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Das entstellte Bild.

Aus der Februar 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Erzählung von der Erschaffung des Menschen mit den Schlußworten: „Und Gott sah an alles was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut,” und andrerseits der Ausruf des Apostels Paulus: „Ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?” bilden einen solch ungeheuren Kontrast, daß offenbar auf irgend eine Weise eine große Veränderung stattgefunden haben muß. Man fragt sich unwillkürlich: „Wie konnte ein solcher Wechsel eintreten? Hat Gott seinen Schöpfungsplan geändert?” Die Bibel enthüllt uns einen Gott, „bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.” Wir können daher nicht annehmen, daß bei Ihm eine Veränderung stattgefunden hat, daß er den Menschen am Anfang zu Seinem Bilde erschuf und jetzt Sünder erschafft, die den Krankheiten und dem Tod ausgesetzt sind. Wir können nicht glauben, daß Er am Anfang „alles ... unter seine [des Menschen] Füße” tat, ihm aber diese Herrschaft später entzog und ihn so schutzlos ließ, daß er jetzt jedem bösen Zufall ausgesetzt ist und sogar einem Nadelstich zum Opfer fallen kann. Da nun bei Gott keine Veränderung ist, wo haben wir sie zu suchen? Hat sich der Mensch verändert? Hat er das Ebenbild Gottes verloren?

Vor mehreren Jahren hatte ich ein Erlebnis, das einen tiefen Eindruck auf mich machte und das mir bei meinem späteren Studium der Christian Science von großem Wert war. Es verhalf mir zur Beantwortung obiger Fragen. Ich besuchte nämlich einen Verwandten, der erst kurz zuvor seiner bereits großen Sammlung schöner Gemälde drei weitere von besonders hohem Wert hinzugefügt hatte, angeblich Werke berühmter Maler. Nachdem sie in seinen Besitz gekommen waren, wurde die Echtheit eines derselben in Frage gestellt. Um nun festzustellen, ob das Bild wirklich die Arbeit des großen Malers sei, ließ mein Verwandter einen Sachverständigen kommen und ersuchte ihn, sein Urteil abzugeben. Dieser Herr hatte die Gemälde der alten Meister so gründlich studiert, daß er zwischen dem Wahren und dem Falschen unterscheiden und Nachahmungen mit Sicherheit entdecken konnte. Sein Urteil wurde in dieser Hinsicht als unfehlbar anerkannt. Ich hatte das Glück, anwesend zu sein, als er das Bild besichtigte. Die Begebenheit und die ganze Umgebung sind mir noch sehr klar im Gedächtnis. Wir waren in einem Atelier, das die gewöhnliche Ausstattung hatte: ein oder zwei leere Rahmen, einige unvollendete Entwürfe, aufgespannte Leinwand in verschiedenen Größen, an die Wände gelehnt, usw. In der Mitte des Zimmers befand sich auf einer Staffelei das in Frage stehende Bild, in einer solchen Stellung, daß durch das große nördliche Fenster sich ein helles Licht auf dasselbe ergoß. Etwas abseits stand der Eigentümer mit einigen Freunden und Gliedern der Familie. Alle beobachteten in fast atemloser Stille die lebhaften Züge und das scharfe Auge des Kunstkenners und warteten auf sein Urteil. Nachdem dieser das Bild einige Minuten genau betrachtet hatte, blickte er lächelnd auf und sagte: „Es ist alles in Ordnung, das Bild ist echt; Sie haben hier wirklich ein herrliches Gemälde von Sir Joshua Reynolds!” „Aber wie verhält es sich mit dieser Schattierung?” erwiderte der Hausherr. „O, die hat Sir Joshua nicht gemalt,” unterbrach ihn der Sachverständige. „Und dieser dunkle Schatten im Hintergrund?” „Wurde später hinzugefügt” kam die rasche Antwort. Nachdem er die verschiedenen fraglichen Punkte des Bildes besprochen hatte, erzählte er, daß gar manche große Kunstwerke in die Hände von Personen fielen, die deren Schönheit nicht zu würdigen wüßten und die dächten, durch ein wenig mehr Farbe würde das Bild gewinnen. Ein solches Gemälde werde dann oft einem Maler übergeben, der dessen Wert ebensowenig kenne und der es deshalb nach Wunsch des Eigentümers abändere. Ein späterer Eigentümer möge denken, das Bild würde besser aussehen, wenn es einen dunklen Hintergrund hätte; ein anderer stelle es vielleicht in eine staubige Dachkammer, von wo es nach Jahren wieder hervorgeholt und mit einem Firnis-Anstrich versehen werde, so daß sich Staub und Schmutz festsetze. Dadurch würden natürlich all die feinen Umrisse und zarten Schattierungen verwischt. Nachdem ein Gemälde derartige Behandlung durchgemacht habe, erfordere es das Auge eines Sachverständigen, zwischen dem Wahren und dem Falschen zu unterscheiden,— zwischen dem Werk einer Meisterhand und den Pinselstrichen, welche aus Unwissenheit und Mangel au Geschmack hinzugefügt worden seien.

Dann ließ der große Kunstkenner seine Hand zärtlich und schmeichelnd über das Gemälde gleiten und sagte: „Überlassen Sie mir das Bild eine Zeitlang. Ich will es reinigen und alles entfernen, was demselben nicht rechtmäßig angehört; dann wird kein Zweifel mehr darüber herrschen, wer es gemalt hat. Das Bild ist echt, nur können Sie es in seinem gegenwärtigen Zustand nicht so sehen, wie es wirklich ist.”

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