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Treu im Kleinen

Aus der März 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


So manchen Anhängern der Christlichen Wissenschaft ist es aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die Gottesdienste zu besuchen, die für viele eine solche Quelle der Erbauung und Ermutigung bedeuten. Oft, wenn auch vielleicht unbewußt, schleicht sich ein dem Zweifel oder der Undankbarkeit verwandtes Gefühl des Beschränktseins und des Mitleids mit sich selbst ein. Hierzu gesellt sich wohl auch die Neigung, das Entbehren der Gottesdienste als etwas Unvermeidliches anzusehen, was ein teilnahmsloses und gleichgültiges Verhalten zur Folge hat. Die Empfindung, daß einem der Gegenstand des Wunsches vorenthalten wird, verhindert oft die Würdigung und Anwendung des Vorhandenen. Wenn auch die Unmöglichkeit, die Gottesdienste zu besuchen, als ein Mangel empfunden wird, so ist die eben erwähnte Teilnahmlosigkeit doch noch beklagenswerter. Vor dieser Neigung in uns und andern wollen wir daher auf der Hut sein.

In der Christlichen Wissenschaft lernen wir erkennen, daß uns durch ein übereiltes Verlassen der Umgebung, wo uns die Wahrheit gefunden hat, nicht geholfen wird, mögen die Verhältnisse in dieser Umgebung anscheinend noch so schwierig sein. Ferner wird es uns klar, daß ein großer Unterschied besteht zwischen geduldigem und liebevollem Sichherausarbeiten aus unvollkommenen Zuständen, und widerstandslosem Sichunterwerfen unter dieselben. Wer sich widerwärtigen Umständen willenlos fügt, legt damit noch nicht Demut und Bescheidenheit an den Tag, sondern oftmals nur einen Hang zur Gleichgültigkeit. Wahre Demut und Bescheidenheit kommt dadurch zum Ausdruck, daß man sein Kreuz auf sich nimmt und sich schrittweise und geduldig aus mißlichen Verhältnissen herausarbeitet. Geduldig sein bedeutet nicht ein untätiges Warten, bis ein gewünschtes Ziel erreicht ist, sondern eine geduldige, dem Ziele stetig zustrebende Tätigkeit. Durch treue und geduldige Arbeit und durch das Vollbringen guter Werke erlangen wir den geistigen Sinn, der Heilung sowie freiere und glücklichere Zustände herbeiführt.

Viele Wissenschafter haben ihren Wohnsitz auf dem Lande oder in kleinen Ortschaften, wo keine Gottesdienste stattfinden. Manchen von ihnen ist Befreiung von körperlichen Leiden noch nicht zuteil worden. Diesem oder jenem steht das schroffe, feindselige Verhalten seiner Angehörigen scheinbar im Wege. Um nun diesen Zuständen in der besten Weise abzuhelfen, sollte man alle nur denkbaren Mittel, die uns unsre Kirche bietet, in Anspruch nehmen können. Gerade diejenigen aber, die der fördernden und heilsamen Wirkung der Gottesdienste am meisten zu bedürfen scheinen, müssen dieselben oft entbehren. In der dunkelsten Stunde jedoch, wenn die Bedrängnis ihren Höhepunkt erreicht hat, können wir einen Lichtschimmer sehen, der uns in ruhige und sichere Bahnen leitet, „denn die göttliche Liebe gibt der ganzen Menschheit und zu jeder Zeit alles Gute” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 494).

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