Die meisten Schüler der Christian Science erreichen zu Anfang ihres Studiums dieser Lehre einen Zeitpunkt, da die an ihnen und andern geschehene Heilung einen so tiefen Eindruck auf sie macht und da die erwachende Erkenntnis der stets gegenwärtigen Macht der Wahrheit, wie Jesus sie kannte und anwandte, ihr Herz so sehr bewegt, daß sie vor Begeisterung über den neuentdeckten Glauben förmlich übersprudeln und nun unter ihren Freunden sofort alle scheinbar falschen Zustände in physischer und moralischer Hinsicht berichtigen wollen. Sie glauben, hierzu sei nichts weiter nötig, als ihren Freunden zu sagen, was sie selbst gesehen und erfahren haben.
Ihr Erwachen aus diesem schönen Traum ist oft ein recht unsanftes. Es geht ihnen sehr zu Herzen, wenn ihre wohlgemeinten Bemühungen zurückgewiesen werden. Sie vergessen, daß nicht ein jeder bereit ist, in solchen Dingen selbst seinem allernächsten Freunde zu glauben, wenn dessen Darlegungen altgewohnte Anschauungen umzustoßen drohen. Wie der Landmann den Samen nicht auf das ungepflügte Land sät, so muß auch der junge Christian Scientist warten, bis der Herzensacker derer, die er gewinnen möchte, für den Samen der Wahrheit bereit ist; bis dieser oder jener unter seinen Freunden durch das Versagen aller materiellen Mittel sich so recht der Unzulänglichkeit seiner bisherigen Anschauungen bewußt wird und dann die Wahrheit, welche von den Banden der Sünde befreit, bereitwillig annimmt.
Der Enthusiast mag ferner finden, daß manche Leute die Christian Science deshalb abweisen, weil sie denken, dieselbe verlange zu viel von ihren Anhängern. Dann entsteht für ihn die Gefahr, seinen Freunden die Christian Science recht leicht machen zu wollen, sie zu überzuckern, damit sie ihnen besser zusagen möge. Dies ist eine der listigsten Versuchungen, die den Christian Scientisten befallen, und er tut wohl daran, sie mit Bestimmtheit zurückzuweisen. Die Christian Science widerlegt viele Annahmen, die der Menschheit lieb und teuer sind — Annahmen, die durch jahrhundertelanges Denken in materieller anstatt in geistiger Richtung entstanden sind. Das Überzuckern der Christian Science, das Abändern oder Erleichtern dieser oder jener Bedingung, um sie Andersdenkenden annehmbar zu machen, kommt in Wirklichkeit einer Fälschung gleich, die nur Schaden anrichten kann.
Wir erweisen unsern Freunden dann den besten Dienst, wenn wir ihnen vor Augen führen, was die Christian Science der Menschheit gebracht hat und noch bringen wird, indem wir selbst bessere Gesundheit, mehr Liebe und Rücksicht auf andre zum Ausdruck bringen, als der Fall war, ehe der Einfluß der Christian Science sich in unserm Leben fühlbar machte. Mit andern Worten: Wir fördern die Christian Science Sache am besten dadurch, daß wir in aller Demut unsre Werke anstatt unsrer Worte von der Wirksamkeit dieser heilenden Wahrheit zeugen lassen. Dabei dürfen wir jedoch nicht in erster Linie die Absicht haben, Eindruck auf andre zu machen, sondern unsre Handlungsweise muß das natürliche und normale Erbegnis unsres erneuerten Denkens sein.
Wenn unsre Freunde wirklich den „Grund ... der Hoffnung”, die in uns ist, wissen wollen, dann dürfen wir zu ihnen über die Christian Science reden und ihnen sagen, was diese Lehre zum Wohl der Menschheit beigetragen hat. In einem solchen Fall werden unsre Bemühungen nicht vergeblich sein. Wenn wir hingegen beharrlich und unaufgefordert über die Christian Science reden, so werden wir höchstwahrscheinlich unsern Zweck verfehlen. Ein jeder Mensch ist zu seinen eignen Ansichten berechtigt, in Bezug auf Medizin sowohl wie auf Religion. Obgleich wir glauben über diese Gegenstände die richtigen Ansichten zu haben, so steht uns doch keineswegs das Recht zu, sie denen aufzudrängen, die sie nicht wünschen und nicht für dieselben bereit sind.
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Christian Science andern zu erklären, müssen wir darauf sehen, daß wir es in dem Geiste tun, in dem Mrs. Eddy „Science and Health“ geschrieben hat und den sie so klar und bestimmt in den folgenden Worten zum Ausdruck bringt: „Die Autorin hat dem Gewissen keine Zugeständnisse gemacht, um sich der allgemeinen Gedankenrichtung anzubequemen, sondern sie hat das Wort der Wahrheit offen und ehrlich dargelegt” („Science and Health“, S. 10). Dann werden sich unsre Bemühungen nicht als fruchtlos erweisen, sondern unsre Worte werden sein wie der gute Same, der da fiel „auf ein gut Land, und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig.”