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„Laß die Toten ihre Toten begraben.“

Aus der März 1910-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der Gewinn, der uns zuteil wird, wenn wir die Bibel den Lehren der Christian Science gemäß geistig auslegen, tritt nie klarer hervor, als wenn wir an die kurzen und treffenden Aussprüche Jesu kommen. Als Beispiel sei der scheinbar sehr strenge Verweis erwähnt, den Jesus einem Menschen erteilte, der um Erlaubnis bat, seinen Vater zu begraben, ehe er mit seiner christlichen Werktätigkeit begann. Im Lichte der Christian Science sehen wir, daß der Meister mit seiner Antwort: „Laß die Toten ihre Toten begraben” durchaus nicht Nächstenliebe und menschliche Zuneigung rügen wollte, sondern daß diese Worte gegen eine der heimlichsten und bestrickendsten Arten des Selbst- mesmerismus gerichtet waren.

Groß ist die Zahl derer, die zu Zeiten sehr niedergedrückt sind, weil sie sich törichtem Grämen und nutzloser Selbstverdammnis hingeben, weil sie irgendeine traurige Erfahrung immer wieder im Geiste durchleben, oder weil sie ihrem Kummer stets frische Nahrung geben. Zu dieser Klasse von Leuten gehören viele ausgesprochene Christen, die fröhliche und nützliche Leute wären, wenn sie nur diese Neigung überwinden würden. Sie sind nicht mit der lebendigen Gegenwart zufrieden, sondern geben sich stets mit irgendeiner längst vergangenen Sache ab, über deren unbegrabene Unwirklichkeit sie fortwährend seufzen.

Christian Science lehrt, daß alles Leben von Gott kommt, und daß sogenannte tote Dinge nie ein wahres Leben zu verlieren hatten. Wenn wir dies begriffen haben, wird es uns klar sein, daß weder Vernunft noch sittliches Gefühl unsre beharrliche mentale Pilgerreise nach einer selbsterbauten mesmerischen Totenstadt billigt; daß diese Pilgerfahrt mehr als töricht ist, weil sie dem sterblichen Bewußtsein das wirklich macht, was unwirklich ist und keine Existenzberechtigung hat — ja, was nicht einmal Anspruch auf Beerdigung machen kann. Christian Science lehrt uns, längst vergangene Dinge ruhen zu lassen. Leben und Tod haben keine Gemeinschaft miteinander, und wir sollten sie deshalb nicht als Genossen in unserm Bewußtsein beherbergen. Alles dieses lernt der ernste Schüler sehr bald; wenigstens sollte er es lernen. Insofern er sich den Erinnerungen an den Fehlschlag des Materiellen hingibt, insofern er über unerfüllte materielle Freuden, über verwelkte Hoffnungen, über Verluste und Unglücksfälle grübelt und seiner Furcht dadurch immer neue Nahrung gibt — insofern ist er selbst nicht am Leben und es gilt ihm die göttliche Ermahnung: „Wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.” Gib dich auch nicht einen Augenblick den entmutigenden Erinnerungen an materielle Annahmen hin, sondern wende dich der Wahrheit zu; schaue auf die Dinge, die lebendig sind und nicht sterben können.

Wenn wir bedächten, wie weitverbreitet die Angewohnheit ist, vergangene Schmerzen, Streitigkeiten und Mißverständnisse aufs neue zu durchleben und die unserm gesellschaftlichen Ansehen und unserm Verstandesstolz angetanen Demütigungen ins Gedächtnis zurückzurufen, so würden wir anfangen zu verstehen, von welch hoher Bedeutung es für die Christus-Sache wäre und wie viel es zum Trost unsrer Mitmenschen sowie zu unserm eignen Seelenfrieden und geistigen Fortschritt beitragen würde, wenn wir die Ermahnung des Meisters beherzigen wollten, „die Toten”, die Unwahrheiten des sterblichen Bewußtseins in Ruhe zu lassen. Es ist klar, daß der zähe Glaube an die scheinbaren Dinge des materiellen Bewußtseins nicht die „gewisse Zuversicht des, das man hoffet” bildet; nichtsdestoweniger klammern wir uns so an die irdischen Überreste an, daß sie immerwährend ihren niederdrückenden Einfluß auf uns ausüben.

In unserm Textbuch „Science and Health“ werden wir ermahnt, uns von diesem Leibe des Todes abzuwenden und unsre Blicke auf die Wahrheit zu richten (S. 261). Dieses Buch zeigt uns, daß wir uns von der grausamen Sklaverei des Glaubens an todbringende Dinge losmachen müssen, seien es falsche Begriffe, religiöse Traditionen, angebliche Gesetze, traurige Erfahrungen, oder irgendetwas Derartiges. Es verhilft uns zu dem Verständnis, daß wir diese Dinge nur begraben oder loswerden können, indem wir sie aus dem Bewußtsein ausweisen. Dies war das Verfahren des Apostels Paulus, wie aus seinen Worten an die Philipper hervorgeht: „Ich vergesse, was dahinten ist”. Wir können uns nicht von dem trennen, was wir in unserm Bewußtsein beherbergen. Um nun jedem toten oder sterbenden Ding zu entrinnen, müssen wir es „entwissen” oder vergessen. Wir müssen es dem Reich des Nichts überantworten, denn da gehört es hin. „Laß die Toten ihre Toten begraben.”

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