Die schlimmen Folgen lediglich verneinender Arbeit haben selbst die besten Scientisten an sich erfahren; hauptsächlich sind es aber die Anfänger im Studium der Christian Science, die durch solche Erfahrungen verwirrt werden. In ihrem Kampf mit dem Übel begehen sie leicht den Fehler, das Hauptgewicht auf das Verneinen des Irrtums zu legen, wodurch ihre Behauptungen der Wahrheit an Wirksamkeit verlieren. Wenn man den Blick stets voller Angst auf den verwirrenden Irrtum heftet, wird er sich scheinbar berghoch in der eigenen Erfahrung auftürmen und den Blick für das Wirkliche vollkommen zu verdunkeln drohen.
Durch die Fehlschläge und Leiden, die einen beträchtlichen Teil der Erfahrung vieler Sterblicher ausmachen, ehe sie mit der Lehre der Christian Science bekannt werden, ist die Anschauung von einem liebenden Vater bis auf den Verschwindungspunkt gebracht worden. Gerade hier setzt nun die Arbeit des Scientisten ein, indem er dasjenige, was entfernt zu sein schien, in wahrnehmbare Nähe zu rücken sucht, damit der Glaube an das Übel, der sich durch seine peinliche Nähe bemerkbar machte, weggedrängt werde. Es tut ihm vor allen Dingen not, über Gottes Liebe, über die göttliche Harmonie und den Gottesfrieden nachzudenken. Auf Seite 260 von „Science and Health“ gibt Mrs. Eddy dem Gedanken Ausdruck, daß, wenn wir uns den Judas zum Vorbild nehmen, wir die Züge des Christus nicht wiedergeben können. Ist unser Denken auf einen schmerzhaften Zustand gerichtet, so können wir nicht Harmonie zum Ausdruck bringen, mögen wir dies auch mit Aufbietung aller Kräfte noch so lange versuchen. Wenn wir auch noch so nachdrücklich oder ungestüm behaupten: „Zweimal zwei ist nicht fünf”, so ist das keine Gewähr dafür, daß wir das richtige Ergebnis kennen. Wir denken möglicherweise, zweimal zwei sei sechs. Viel wird hingegen durch eine klare, vernunftgemäße Behauptung der Wahrheit erreicht. In Fällen, wo uns etwas entgegentritt, was dem Wesen der göttlichen Liebe nicht entspricht, erscheint dieses Etwas nur zu wirklich. Gottes Allheit scheint uns in solchen Augenblicken gar nicht wirklich zu sein. Bedeutsam ist nach diesen Betrachtungen der folgende Ausspruch unserer Führerin: „Bist du mit dem Rüstzeug der Liebe angetan, so kann dir menschlicher Haß nichts anhaben” („Science and Health“, S. 571).
Hier muß die Verfasserin daran denken, wie sie einstmals nicht festzustellen vermochte, ob der Zug, in dem sie sich befand, oder derjenige auf dem Nebengeleise in Bewegung war, und wie sie darüber im Zweifel verblieb, solange sie die verwirrende Erscheinung betrachtete. Erst nachdem sie ihren Blick auf einen Gegenstand richtete, dessen Fortbewegung, wie ihr der Verstand sagte, ausgeschlossen war, wurde ihr die Sachlage klar. So müssen auch wir uns von den verwirrenden Erscheinungen des sterblichen Lebens abwenden und unser Denken auf den richten, der „gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit” ist — auf die unwandelbare Liebe Gottes.
Wir vergessen nur zu oft den „unausforschlichen Reichtum”, der sich auf unsere Bitten öffnet, und verbringen statt dessen viel Zeit mit der Betrachtung des Irrtums, fürchten ihn, personifizieren ihn, beglückwünschen uns womöglich, daß wir ihn entdeckt haben, führen Stöße gegen ihn aus — im mentalen Sinne — und verlieren mit jedem Schritt an Mut und Kraft. Der außerordentlich wichtige Punkt, der den Glauben des Scientisten von demjenigen aller anderen unterscheidet, ist sein Vertrauen zur Wahrheit. Je mehr die Wahrheit sein Bewußtsein erfüllt, desto größer wird sein Erfolg beim werktätigen Beweisen sein. Welcher Mensch, der positiv weiß, daß zweimal zwei vier ist, wird sich darum kümmern, was zweimal zwei nicht ist? Unsere Führerin sagt: Wer die wahre Idee des Guten hat, verliert allen Sinn für das Übel. (Siehe „Science and Health“, S. 325.) Die Christian Science ist wunderbar einfach, wenn sich einem das Verständnis derselben erschlossen hat. Findet ein langer und entmutigender Kampf statt, so liegt der Grund vielleicht darin, daß der Leidende zu viel mit Verneinungen arbeitet; daß er nur den Irrtum sieht, aber nicht die Wahrheit. Christus Jesus sprach: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig ... seid, Ich will euch erquicken.” Wenn wir in der rechten Weise arbeiten, wird Gott „über alles, das wir bitten oder verstehen” für uns tun. Deshalb sagte Jesus: „Der Vater aber, der in mir wohnet, derselbige tut die Werke.”
Wenn ich hasse, so nehme ich mir etwas; wenn ich liebe, so werde ich um das reicher, was ich liebe.
