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Der Gesichtspunkt

Aus der April 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der intelligente Leser wünscht genau unterrichtet zu sein und sucht den jeweiligen Gegenstand vom Standpunkt des Verfassers aus zu betrachten. Er weiß, wie schwer es ist, sich einer der Allgemeinheit verständlichen Sprache zu bedienen, zumal, wenn die dargelegten Ideen neu sind oder durch die menschliche Erfahrung scheinbar nicht bestätigt werden. Daher versucht er zunächst, den Gegenstand in dem Lichte zu sehen, in dem der Verfasser ihn sieht und verstanden wissen will.

Der Standpunkt des Verfassers sollte also berücksichtigt werden. Gerade hiergegen aber wird oft gesündigt. Eine Folgerung kann vom Standpunkt des Lesers aus entschieden irrig erscheinen; ehe er jedoch seine Meinung hierüber äußert, sollte er bedenken, daß die Folgerung, von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet, vielleicht ganz anders lautet. Was dem einen vernünftig und folgerichtig erscheint, berührt den anderen in entgegengesetzter Weise. Und das kommt nicht etwa daher, weil der eine intelligenter ist als der andere, sondern es liegt an der Verschiedenheit der beiderseitigen Anschauung und Erfahrung. Ein Gegenstand, der zu einer Revision der herrschenden Ansichten und besonders zu einem Sichlossagen von lang gehegten Theorien zwingt, wird nicht immer freundlich aufgenommen; denn wohl vernimmt der sterbliche Mensch jederzeit mit Freuden, daß er recht hat, ist aber selten bereit zuzugeben, daß er sich im Irrtum befindet.

Die Christian Science ist mißverstanden und falsch dargestellt worden, weil ihre Lehren von den Schülern nicht immer richtig dargelegt oder oft trotz richtiger Darlegung nicht immer richtig verstanden worden sind. Der Standpunkt des Schülers wird nicht genügend berücksichtigt, und daher ist der empfangene Eindruck von dem beabsichtigten bisweilen gänzlich verschieden. Auf die Arbeit des Beseitigens oder Verhinderns solcher Eindrücke weisen wohl biblische Sprüche wie der folgende hin: „Gebot auf Gebot; Verbot auf Verbot, ... da ein wenig und dort ein wenig” [Züricher Bibel]. Dieses Verfahren ist erforderlich, um der Welt den wahren Begriff von der Lehre und Ausübung der Christian Science zu geben.

„Science and Health with Key to the Scriptures“ [Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift] ist das einzige autorisierte Lehrbuch der Christian Science. Es versteht sich, daß Mrs. Eddy, die Verfasserin dieses Werkes, das Leben und dessen Probleme von einem Standpunkte aus sah, der von dem anderer Denker sehr verschieden war, sonst hätte sie der Welt nicht ein Werk geben können, das dem modernen Denken so neu erscheint und zugleich in so vollkommener Harmonie mit den Lehren und der Ausübung des ursprünglichen Christentums steht. Aus diesem Grunde muß der Leser von „Science and Health“, um anderen sowie sich selbst gerecht zu werden, das intelligente Mitempfinden mit der Verfasserin erstreben, welches ihn instand setzt, ihre Schriften richtig zu verstehen. Mrs. Eddy sagt uns, daß die Bibel ihr einziges Lehrbuch war, und beruft sich für ihre Schriften auf keine andere Autorität. Beim Forschen in der Heiligen Schrift hat sie sich ernstlich bemüht, die geistige Wahrheit zu erfassen, die die ursprünglichen Verfasser darzulegen suchten. Die Christen im allgemeinen glauben, daß die Bibel ein inspiriertes Buch ist, und Mrs. Eddy schreibt hierüber in „Science and Health“ (S. 319) wie folgt: „Die in der ursprünglichen Bibelsprache gelehrte göttliche Wissenschaft kam durch Inspiration, und um zu einem richtigen Verständnis derselben zu gelangen, bedarf es der Inspiration.” In Übereinstimmung mit dieser Erklärung stehen auch die Worte Elihus an Hiob und die drei Freunde, die ihn in seiner Heimsuchung zu trösten gekommen waren: „Aber der Geist ist es in den Leuten, und der Odem [die Inspiration] des Allmächtigen, der sie allmächtig macht.”

Offenbar waren diejenigen, die geistige Wahrheit niederschrieben, hierzu befähigt, weil sie von dem göttlichen Geist (Mind) geleitet wurden. Wir können die biblischen Erzählungen nur dann richtig auslegen, wenn wir von der selben unendlichen Intelligenz geleitet werden. Geistige Lehren kann man von einer materiellen Basis aus nicht verstehen; sie müssen geistig gedeutet werden, wenn man sich ihre praktische Bedeutung und Anwendung zunutze machen will. Das Bestreben, geistige Lehren mit materiellen Annahmen in Einklang zu bringen, hat diese Lehren ihrer Wirksamkeit beraubt, sofern nämlich ihre Anwendung auf das gegenwärtige menschliche Leben in Betracht kommt.

Petrus erklärte: „Die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist.” Diese Männer waren darum heilig, weil sie einen verwirklichenden Sinn von Gottes Gegenwart und Macht hatten, und weil es ihnen Freude machte, im Gehorsam gegen Sein Gesetz zu leben. Für sie war der Gottesbegriff nicht ein unbestimmtes, außer dem Bereich menschlicher Erkenntnis liegendes Etwas. Sie wußten, auf wen sie ihren Glauben gesetzt hatten und besaßen die Gewißheit, daß die unsichtbaren Dinge wirklicher und beständiger sind, als diejenigen, die von den Sinnen wahrgenommen werden. In „Science and Health“ (S. 308) lesen wir: „Die von Seele inspirierten Patriarchen vernahmen die Stimme der Wahrheit und sprachen mit Gott ebenso bewußt, wie der Mensch zum Menschen spricht.” Die inspirierten Verfasser hatten den wahren Begriff von Gott und schrieben von diesem Gesichtspunkt aus über die Dinge, die auf das gegenwärtige wie auf das zukünftige Wohl der Menschheit Bezug haben. Ein demonstrierbares Verständnis der inspirierten Schriften erlangt der Leser nur dann, wenn er den geistigen Zustand des Verfassers bis zu einem gewissen Grade zu erreichen vermag. Selbst wenn die inspirierten Verfasser in verschiedenen Jahrhunderten gelebt haben, müssen ihre Schriften notwendigerweise miteinander übereinstimmen, weil Wahrheit unendlich und ewig ist. In den Schriften aller derer, die geredet haben „getrieben von dem heiligen Geist”, muß eine fundamentale Einheit und Harmonie herrschen, und die selbe Einheit und Harmonie wird sich auch stets bei denen finden, die die biblischen Erzählungen hinreichend verstehen, um den Werktätigen Beweis liefern zu können, daß sie richtig gelesen haben und zu richtigen Schlüssen gekommen sind.

„Science and Health“ ist mit Recht ein Schlüssel zur Heiligen Schrift genannt worden. Die Schüler der Christian Science haben aus Erfahrung gelernt, daß dieses Buch sie befähigt, den tiefen geistigen Sinn der Heiligen Schrift genügend zu erfassen, um deren Lehren bei der Heilung von Krankheit und Überwindung von Sünde praktisch anwenden zu können. Sie vermögen die Bibel besser zu verstehen, weil ihnen „Science and Health“ zu einem höheren und daher geistigeren Begriff von Gott verholfen hat. Während sie geneigt waren, die Worte derer, die über Geist, Gott, und geistige Dinge schrieben, vom materiellen Standpunkt aus zu deuten, sehen sie nunmehr, daß „der natürliche Mensch [d. h. das materielle Bewußtsein] vernimmt nichts vom Geist Gottes; ... denn es muß geistlich gerichtet [erkannt] sein.” Nur der geistige Sinn kann geistige Dinge erfassen und die Menschheit von der Knechtschaft materieller Annahmen befreien.

Niemand ist mehr mißverstanden worden als der große Meister, keines Menschen Lehre ist so falsch gedeutet und dargelegt worden wie die seine. Das Volk war so materiell gesinnt, und vielen genügte die Beobachtung des Buchstabens des Gesetzes so vollständig, daß sie für seinen Standpunkt kein Verständnis hatten. Selbst seine einfachsten Erklärungen wurden verkehrt und als Beweismittel gegen ihn gebraucht. Er wurde beschuldigt, im Bunde mit dem Bösen zu stehen und seine Werke durch Beelzebub zu vollbringen. Er war der Ausleger der göttlichen Liebe und Macht; diejenigen aber, zu denen er kam, wollten ihn nicht aufnehmen. Ungeachtet dieser schlechten Aufnahme fuhr er fort, die ewigen Wahrheiten des Seins zu lehren, wobei er meist in Gleichnissen sprach. Wenn er Leute fand, die bereit waren ihn aufzunehmen und die seinen Lehren Verständnis entgegenbrachten, sprach er frei zu ihnen von den Dingen Gottes. Von Anfang bis zu Ende seines öffentlichen Amtes lehrte er die Leute ohne Unterlaß an der Hand seiner Werke. Er heilte die Kranken, trieb die Teufel aus und erweckte sogar die Toten. Diese Werke waren die praktischen Resultate seiner Lehren. Als einst selbst seine Jünger seinen Darlegungen nicht zu folgen vermochten, sprach er: „Glaubet mir, daß Ich im Vater, und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubet mir doch um der Werke willen.” Durch seine Werke hoffte er dem Volk seinen Standpunkt begreiflich zu machen und sie zum Verständnis seiner Lehren zu führen. Diejenigen, die seine Werke nicht als Demonstration der Liebe und Kraft Gottes ansahen, waren auch nicht gewillt, seine Lehre anzunehmen, nicht gewillt anzuerkennen, daß das prophetische Wort in ihm erfüllt war.

Die Christian Science heilt Krankheit, überwindet Sünde und befreit die Menschheit von allen Formen des Übels. Ihre Lehren werden jedoch selbst von denen nicht immer verstanden, die den Segen der in ihrem Namen vollbrachten guten Werke an sich erfahren haben. Über Stellungnahme und Ziele der Entdeckerin und Begründerin der Christian Science hat so manche irrige Ansicht geherrscht, weil man im allgemeinen ihren Standpunkt nicht begreifen konnte. Sie wurde falsch beurteilt und verkannt, und doch gab sie Gott in allen Dingen die Ehre. Die Frage über die Entstehung ihrer Lehre beantwortete sie stets im Geiste des Meisters, der da sprach: „Die Worte, die Ich zu euch rede, die rede ich nicht aus mir selbst.” Es war ihre Überzeugung, daß die Christian Science um ihrer Werke willen angenommen werden würde, und sie ermahnte stets ihre Schüler beim Demonstrieren des Gelernten Treue zu beweisen. Die Wirksamkeit der Wahrheit gibt den Menschen einen neuen Gesichtspunkt, und sie sangen dann an zu verstehen, daß Gott in jeder Not des Menschen Helfer ist.

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