Was ist das für ein Blick, mit dem der ungläubige Thomas auf dem Gemälde Caravaggios seinem Finger folgt, dessen Spitze gerade in die Wunde am Körper Jesu eingedrungen ist? Welche Gedanken verbergen sich hinter seiner in höchster Anspannung gerunzelten Stirn? Soll der Finger eine Wahrheit beglaubigen, an der die Augen allein weiter zweifeln würden? Und sieht es nicht so aus, als ob Jesus — auch er mit rätselhaftem Blick — dem Ungläubigen die Hand führt?
Eine Werkvorstellung hatte das Berliner Wissenschaftskolleg angekündigt. Aber Glenn W. Most, Professor für griechische Philologie in Pisa und für „Social Thought” in Chicago, wollte nicht nur sein im englischen Original 2005 erschienenes Buch „Der Finger in der Wunde. Die Geschichte des ungläubigen Thomas” zusammenfassen. Er verband, das Caravaggio-Bild während seines Vortrags im Rücken, die Werkvorstellung mit der Selbstvorstellung als Wissenschafter — und als Ungläubiger.
... Im Wintersemester 1996/97 habe er an der Universität Heidelberg während eines mit Kollegen ... veranstalteten Kolloquiums zu den Kirchenvätern beim Vergleich der von dem griechischen Dichter Nonnos (5. Jhdt. n. Chr.) verfassten Paraphrase des Johannesevangeliums mit dem Original überrascht entdeckt: Johannes erzählt gerade nicht, was doch jeder vom ungläubigen Thomas zu wissen glaubt, dass er nämlich den Finger in die Wunde des Herrn legte. Auf das Angebot Jesu, dies zu tun, antwortet Thomas unmittelbar, ohne ihn zu berühren: „Mein Herr und Mein Gott!”...
Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen
Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.