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„Mit welcherlei Maß ihr messet”

Aus der April 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn wir in dem fünften Buch Mose unter den Dingen, die als ein Ärgernis vor dem Herrn gebrandmarkt werden, auch einen besonderen Hinweis auf eine auch in unseren Tagen leider nur zu häufig beobachtete Unsitte finden, so gilt das eben nur als ein weiterer Beweis dafür, daß es im Bereich der menschlichen Selbstsucht nicht viel neues unter der Sonne gibt. Das Unrecht, auf das Bezug genommen wurde, war ein unwürdiges, unehrliches Verfahren in geschäftlichen Dingen, und die Worte des darauf bezüglichen Gesetzes der Wahrheit lauten: „Du sollst nicht zweierlei Gewicht in deinem Sack ... haben; und in deinem Hause soll nicht zweierlei Scheffel, groß und klein, sein. Denn wer solches tut, der ist dem Herrn ... ein Greuel”.

Dem Buchstaben dieses Erfordernisses haben die meisten von uns wohl nicht zuwidergehandelt. Wenn wir aber an andere eine sittliche Forderung stellen oder von ihnen eine Charakterstärke erwarten, die wir selbst nicht täglich zu erringen bestrebt gewesen sind; wenn wir bei der Beurteilung eines Mitmenschen, durch Vorurteil verleitet, es an der gerechten Erwägung aller in Betracht kommenden Umstände fehlen lassen und über ihn eine Ansicht äußern, zu der wir von einem ungerechten Standpunkt aus gelangt sind; wenn wir einen zu einer bestimmten Klasse oder Rasse gehörigen Menschen verurteilen, ohne über seine eigene Verdienstlichkeit oder seinen Unwert das geringste zu wissen, so sind wir in jedem einzelnen Fall der selben alten Sünde schuldig. Anstatt mit dem einen wahren Maß der in der goldenen Regel ausgedrückten Gerechtigkeit zu messen, bedienen wir uns für unser Denken und Handeln eines durch persönliche Gefühle bedingten Maßes. Dies ist das große soziale und volkswirtschaftliche Unrecht in der Geschichte des Christentums, die unbrüderliche Haltung, die Gleichgültigkeit den Rechten der Mehrheit gegenüber. Die klarere Erkenntnis dieses Übels gibt der gegenwärtig überall ertönenden Forderung nach freiem Spiel für jedermann ihre Macht. Wenn handgreifliche Ungerechtigkeit zum Verlust von Menschenleben geführt hat, sagt jeder: „Die armen Menschen”! Wie leicht verfallen wir aber in den Fehler, solange diese Menschen unter uns weilen, uns eigennützig gegen sie zu zeigen oder eine aus dem Munde anderer stammende unfreundliche Äußerung gedankenlos nachzusprechen. Wir wissen zwar, daß sie nicht einmal halbwegs freies Spiel gehabt haben, lassen es aber bei dieser Erkenntnis bewenden.

„Mit welcherlei Maß ihr messet”. Diese Worte stehen über der Eingangspforte jenes Gerichtshauses, an dem niemand vorübergehen kann. Sie gemahnen uns daran, daß das eigene Interesse, wenn es rechter Art ist, mit Gerechtigkeit, d. h. mit den Interessen des Guten, niemals im Widerspruch steht. Die Erleuchtung, welche uns durch die Christian Science zuteil wird, läßt uns diese Tatsache recht deutlich erkennen. Der Irrtum ist listig und will uns blenden. Er bewegt sich hauptsächlich auf dem Gebiete des Persönlichen, tritt für konventionelles Wesen und für Standesexklusivität ein, und möchte uns am liebsten des Meisters Warnung vergessen machen: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.” Wenn es nach ihm ginge, müßten wir in unseren Annehmlichkeiten und Gelegenheiten schwelgen, unbekümmert um das Ringen und Kämpfen von Millionen von Menschen; mit einem Worte, wir müßten den Geist des Meisters von neuem ans Kreuz schlagen. Die Christian Science stellt von vornherein die Forderung, daß alles Irren und Straucheln, jeder Fehler, gleichviel ob er beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist, in unserem Denken von der Persönlichkeit getrennt werde, und daß wir allen Menschen gegenüber ein aufrichtiges und verständnisvoll-barmherziges Wesen, ein Gefühl der Liebe zum Ausdruck bringen, das uns dazu führen möge, in all unseren Beziehungen zu ihnen ein gerechtes Maß anzulegen. Wenn wir uns der Tatsache bewußt werden, daß wir alle dem Angriff eines gemeinsamen Feindes ausgesetzt sind, so werden wir für die scheinbar schlimmere Leibeigenschaft manch anderer Menschen ein mitfühlendes Herz haben. Wir werden sehen, wie nie zuvor, daß nur derjenige wirklich fähig ist zu richten, der zu heilen vermag.

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