich auch kein Urteil abzugeben. Auch solche Gedanken kann ich aus meinem Denken verbannen. Ein Zeuge spricht kein Urteil, das tut der Richter!

Als Zeuge bin ich aber auch nicht nur Publikum, Zuschauer oder Prozessbeobachter. Ich kann nicht einfach unbeteiligt oder tatenlos zusehen. Ich habe eine Aufgabe. Wenn ich aufgerufen bzw. gefragt werde, dann muss ich die Wahrheit sagen und nichts als die Wahrheit – die ganze Wahrheit. Und damit ich die dann auch parat habe, tue ich gut daran, die ganze Zeit nur die Wahrheit zu denken!

Die Wahrheit wissen, heißt, eine Situation so zu sehen, wie Gott sie sieht, sozusagen mit Seinen Augen schauen.

Gerade, wenn man bei einer Sache, die sich lange hinzieht, eigentlich schon jedes Argument durchdacht und jedes Gebet schon gesprochen hat, dann ist es oft hilfreich, sich einfach mal auf die Zeugenbank zu setzen und alles andere dem »Prozessbevollmächtigten«, dem Verteidiger und dem Richter zu überlassen.

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