Der Verfasser der Epistel an die Ebräer preist das Priestertum Christi Jesu als über allen kirchlichen und erblichen Rang und Stand erhaben, und zwar deshalb, weil es die „Kraft des unendlichen Lebens” kundtue. Wenn der Meister erklärt: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich”, so ist das keine Anmaßung seinerseits; vielmehr weisen diese und ähnliche Worte hin auf sein bewußtes Kundtun des Lebens, welches ewig ist. Er hatte den Mut, in Demut der Wahrheit treu zu bleiben, und das ist keine Anmaßung. Hier wie überall stimmt die Lehre der Christian Science mit der Lehre des Meisters überein, denn sie erklärt, das Priestertum, zu welcher alle Gläubigen berufen sind, bestehe in der Erkenntnis von des Menschen Einheit mit diesem „unendlichen Leben” und werde durch diese Erkenntnis wirksam.
Der Begriff vom Leben als von der Materie abhängig muß notwendigerweise ein sehr beschränkter sein. Wir erkennen die Macht des bewußten Lebens oder des Denkens über alle materiellen Kräfte an, denn wir sehen, wie sich Menschen diese Kräfte Untertan machen. Der Kapitän auf der Kommandobrücke des Ozeandampfers ist sich seiner Herrschaft über Dampf und Elektrizität im Schiffsraum bewußt, und dies gibt ihm die Zuversicht, daß er trotz Sturm und Wellen den Hafen sicher erreichen wird. Wie beschränkt ist jedoch diese Herrschaft und wie sehr verschieden von der des Meisters, als er den Wellen gebot und sie ihm gehorchten! Der eine übt die Gewalt menschlicher Kenntnisse aus, der andre brachte die „Kraft des unendlichen Lebens” zum Ausdruck. Der eine macht sich die Weisheit dieser Welt nutzbar, der andre bediente sich der „Weisheit ... von oben her”.
Obgleich unser Meister klar und deutlich des Menschen Einssein mit Gott lehrte, so haben sich doch die Christen im allgemeinen stets ablehnend verhalten, wenn der Gedanke ausgesprochen wurde, daß man heute imstande sein sollte, die gleichen Werke zu tun, die der Meister tat. Vielen Christen unsrer Zeit ist die Lehre der Christian Science ein Anstoß. Sie erklären dieselbe für höchst anmaßend, ja für geradezu gotteslästerlich. Von dem Gesichtspunkte derer, die den Menschen als materiell und sterblich ansehen, ist dieses Zurückhalten ganz begreiflich; wenn aber der Mensch als das erkannt wird, was er wirklich ist, als ausschließlich geistig, so wird die Natürlichkeit seines christusgleichen Priestertums und die Anwendbarkeit der Macht des lebendigen Gottes offenbar.
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