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Licht und Finsternis.

Aus der März 1910-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


In dem Christian Science Lehrbuch lesen wir: „Wie das Licht die Finsternis zerstört, so daß es an Stelle der Finsternis vollständig hell ist, so ist (in der absoluten Science) Seele oder Gott des Menschen einziger Wahrheits-Spender. Wahrheit zerstört Sterblichkeit und bringt Unsterblichkeit ans Licht” („Science and Health,“ S. 72). Daß Wahrheit ewig, unveränderlich und in allen menschlichen Angelegenheiten anwendbar ist, wird allgemein mit Worten anerkannt und ebenso allgemein in der Praxis ignoriert. Obgleich nun materielle Symbole geistige Dinge nie vollständig darstellen können, so gibt es doch unter den Naturerscheinungen gewisse gegenseitige Beziehungen, welche geistige Zustände sinnbildlich darstellen und welche auf die Allgemeinheit und Anwendbarkeit der Wahrheit hinweisen. Solcher Art ist das Verhältnis zwischen Licht und Finsternis. Die Physik lehrt, daß Licht wirklich, Dunkelheit hingegen die Abwesenheit des Lichtes sei; daß Dunkelheit keine Wesenheit, keinen Ursprung, keine Substanz und kein eignes Leben habe. Die Unwirklichkeit der Dunkelheit ist den Sinnen nicht offenbar. Ein Volk, das gar keinen Begriff von der Naturwissenschaft hat, würde wohl schwerlich einen Menschen verstehen, der mit der Botschaft käme, daß Finsternis nicht erschaffen und darum nicht wirklich sei, daß sie keine Macht habe und daher keinen Raum einnehme.

Es würde dem unwissenden menschlichen Denken die Behauptung besser zusagen, daß Finsternis so wirklich sei wie Licht (denn so erscheint es, wenn man in ein dunkles Zimmer eintritt); daß man sie da finden könne, wo kein Licht vorhanden ist; daß sie sicherlich die Macht habe, den Menschen zum Straucheln und Fallen zu bringen (denn das ist die Erfahrung derjenigen, die von der Dunkelheit übereilt worden sind). Ist nicht der Glaube, daß Finsternis eine Wesenheit sei und einen Schöpfer habe, die logische Folgerung einer solchen Annahme? Wenn nun die Menschheit am Anfang ihres Studiums der Physik in Bezug auf das Phänomen des Lichts und der Finsternis angefangen hätte, von obiger Prämisse aus zu folgern — wenn sie den Ursprung der Finsternis mit der vollen Überzeugung gesucht hätte, daß Finsternis dieselbe Macht besitzt wie das Licht, so würde sie zu dem Schluß gelangt sein, daß beide Erscheinungen einen gleich mächtigen Ursprung haben müssen.

Dem Zeugnis der Sinne gemäß kommt das Licht von einem Himmelskörper her, der helle Strahlen aussendet, welche die Erde erwärmen und beleben. Wenn man nun behauptet, Finsternis sei wirklich, wäre dann die Folgerung nicht ganz natürlich, daß auch sie von einem Himmelskörper komme, der Schwärze ausströmt; daß diese Schwärze das Licht und all die Schönheit der Erde verhülle und in ihren verborgenen Tiefen Furcht vor möglichem Unglück berge? Wir wollen den Vergleich noch etwas weiter führen. Läge der Wunsch nicht sehr nahe, der Finsternis auf den Grund zu kommen? Wenn der Ursprung der Finsternis gefunden und zerstört werden könnte, so wäre es unmöglich, das Licht zu verbergen, und Finsternis mit all ihrem Übel wäre nicht mehr vorhanden. Was würde erzielt worden sein, wenn die Gelehrten ihre Zeit darauf verwandt hätten, den Ursprung der Finsternis zu finden? Gesetzt den Fall, man hätte die Forschungen nach dem Ursprung des Lichtes in der entgegengesetzten Richtung gemacht: zuerst in der Meinung, daß ein schwarzer Himmelskörper, von derselben Größe und Kraft wie die Sonne, Finsternis ausströme, und dann in der Meinung, daß die Sonne die Finsternis erschaffen habe. Wenn man glaubte, daß Finsternis Wesenheit besitzt, wäre es dann widersinnig nachzuforschen, wie Finsternis auf die Erde gekommen sei? Gewiß nicht! Welche Resultate haben nun die Forschungen in Bezug auf das Licht hervorgebracht? Eine nähere Kenntnis von der Natur und dem Ursprung des Lichtes führte zu Erfindungen, die es ermöglichten, die dunkelsten Winkel der tiefsten Höhlen taghell zu erleuchten; hingegen, hätten die Forscher in den vergangenen Jahrhunderten nur nach dem Ursprung der Finsternis gesucht, oder hätten sie sich etwa darüber beraten, wie nur ein so glänzender Himmelskörper wie die Sonne Finsternis erzeugen könne, so wäre dadurch nicht einmal so viel Licht entdeckt worden wie von einer Talgkerze ausströmt. Man denke nun an die großartigen Entdeckungen, die durch die Erforschung des Lichts entstanden sind; an die Bequemlichkeiten, den Aufschwung der Industrien und den Fortschritt der Zivilisation infolge der Erfindungen derjenigen, welche sich das Wesen und den Ursprung des Lichts zum Studium gemacht haben. Dann nehme man an, daß all diese Bemühungen, all diese Forschungen, all das Denken, welches denselben zugrunde lag, die entgegengesetzte Richtung genommen hätte: wäre die Welt nicht jetzt in Nacht und Dunkel gehüllt, anstatt immer mehr Licht erhalten zu haben? Je ernster und eingehender das Studium der Finsternis betrieben worden wäre, desto größere Nacht hätte die Welt umhüllt, und zuletzt würde das Auge, das sich stets mit der Dunkelheit abgibt, das Tageslicht ganz verloren haben.

Ist die Nutzanwendung nicht klar? Seit Jahrtausenden hat die arme Menschheit das Problem des Guten und Bösen vor sich. Dem sterblichen Sinn gemäß scheinen sie gleich starke Mächte zu sein, die nebeneinander bestehen, wie Licht und Finsternis. Wo immer auch das Gute zum Vorschein kommt, glaubt die Menschheit im allgemeinen, das Böse könne es zerstören. Was haben nun Religionslehrer und Philosophen getan, um dieses Problem zu lösen? Sie haben emsig nach dem Ursprung des Übels gesucht. Einige erklärten, Gott sei der Ursprung alles Guten, und der Teufel der Ursprung alles Übels; mit andern Worten: sie glaubten es gäbe zwei große Mächte, die beständig miteinander kämpften und deren jede erschaffen und zerstören könne; deren jede sich ernstlich darum bemühte, den Menschen in seine Gewalt zu bekommen. Soweit der menschliche Sinn wahrnehmen konnte, war nicht vorauszusehen, ob die eine oder die andre Seite je den Sieg davontragen würde. Eine weitere Schule sah in dieser Annahme die Verneinung der Allmacht Gottes und erklärte, daß Gott, die Quelle alles Guten zugleich die Quelle alles Übels sein müsse. Und bei all diesem Suchen nach dem Ursprung des Übels blieb die Welt in Dunkel gehüllt, weil dies das unausbleibliche Resultat des Bestrebens ist, den Ursprung der Finsternis zu finden.

Vor etwa vierzig Jahren erhob sich eine Stimme, die erklärte, das Übel sei nicht wirklich; wie Finsternis bloß die Abwesenheit oder vermeintliche Abwesenheit des Lichtes sei, so beruhe das Übel auf einer falschen Auffassung, der zufolge das Gute abwesend ist. Diese Stimme ging von einer Frau aus, und gar laut war der Hohn und gar bitter waren die Anklagen gegen sie, weil sie gewagt hatte zu erklären: „Das Übel hat keine Wirklichkeit. Es ist weder eine Person, ein Ort noch ein Ding, sondern einfach ein Irrglaube, eine Illusion der materiellen Sinne” („Science and Health“, S. 71). Mrs. Eddy, die Autorin dieser Worte begann jedoch die Wahrheit ihrer Aussage dadurch darzutun, daß sie die Wirklichkeit und Allheit des Guten demonstrierte und andre Leute lehrte, wie auch sie die Wahrheit demonstrieren könnten. Das Ergebnis ihrer Arbeit liegt offen und klar vor der Welt; es zeigt sich in der Gesundheit und Glückseligkeit Tausender, die früher „im Finstern” gewandelt hatten, jetzt aber „ein großes Licht”, das Licht der Wahrheit gesehen haben und dadurch aus ihrer Not erlöst worden sind.

Wie im Fall aller großen Reformatoren, so sind auch Mrs. Eddys Schriften und Lehren von denen, die sie nur oberflächlich gelesen haben, scharf angegriffen worden. Zu diesen gehören diejenigen, welche die Worte „Das Übel ist unwirklich” aufgegriffen haben, ohne deren wahre Bedeutung zu erfassen. Ihre Einwendungen sind denen eines unwissenden Menschen ähnlich, der das erste Mal von der Unwirklichkeit der Finsternis hört und darauf etwa folgendermaßen antwortet: „Finsternis ist unwirklich. Wir haben also nichts von derselben zu befürchten, obgleich wir uns beständig in ihr bewegen. Da wir nichts zu befürchten haben, so haben wir auch nichts zu tun. Wir wollen uns über dem Problem der Finsternis nicht den Kopf zerbrechen, denn es ist kein angenehmes Thema. Viel schöner ist es, in der Dunkelheit zu sitzen und von dem Licht und der herrlichen Sonne hoch oben am Himmel zu träumen.” Ist es nicht klar, daß eine solche Stellungnahme uns nie Licht gebracht und daß eine solche Nachlässigkeit die Finsternis nie verscheucht hätte? Es gibt nur einen Weg, die Finsternis zu verbannen: Man muß das Licht hereinlassen.

Ein Mensch mag wohl wissen, daß das Licht existiert; schließt er sich aber in einen dunkeln Keller ein, so bleibt es für ihn dunkel. Viele Leute handeln in ihrem Kampf mit dem Irrtum genau in dieser Weise. Weil sie zu gleichgültig sind, um in dem Reich des unendlich Guten, im Reich des Lichts Frieden zu suchen, rufen sie „‚Friede! Friede!‘ und ist doch nicht Friede.” Sie sitzen im Dunkel des Kummers, der Reue und der Selbstanklage, oder sind hinter den dicken Mauern der Selbstsucht, des Eigenwillens und des Hochmuts eingekerkert und wundern sich dann über ihr „schweres Schicksal”. Die Menschen reden von dem Elend, dem Verbrechen, der Armut und dem Unrecht in der Welt und meinen, es drücke dies das Mitleid aus, welches die Bürde der Menschheit erleichtert. Sie lassen es sich nicht träumen, daß sie dadurch ihre Aufmerksamkeit der Finsternis zuwenden und nach deren Ursprung suchen, anstatt sich dem Licht zuzuwenden, vor dem alle Finsternis flieht. Die Behauptung, daß das Übel unwirklich sei, bedeutet keine schlaffe Zufriedenheit in Gegenwart des scheinbaren Übels, keine Vernachlässigung der Mittel und Wege, die es dem Menschen ermöglichen, die Geheimnisse der Dunkelheit bloßzulegen und den Staub, welchen Trägheit und Gleichgültigkeit unberührt ließen, ans Licht zu bringen; vielmehr bedeutet diese Behauptung, daß nur derjenige, der die falschen Ansprüche des Übels erkennt und sich ernstlich bemüht, dieselben durch seine Kenntnis des Guten vollständig zu zerstören,— daß nur ein solcher die Behauptung verstehen kann, daß das Übel nicht wirklich ist. Die Unwirklichkeit des Übels wird nur dann klar, wenn das Übel durch das Gute ersetzt wird, ebenso wie man die Unwirklichkeit der Finsternis nur dann beweisen kann, wenn das Licht ihre Stelle einnimmt.

Es sollte uns die Tatsache zur Lehre dienen, daß wir durch die modernen Erfindungen immer mehr Licht bekommen haben und daß sich die wahre Quelle des Lichts als unerschöpflich erwiesen hat. Ferner kann der Vergleich zwischen Licht und Finsternis auch zwischen Wärme und Kälte angestellt werden. Nichts scheint in der menschlichen Erfahrung mehr wirklich zu sein als Kälte — die Kälte, welche uns frieren macht, die Kälte, welche selbst Gesundheit und Leben zu gefährden scheint. Und doch erklärt selbst die Physik, daß Kälte keine Wesenheit ist, keine Wirklichkeit hat, sondern daß sie die Abwesenheit der Wärme ist. Kälte kann also nicht durch die Erforschung ihres Ursprungs bekämpft werden, sondern man muß die Wärme dahin bringen, wo die Kälte zu sein scheint. Alle wissenschaftliche Arbeit geht von derselben Basis aus. Das Studium der Christian Science enthüllt eine Regel, die Mrs. Eddy uns sehr deutlich erklärt hat, nämlich, daß Wahrheit auf irgend einem Gebiet das Wirkliche, Irrtum hingegen das Unwirkliche ist; ferner, daß die Zerstörung des Übels durch unsre Kenntnis von dessen Ohnmacht und unser Verständnis von der Allmacht des Guten bewirkt wird.

Die Gelehrten mögen diese Lehre verspotten und die Stolzen mögen an ihr vorübergehen; es ist jedoch die Zeit nicht mehr ferne, da „sie mich [Wahrheit] alle kennen” sollen, „beide, klein und groß”; da sie den kennen werden, „den richtig zu kennen ewiges Leben bedeutet” („Science and Health“, Pref. S. vii). Dann werden alle Menschen die tiefe geistige Einsicht und die Weisheit unsrer Führerin anerkennen, deren beharrliches Behaupten der Wirklichkeit des Guten und der Unwirklichkeit des Übels Tausende von Krankheit und Sünde erlöst hat. Dann wird das Problem des Lebens durch die Anwendung der Wahrheit gelöst werden, wie das Licht die Finsternis vertreibt, wie das Gute das Übel zerstört, wie die Liebe den Haß überwindet, wie das Leben den Tod besiegt,— den letzten Feind der aufgehoben wird.

Copyright, 1910, by Mary Baker Eddy.
Verlagsrecht 1910, von Mary Baker Eddy.

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