Acht Millionen Deutsche sollen Diabetes haben, acht Millionen Migräne, fünf Millionen Arthrose, sieben Millionen Osteoporose, vier Millionen Asthma, vier Millionen Bluthochdruck und zehn Millionen sollen ihren Harn nicht halten können.
Eine Epidemie der Volkskrankheiten jagt durch die Medien. Wer wissen will, wie viele Menschen an welcher Krankheit leiden, gerät bei der Suche in Informationsbroschüren, Zeitschriften und im Internet rasch ins Staunen. »Man wundert sich, dass es in Deutschland überhaupt noch gesunde Menschen gibt«, sagt Stefan Wilm, Epidemiologe am Klinikum der Universität Düsseldorf. Die Bundesrepublik hat nicht einmal genug Einwohner, um all jene Menschen zu beherbergen, die angeblich an einer der über 30.000 bekannten Krankheiten leiden. Der Grund: »Es gibt kaum eine Krankheit, deren Häufigkeit wirklich gut untersucht ist«, sagt Stefan Wilm. Dennoch tun viele Ärzte so, als wüssten sie genau, wie viele Deutsche unter Karies, Nierensteinen oder Alzheimer leiden. Und wer Aufmerksamkeit will, greift gern zu besonders hohen Schätzungen.
Der Hang zu hohen Zahlen findet sich aber nicht nur bei der KBV. Viele Werbebroschüren, Infoblätter und Internetseiten jonglieren mit kaum fassbaren Zahlenungetümen – egal, ob sie von Pharmafirmen, Selbsthilfegruppen oder Ärztevereinigungen stammen. Schließlich springen auch Geldgeber und Medien eher bei einer Krankheit an, die viele Millionen betrifft.
Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen
Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.