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Der rechte Weg zur Wahrheit.

(Schluß.)

Aus der Oktober 1908-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein Vortrag von gehalten in der Ersten Kirche Christi, des Scientisten, in Boston, Mass.,

Ehe wir weiter gehen, wollen wir erst in aller Kürze eine historische Tatsache in Erwägung ziehen. Woher kommt die in der Christenheit so weitverbreitete Ansicht, daß Sünde, Krankheit, Leiden und dergl. unerklärliche Heimsuchungen der göttlichen Vorsehung seien? Wir finden, daß einige Jahrhunderte nach der Kreuzigung eine große Anzahl Griechen und Römer sich zum Christentum bekehrten. Diese Leute waren in der Abgötterei erzogen worden und glaubten, ihre vermeintlichen Götter seien zum Teil gute und zum Teil böse Götter. Man hatte sie gelehrt, daß die bösen Götter an all dem Elend, das der Menschheit anhaftet, schuld seien, wie z. B. Pestilenz, Hungersnot, Krieg, Sünde, Krankheit, Leiden, Tod und was noch alles zu der traurigen Liste gehört. Als sie nun Christen wurden und den Glauben an nur einen Gott, den wahren Gott, annahmen, brachten sie leider viele heidnische Dinge mit in die Theologie des Christentums herein; so z.B. verschiedene Zeremonien, an welche heute noch gewisse Bräuche in manchen christlichen Kirchen erinnern. Noch weit schlimmer war es jedoch, daß sie an ihrem heidnischen Glauben an den göttlichen Ursprung des Übels festhielten. Sie fügten ihrem Glauben an den wahren Gott der Christen die mythologischen Ansichten ihrer heidnischen Religion bei, nämlich, daß Sünde, Krankheit, Leiden, Tod usw. ihren Ursprung in Gott haben und von Ihm erschaffen sind. Leider haben sich diese alten heidnischen Ideen bis auf den heutigen Tag erhalten und zwar im Widerspruch zu den Lehren und Werken Jesu, im Widerspruch zu dem, was seine Worte und seine irdische Laufbahn klar und deutlich lehrten.

In dem Leben Doktor Martin Luthers und anderer großer und guter Männer in den verschiedenen Jahrhunderten der christlichen Kirche finden wir eine weitere historische Tatsache, nämlich die, daß diese Männer ernstlich darnach trachteten, die Segnungen der christlichen Heilung zu entdecken und der Menschheit zurückzuerstatten — der Heilung, welche unser galiläischer Wegweiser lehrte, durch seine Taten erläuterte und seinen Nachfolgern aller Zeiten und in allen Ländern anempfahl. Aus irgend einem Grunde erkannten jedoch diese großen und guten Männer den Unterschied nicht zwischen den Lehren Jesu, daß Gott in allen seinen Beziehungen zur Menschheit die Liebe ist, und dem aus der heidnischen Theologie herstammenden Glauben, daß die Erscheinungen des Übels von Gott kommen oder daß er sie wenigstens zuläßt. Erst Mrs. Eddy erkannte die diesbezügliche Wahrheit. Warum kam diese Erkenntnis nicht bälder? Ich weiß es nicht. Warum wurde die Drahtlose Telegraphie erst in der neueren Zeit entdeckt? Die Menschheit schreitet auf den Stufen der Vergangenheit vorwärts und aufwärts und erreicht so allmählich eine höhere Erkenntnis der Wahrheit.

Hier mag wohl der eine oder der andere fragen: Warum war die christliche Heilmethode so viele Jahrhunderte lang fast ganz und gar in Verfall geraten? Ihr Christian Scientisten behauptet, Jesus habe die einzig richtige Heilmethode gelehrt. Wie kommt es nun, daß diese Methode, welche Jesus lehrte und ausübte, in der Christenheit so lange unbeachtet blieb? Die Antwort liegt größtenteils in der historischen Tatsache, die ich vorhin erwähnte, nämlich, daß die Theologie den heidnischen Irrtum vertreten hat, welcher behauptet, Krankheit, Kummer und Tod, alle Leiden der Menschheit seien göttlichen Ursprungs, obgleich Jesus lehrte, das Überwinden dieser Zustände sei nicht sein Werk, sondern das Werk des Vaters, denn er könne nichts von sich selber tun; obgleich er erklärte, die Wahrheit werde uns erretten, frei machen. Fürwahr, die deduktive Methode hat einen hohen Wert, wenn sie die Vernunftlosigkeit und die Widersprüche falscher kirchlicher Lehren ins Licht stellt und den rechten Weg zur Wahrheit zeigt.

Da Gott Dasein hat, so folgt deduktiv, daß es nur eine wahre Methode gibt, nach der wir Sünde, Krankheit usw. überwinden können. Diese Methode kann keine menschliche Erfindung sein; sie kann nur entdeckt werden. Jesus lehrte das einzig richtige Verfahren, demgemäß Sünde und Krankheit überwunden werden können. Und worin besteht dieses Verfahren? Hören wir die Worte eines der Apostel Jesu: „Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen,” und erwägen wir die Bedeutung derselben etwas näher. Was verstehen wir unter dem Wort „Glaube.” In der Epistel an die Ebräer wird der Glaube beschrieben als „eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet.” Unsere Folgerung ist die: Die Tatsache, daß wir Glauben haben, beweist, daß es Dinge gibt, auf die wir hoffen, die aber unser menschliches Auge nicht sieht; Dinge, die wahres Wesen haben und aus denen die wirkliche Schöpfung besteht. Wir könnten keinen Glauben an Dinge haben, die nicht physischer Natur sind, wenn solche Dinge nicht bestehen würden. Daß alle Kenntnis von außen kommt, ist ein Irrtum. Es gab zu allen Zeiten Leute, denen geistige Eingebungen und geistiges Verständnis zuteil wurde. In all den Jahrhunderten waren Menschen zu finden, die einen matten Schimmer von der geistigen Wahrheit hatten. Die Tatsache, daß wir solche Lichtblicke haben — mögen sie auch noch so schwach und unvollkommen sein —, beweist aufs allergewisseste, daß der Mensch ein geistiges Wahrnehmungsvermögen hat. Die ganze Menschheit würde sich in völliger geistiger Dunkelheit befinden, hätte auch nicht den geringsten Grad von geistiger Erleuchtung, wenn dem Menschen nicht ein geistiges Wahrnehmungsvermögen zuerteilt wäre und wenn es nicht wahr wäre, was die Bibel erklärt, nämlich, daß der Glaube „eine gewisse Zuversicht des ... das man nicht siehet” ist. Was ist nun die unumgängliche Folgerung? Wenn wir geistig wahrnehmen können, so müssen wir geistige Fähigkeiten haben. Der Besitz geistiger Fähigkeiten weist aber auf die Tatsache hin, daß der Mensch ein unsterbliches und geistiges Wesen, daß er das Ebenbild Gottes, des Geistes ist.

In unserer Zeit nimmt die Welt vor dem Geld den Hut ab — oft ohne zu fragen, auf welche Weise es erworben wurde. Jeder denkende Mensch weiß jedoch, daß es wichtigere Fragen gibt als diejenigen, welche auf den Erwerb irdischen Reichtums Bezug haben — Fragen, welche die geistige Existenz des Menschen und seine Unsterblichkeit betreffen. Diese höheren Fragen dürfen wir nicht außer acht lassen. Während wir vor dem „Gott dieser Welt” knieen, vergessen wir unsere hohe Bestimmung als unsterbliche, geistige Wesen. Wir vergessen gar zu leicht die Dinge, welche „man nicht siehet.” Wie selten denken wir daran, daß Gott Dasein hat, und daß wir in dem Weltall der Dinge, die „man nicht siehet,” „leben, weben und sind.” Auf diese Weise verlieren wir die wahre Perspektive, das wahre Verhältnis der Dinge. Welcher Art muß unser Glaube sein? Sollen wir einen zweifelnden, zögernden Glauben haben — einen Glauben, der sich beständig mit Proben abgibt? Nein! Jesus betonte die Notwendigkeit eines unerschütterlichen Glaubens. Wie können wir diesen Glauben erlangen? Jesus hat uns den Weg gezeigt. Er erklärte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.” Wenn wir den Christus, die Wahrheit, erkennen und wenn wir darnach trachten, seine Werke zu tun, so wird unser Verständnis immer mehr erleuchtet und gestärkt. Wir müssen nicht nur glauben, was uns Jesus gelehrt hat, sondern wir müssen es auch tun.

Kann irgend jemand bezweifeln, daß uns die Ausübung guter Werke eine große Hilfe ist? Der Glaube ist größtenteils gleichbedeutend mit geistiger Erkenntnis, und insofern wie die Vernunft den Glauben unterstützt, sind die Werke von der größten Wichtigkeit Denken wir uns einen Knaben mit seinem Rechenbuch in der Hand. Er hat einen guten Lehrer, der es ihm beispielsweise sehr eingeprägt hat, daß es seine Pflicht sei, die Regel der Multiplikation zu glauben. Der Knabe will sie recht gerne glauben und er gehorcht der Anweisung seines Lehrers, dieselbe zu memorieren. Wann beginnt jedoch sein „unerschütterlicher” Glaube an die Multiplikations-Regel? Erst dann, wenn er vermittelst dieser Regel ein Problem richtig gelöst hat. Er mag zwar Fehler machen; bald sieht er aber ein, daß nur dann Fehler vorkommen, wenn er sich nicht streng an die Regel gehalten hat, und daß das Resultat richtig ist, sobald er die Regel genau befolgt. Der Glaube ist ein Zustand der Empfänglichkeit für das Wahre. Er ist das Gegenteil von der Furcht, denn diese ist ein Zustand der Empfänglichkeit für das Unwahre. Eine jede Lehre, die in der Welt Furcht erzeugt und verbreitet, ermutigt das gerade Gegenteil vom Glauben; sie nährt die Empfänglichkeit für das Unwahre.

Was ist nun das Gebet? Es kommt bei demselben nicht auf die körperliche Haltung an. Es besteht nicht aus bloßen Worten. Es ist keine selbstsüchtige Bitte um etwas, das man aufs Geratewohl wünscht. Jesus sagte: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan.” Es sind dies sehr eindringliche Worte. Sie ermahnen uns, auf die rechte Weise zu bitten. Angenommen, wir bitten um etwas, das nicht gut ist. In solchem Fall würden wir auf die unrechte Weise bitten, denn das, was nicht absolut gut ist, kommt nicht von Gott und repräsentiert keine Gebetserhörung; es ist dem wahren Wesen Gottes entgegengesetzt und darum undenkbar und unmöglich.

Wie betet man auf die rechte Weise? Man muß zu dem wahren Gott beten — zu dem Gott, der keinen Grund hatte, Sünde, Krankheit und Tod hervorzubringen, der nicht ihr Urheber ist und der das Übel nicht nötig hat, um Gutes zu bewirken. Wenn wir auf die rechte Weise beten, so beten wir zur göttlichen Wahrheit, zum göttlichen Leben und zur göttlichen Liebe. Angenommen, wir beten zu Gott, der das unendliche Leben ist, und glauben zugleich, daß er der Urheber der Gesetze ist, die Krankheit und Tod verursachen: solch ein Gebet wäre gewiß verkehrt, wie Mrs. Eddy uns gelehrt hat. Und warum? Weil das unendliche Leben das all-belebende, lebenerhaltende Prinzip des Weltalls ist. Das Gegenteil vom Leben sind Krankheit und Tod. Die sogenannten Gesetze der Krankheit und des Todes sind nicht Gottes Gesetze, weil Er das unendliche Leben ist. Kann nun dieses unendliche Leben, dieses all-erschaffende und all-belebende Wesen Krankheit und Tod in Anwendung bringen, um seine Zwecke und Absichten auszuführen? Niemals! So etwas ist durchaus unlogisch; es ist rein undenkbar.

Wie betet man nun zu Gott als zur göttlichen Liebe? Da Er in allen Seinen Beziehungen zur leidenden Menschheit die unendliche Güte ist, wie die Christian Science uns lehrt, so müssen wir jede Lehre zurückweisen, nach welcher Gott dem Sünder hilft, den Kranken aber im Stich läßt, so daß also letzterer viel weiter von der göttlichen Hilfe entfernt wäre als ersterer. Männer, Frauen und Kinder können und wollen an die göttliche Liebe glauben, aber nicht an den göttlichen Haß, die göttliche Grausamkeit, die göttliche Launenhaftigkeit, die göttliche Rache. Der moderne, erleuchtete Christ lächelt mitleidsvoll über die Hufen und Hörner, welche man früher für nötig fand, um die Leute zu erschrecken und dadurch zur Frömmigkeit anzutreiben. Die Wegweiser, welche so viele unserer zitternden Borfahren auf einen Ort hinwiesen, der immer und ewig mit Feuer und Schwefel brennt, sind so ziemlich alle verfault. Wir brauchen einen Glauben an die göttliche Liebe. Jung und alt braucht ihn. Dieser Glaube besänftigt die falsch angewandte Energie und Tätigkeit der Jugend und des vorgerückten Alters und weist auf die Tatsache hin, daß der Tod nur das Falsche, nie aber das Wahre zerstört; denn nichts, was wahr ist, nichts, was Gott je erschaffen hat, kann vernichtet werden. Was wahr ist, ist ewig. Ein Verständnis dieser Tatsache erhebt und kräftigt unsere Gedanken und dadurch unser Leben, besonders wenn wir in die Jahre kommen, in denen wir im Lebens-Orchester nicht mehr so laut mitspielen und in denen sich unser materielles Bewußtsein den Körper als eine dunkle Abdulahs-Höhle des hohen Alters vorstellt. Weg mit diesen verrotteten, falschen Ansichten! „Habt Glauben an Gott,” sagte Jesus. Habt keinen Glauben an irgend etwas anderes, an Menschenweisheit, sondern „habt Glauben an Gott.” Mit anderen Worten: Glaubt an das Gesetz und die Herrschaft Gottes. Dieser Glaube befriedigt alle wahren menschlichen Bedürfnisse — in jeder Weise, zu allen Zeiten, unter allen Umständen und in allen Verhältnissen.

Wenn wir richtig beten, d.h. wenn wir zu dem wahren Gott beten, so stehen wir in Gemeinschaft und in Berührung mit der göttlichen Wahrheit. Dadurch assimilieren wir dann mehr oder weniger von der Wahrheit, welche, wie Jesus sagte, uns frei machen wird. Nun mögen Sie einwenden: „Ich kann nicht begreifen, wie uns die Wahrheit gesund machen kann, wenn wir doch krank zu sein scheinen? Wie kann bloßes Denken — im Gebet oder auf andere Weise — die Absonderungen und Ausscheidungen des Körpers beeinflussen?” Ich hatte einst einen Freund, der dem ärztlichen Beruf angehörte. Er war ein intelligenter und liebenswürdiger Mann, welcher sich nach seinem besten Verständnis bemühte, der leidenden Menschheit Linderung zu verschaffen, welcher aber nach einem System arbeitete, das den Menschen bloß als eine Maschine ansieht. Dieser Arzt stellte mir dieselbe Frage. Meine Antwort war gleichlautend mit derjenigen, welche ich Ihnen jetzt geben werde. Von dem materialistischen Standtpunkte der Chemiker aus und nach ihrer Ausdrucksweise ist es Tatsache — wie neuliche Experimente bewiesen haben —, daß der Geisteszustand einer Person die Absonderungen und Ausscheidungen des Körpers beeinflußt. Das Experiment war folgender Art. Man nahm die verschiedenen Ausscheidungen des Körpers, wie Schweiß, Atem usw. und analysierte sie chemisch. Was war das Resultat? Man fand, daß die Ausscheidungen einer Person in normalem geistigen Zustand unschädlich waren; die Ausscheidungen einer Person, die sich aus Zorn, Angst usw. in großer geistigen Aufregung befand, waren hingegen mehr oder weniger giftig. Dies war die Antwort, welche ich meinem Freund gab, und zwar von seinem eigenen Standpunkt aus.

Wir geben alle zu, daß uns unser Denken auf vielerlei Weise beeinflußt. Wir wissen, daß unsere Gedanken, Gefühle und Bestrebungen den höchstmöglichen Punkt erreichen, sobald wir in der rechten Weise beten, sobald wir zu dem wahren Gott beten. Warum sollte die Behauptung unvernünftig sein, daß Gott, der allgütige, allweise und allmächtige Gott, für Mittel und Wege gesorgt hat, so daß wir Sünde und Krankheit überwinden können! Ist die Behauptung, daß das Gebet Krankheit überwindet, schwerer zu begreifen als die Behauptung, daß es die Sünde zerstört? Den Lehren Jesu gemäß werden Sünde und Krankheit nach derselben Methode vernichtet. Gott hat Dasein. Die Folgerung zeigt klar und deutlich, daß Jesus recht hatte, daß seine Methode die richtige war und daß wir weder durch medizinische Zusammensetzungen noch auf irgend eine andere Weise ein wahres Substitut erfinden können. Gott hat uns gezeigt, wie wir verfahren müssen, um Sünde und Krankheit zu zerstören, nämlich so, wie es Jesus seine Nachfolger lehrte, so, wie er es ihnen durch seine Taten klar machte. Sowohl Sünde als auch Krankheit sind Abweichungen von der Wahrheit in Bezug auf das wahre Wesen des Menschen — des Menschen, der unter der Leitung Gottes steht. Warum hält man es dann für unvernünftig und unwahrscheinlich, daß die göttliche Weisheit den einzig richtigen Weg bereitet hat, auf dem wir zurückkehren können?

Wenden Sie sich an eine Person, welche bezweifelt, daß das Gebet Sünde oder Krankheit überwinden kann, und fragen Sie dieselbe: „Wenn Gott es wünscht, daß die Menschheit Sünde und Krankheit überwinden soll, können Sie sich eine bessere Art und Weise denken als das Gebet?” Mein zweifelnder Freund, dürfen Sie der Liebe und Allmacht Gottes Schranken setzen? Gott ist Geist. Der Mensch ist Gottes Ebenbild; deshalb ist des Menschen wahre Individualität geistig. Hieraus schließen wir nach der untrüglichen deduktiven Methode, daß zwischen Gott und dem Menschen ein inniges Verhältnis bestehen muß, welches sich als Gottes Gesetz und Herrschaft kundtut; daß dieses Verhältnis nicht nutzlos sein kann, sondern daß es anwendbar ist; daß wir in dem Maße unseres geistigen Verständnisses, in dem Maße unseres Gehorsams gegen Gott unter Sein Gesetz und unter Seine Herrschaft kommen und so die höhere Harmonie und das höhere Glück finden. Wenn wir also Sünde, Krankheit usw. überwinden, so tun wir „die Werke Gottes.”

Erlauben Sie mir, das Gebet in Kürze von diesem Gesichtspunkt aus zu erläutern. Ich habe nicht die Absicht, alle Geheimnisse der unendlichen Weisheit zu erklären. Um das tun zu können, müßte meine Weisheit der göttlichen Weisheit gleichkommen. Kann einer von Ihnen erklären, warum die Rose auf einem Rosenstrauch wächst und nicht auf einem Johannisbeerenstrauch? Nein! Weiß einer von Ihnen, warum aus einer Eichel ein Eichbaum erwächst und nicht eine Fichte oder eine Tanne? Noch kein Botaniker hat behauptet, diese Frage endgültig beantwortet zu haben. Wenn Sie über den Wert und die Kraft des gläubigen Gebetes nachdenken wollen — des Gebetes, welches „dem Kranken helfen” wird, wie der Apostel Jakobus erklärt —, so mag Ihnen das folgende Beispiel behilflich sein.

Im Februar letzten Jahres hielt ich einen Vortrag in Bremerton im Staate Washington, wo sich eine unserer am Stillen Ozean gelegenen Schiffswerften befindet. Während meines dortigen Aufenthalts kam von einem Schiff, welches einige hundert Meilen von der Küste entfernt war, eine Drahtlose Depesche an. Dieselbe wurde nur an zwei Orten in Empfang genommen: in Bremerton und in der anderen Schiffswerfte im südlichen Kalifornien. Es gab an der Küste mehr als tausend andere elektrische Apparate; aber keiner derselben erhielt die Depesche; für keinen derselben hatte sie irgend welchen Wert. Die Telegraphisten an diesen Apparaten wußten nichts von derselben. Worin bestand der Unterschied? Ein Verständnis der Drahtlosen Telegraphie macht die Sache klar. Hier erlaube ich mir die Bemerkung einzuschalten, daß selbst hervorragende Elektriker vor noch gar nicht langer Zeit die Drahtlose Telegraphie für eine Torheit und Unmöglichkeit erklärten; und doch ist sie heute eine vollendete Tatsache. Wir haben kein Recht, weder die Drahtlose Telegraphie, noch irgend etwas anderes darum zu verneinen, weil wir den Hergang der Sache oder die Verfahruugsweise nicht verstehen. Zwecks der Erläuterung meines Gegenstandes werde ich nun in aller Kürze erklären, warum nicht alle Apparate jene Depesche erhielten. Ich weiß natürlich, daß viele von Ihnen über diese Sache wohl unterrichtet sind. Die Verfahrungsweise ist in Kürze wie folgt. An Bord des Schiffes, mehrere hundert Meilen von der Küste entfernt, befand sich eine Dinamomaschine, welche mit dem Übertragungsapparat in Verbindung stand und denselben in Bewegung setzte. Dieser Übertragungsapparat überlieferte die Drahtlose Depesche, welche man in Bremerton erhalten hatte, der geheimnisvollen Luft, und zwar nach allen Himmelsrichtungen. Ich wiederhole nun die Frage: warum erhielt man die Depesche nur an zwei Orten, da es doch mehr als tausend Empfangsapparate gab, die sie nicht erhielten, ja die nicht im geringsten von derselben beeinflußt wurden? Der Empfangsapparat in Bremerton und derjenige im südlichen Kalifornien waren nach dem Übertragungsapparat gestimmt oder mit demselben in Einklang gebracht. Alle anderen Instrumente waren nicht nach dem Übertragungsapparat gestimmt und nicht mit demselben in Einklang gebracht. Was ist der wahre Zweck des Gebets? Es soll den Menschen mit Gott in Einklang bringen. Es soll nicht Gott umwandeln und bessern, sondern den Menschen. Es soll uns geistig empfänglich machen für die Wahrheit, von welcher Jesus sagte, sie werde uns frei machen. Gott befindet sich nicht etwa in einem entfernten Winkel des Weltalls, wo man Ihn sozusagen nur vermittels eines Gebets-Fernsprechers erreichen kann. Gott ist überall. Gott ist unendlicher Geist, unendliches Leben, unendliche Wahrheit und Liebe. Gottes wirksame Botschaften der göttlichen Wahrheiten sind für uns bestimmt; sie erreichen uns überall und werden immerwährend ausgesandt. Wir müssen jedoch mit Gott übereinstimmen, mit Ihm im Einklang stehen, wie der Empfangsapparat in Bremerton mit dem Übertragungsapparat an Bord des Schiffes übereinstimmen und mit demselben in Einklang stehen mußte.

Zum Schluß möchte ich noch auf Folgendes hinweisen. Die Welt ist der großen Menschenfreundin und Religionslehrerin, Mrs. Eddy, zum größten Dank verpflichtet, denn sie hat uns in der Christian Science auf dem Wege der deduktiven Folgerung die Methode gelehrt, welche Jesus lehrte. Es ist die vollständige, wissenschaftliche und beweisbare Methode, durch deren Anwendung Sünde, Krankheit und dergleichen Übel erfolgreich zerstört werden können. Jesus hatte Bezug auf den ewigen Christus, die Christus-Wahrheit, als er sagte: „Und siehe, Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende;” „Wer an mich glaubet, der wird die Werke thun, die ich thue.” Daß diese und andere ähnliche Worte nicht sinnlos, unpraktisch und unrichtig, sondern wahr und segensreich sind, wird durch die Methode Jesu, wie sie in der Christian Science zur Anwendung kommt, klar bewiesen. Ich wiederhole: die Welt ist der Mrs. Eddy zum größten Dank verpflichtet, denn sie ist die hervorragendste Frau, die größte Wohltäterin unserer Zeit. Sie hat der Welt Schätze geliefert, denen gegenüber die Kronen und Juwelen im Londoner Tower das reinste Flitterwerk sind. Sie hat der Welt eine neue religiöse Epoche eröffnet. Der Same, den sie gesät hat, ist bereits zur herrlichen Ernte gereift. Sie lehrt eine Religion der göttlichen Liebe, wie Jesus sie lehrte — eine Religion, welche die Welt so sehr nötig hat an Stelle der alten Theologie mit ihren Lehren von einer grausamen, lieblosen und rachsüchtigen Gottheit.

Mrs. Eddy hat der kranken und sündhaften Welt die Christus-Heilung zurückerstattet. Sie hat gezeigt, daß diese Christus-Heilung eine beweisbare und wissenschaftliche Tatsache ist, weil Christus Jesus sie einstmals ausgeübt hat und weil er gelehrt hat, daß sie das Werk des Vaters, das Werk der Wahrheit sei. Mrs. Eddy hat es uns klar gemacht, daß Christus Jesus die Kranken in Übereinstimmung mit den Gesetzen Gottes heilte und daß diese Gesetze heute ebenso wirksam sind wie damals. Was im ersten Jahrhundert der Christenheit Wahrheit war, ist auch heute noch Wahrheit, denn Gott ist derselbe „gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit,” und bei Ihm ist „keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.” Hat irgend ein Mann oder irgend eine Frau in unserer Zeit oder in den vergangenen Jahrhunderten so viel Gutes bewirkt wie Mrs. Eddy bereits bewirkt hat? Wo finden wir einen Mann oder eine Frau, deren Arbeit den kommenden Generationen solch reichen Segen verspricht wie die Arbeit der Mrs. Eddy?

Vor einer entscheidenden Schlacht in Ägypten sagte Napoleon zu seiner Armee: „Soldaten, von jenen Pyramiden schauen vierzig Jahrhunderte auf eure Taten herab.” Damit hatte er natürlich Bezug auf die Vergangenheit. Wenn nun unsere große und inniggeliebte Führerin, die so lange Jahre treu und siegreich gekämpft hat — nicht wie Napoleon, sondern zum Wohl der Menschheit —, wenn sie zu ihren Anhängern, welche weit zahlreicher sind als Napoleons Scharen, sagen würde, daß vierzig Jahrhunderte auf dieselbe herabsehen, so würde sie damit die dankbaren Jahrhunderte der gereinigten und veredelten Zukunft meinen.

Copyright, 1908, by Mary Baker G. Eddy.
Verlagsrecht 1908, von Mary Baker G. Eddy.

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