Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Die Christliche Wissenschaft als Erklärung des Ideal-Menschen

Aus der Juni 1914-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


In vergangenen Jahren war sehr viel die Rede von dem vermeintlich unversöhnbaren Widerstreit zwischen Wissenschaft und Religion. Heutigestags nun hört man weit weniger über diesen Gegenstand, und zwar deshalb, weil die Menschen anfangen einzusehen, daß Religion genau, beweisbar und wissenschaftlich sein muß, um praktischen Wert zu haben. Ferner nähert sich die öffentliche Meinung immer mehr der Erkenntnis, daß Wissenschaft, um diesen Namen zu verdienen, sich nicht mit der Untersuchung und Aufzeichnung von Wirkungen zufriedengeben darf, sondern auch das Wesen des Urgrundes erklären muß; daß nicht bloß die Phänomene in Betracht zu ziehen sind, sondern auch das Noumenon.

Die Christliche Wissenschaft besiegelt schon durch ihren Namen die Vereinigung von Wissenschaft und Religion in bereit geistigen Bedeutung. Sie lehrt die Welt, daß diese scheinbar entgegengesetzten Geistesrichtungen in Wirklichkeit dasselbe Ziel haben, dieselbe Wahrheit feststellen — die Wahrheit, von welcher Jesus zeugte und deren wissenschaftlichen Charakter er durch seine Werke bewies.

Sodann sprach man in früheren Jahren sehr viel van einem vermeintlichen Widerstreit zwischen dem Realismus und dem Idealismus, besonders in Hinsicht auf Wissenschaft und Literatur. Auch davon hören wir heute weniger, weil die Menschen immer mehr zu der Einsicht gelangen, daß der wahre Realismus in Wirklichkeit gleichbedeutend ist mit Idealismus, daß wir in einer Welt von Ideen leben, daß das göttliche Gemüt der Quell aller Kraft ist, und daß Materialität den Schatten und nicht die Substanz des Seins darstellt.

In unsrer Zeit macht sich immer mehr eine ideale Strömung fühlbar. Unter den vielen Anzeichen, die dies erkennen lassen, möchte ich nur auf eines hinweisen, und zwar aus dem Grunde, weil es etwas ist, was nicht der Zeit, der Veränderung oder der Mode unterworfen ist, etwas, was die Menschen zu allen Zeiten gehabt haben und dessen Vorhandensein ein jeder in der eignen Erfahrung feststellen kann.

Der Ideal-Mensch

Tief im Herzen eines jeden von uns wohnt ein Ideal. Dieses Ideal besteht in dem, was die Menschheit gerne sein möchte. Es ist der höchste menschliche Begriff von Hoheit, Lauterkeit, Anmut, Ehrlichkeit und Vollkommenheit. Manchmal sieht man dieses Ideal nur sehr undeutlich und kann es kaum in Worten ausdrücken. Zu andern Zeiten erscheint es einem so heilig, daß man nicht einmal zu seinen vertrautesten Freunden davon spricht. In Augenblicken aber des klarsten und tiefsten Denkens stellt sich dieses Ideal als das des vollkommenen Menschen dar, der Herr ist über widrige Zustände, der ein Anrecht hat auf Heiligkeit, Glück und Gesundheit, der Scharfsichtigkeit, Intelligenz, Fähigkeit zu wollen und zu handeln und Kraft zur Erfüllung aller seiner Pflichten bekundet; der bei der Verrichtung seiner Arbeit, welcher Art sie auch sei, Lust und Liebe an den Tag legt.

Dieses Ideal verläßt die Menschheit nie ganz und gar. Wenn wir gestrauchelt, gefallen und wieder aufgestanden sind, ist es uns zur Seite und bewillkommt uns. Wenn wir zeitweilig von Sünde, Krankheit und Kummer überwältigt sind, und die Wolken fangen dann an sich zu zerteilen, so tritt dieses Ideal wiederum in die Erscheinung, um uns auf dem Weg vom Sinn zur Seele zu inspirieren, zu ermutigen und zu erheitern. Es verhütet, daß wir dauernd unter den Einfluß von Entmutigung und Enttäuschung kommen; es bewahrt uns vor den Fallgruben des Zynismus, der sich mit den Jahren in unser Bewußtsein einzudrängen sucht. Dieses Ideal, welches wir im Herzen hegen, ist voller Kraft, Energie und Wachsamkeit. Es strahlt die Schönheit der Heiligkeit aus und ist mit Freudenöl gesalbt.

Wenn nun bewiesen werden könnte, daß dieser ideale Mensch kein leerer Traum ist, sondern daß er die Wirklichkeit des Seins darstellt, so wäre das gewiß eine frohe Kunde. Schon allein die Versicherung, daß eine Annäherung an dieses Ideal hier und jetzt möglich ist, wäre für die leidende Menschheit von unschätzbarem Wert. Tatsächlich besteht aber dieser Ideal-Mensch bereits im Bewußtsein als der von Gott geschaffene Mensch, der in Gott lebt, webt und ist, der Gott wiederspiegelt, der die Idee des göttlichen Gemüts, die Bekundung des Geistes, der Ausdruck des ewigen Lebens und der ewigen Liebe ist. Er hat stets bestanden und wird stets bestehen als das Christus-Ideal, welches der Meister so klar erfaßte und verstand, daß er mit Recht „Jesus, der Christ”, „Jesus, der Gesalbte”, der „Gottgekrönte” genannt worden ist.

Was ist nun das Wesen dieses Ideal-Menschen? Wo ist dieser Ideal-Mensch zu finden? In der Materie? Im Fleische? Wird er von den physischen Sinnen wahrgenommen? Auf diese Frage kann man nur mit nein antworten, denn die physischen Sinne zeugen nur von Unvollkommenheit, von zeitlichen und wandelbaren Zuständen, von einem scheinbar vergänglichen Menschen, der schon von der Geburt an dem Untergang geweiht ist. Der Ideal-Mensch ist den physischen Sinnen unbekannt; daher geben uns diese keine Auskunft über ihn. Nur das Zeugnis des Geistes kann den wahren, von Gott geschaffenen Menschen ans Licht bringen. Dein Augenschein des physischen Sinnes gemäß gibt es keine Erlösung von materiellem Unvermögen — keinen andern Ausweg, als hinauszusterben. Es ist ein hoffnungsloser Kampf mit den Elementen, mit den vermeintlichen Naturkräften, mit grausamen, verderbenbringenden Mächten. Der physische oder materielle Sinn kennt kein Zentral-Prinzip, kein ewiges Leben, keine unwandelbare Wahrheit, keine unerschöpfliche Liebe — nichts, wodurch das Übel vernichtet und die Menschheit erlöst werden könnte.

Wir sehen also, daß wir uns über den Schein der Dinge erheben müssen, um den Ideal-Menschen zu sehen — um das göttliche Gesetz zu finden, dessen Wirksamkeit den Schleier heben und die Wirklichkeit enthüllen muß. Erst dann erkennen wir, daß außerhalb des Bereichs der sinnlichen Wahrnehmung wahre Substanz besteht, die nicht materiell und vergänglich, sondern geistig und unvergänglich ist. Es ist die Substanz, von welcher Paulus schreibt: „Das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herz kommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben” (1. Korinther 2, 9).

Diesem Ausspruch gemäß kann das physische Hören und Sehen nicht offenbaren, was Gott dem darbietet, der wahre Erlösung sucht. Die physischen Sinne sind außerstande, dem Menschen über geistige Wahrheit, über die ewigen Tatsachen des Seins Auskunft zu geben; ebensowenig können sie das Problem der Armut und des Elends lösen. Paulus schreibt: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht siehet”; und an andrer Stelle: „Was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.” In diesem Reich des Unsichtbaren und Ewigen findet der Mensch sein wahres Sein und seine wahren Ideale. Von da her kommt der Erlöser, der in des Vaters Namen gesandt ist. Aus dieser Quelle allein quillt das heilende Wasser des göttlichen Erbarmens — ja aus Gott, der Geist, der Gemüt ist und nicht Materie.

Die Christus-Idee erscheint, um uns zu erlösen — um das falsche Zeugnis umzustoßen und das wahre zu befestigen. Befreiung von Kummer und Elend ist das große Bedürfnis der Menschheit; deshalb sucht sie Hilfe gegen Krankheit, Sünde und Tod; deshalb betet sie um Heiligkeit, Glück und Gesundheit.

Welcher Art sind nun die vorherrschenden Methoden, die angewandt werden, um diesem Bedürfnis abzuhelfen? Der vorurteilsfreie Beobachter muß zu der Überzeugung kommen, daß seit Anfang der Geschichte keine so ernsten Anstrengungen zur Besserung menschlicher Zustände gemacht worden sind, wie in heutiger Zeit. Wir leben im Zeitalter der Menschenfreundlichkeit. Man sieht in unsern Tagen nicht mehr gleichgültig zu, wenn dem Mitmenschen Unrecht geschieht, wenn er unterdrückt wird, wenn seine Gaben und Kräfte verkümmern, und wenn Mißerfolg und Mangel seine Genossen sind. Der Wunsch, üble Zustände zu bessern, in dem Chaos Ordnung zu schaffen, allen Menschen die Segnungen der Freiheit, des Glücks und des Wohlstandes zugänglich zu machen, beschäftigt die Gedanken der Menschen immer mehr und äußert sich auf mancherlei Art und Weise.

Die Erde ist mit Anstalten übersät, deren Zweck es ist, die Menschheit von den Banden des Übels zu befreien. Zahllose Kirchen machen es sich zur Aufgabe, der Menschheit zu zeigen, wie sie der Sünde entrinnen und ein höheres Maß des Glücks erlangen kann. Materielle Methoden aller Art werden ausprobiert, um den Krankheiten Einhalt zu tun und Gesundheit herzustellen. Man versucht die Gedanken der Menschen dadurch von Kummer und Sorgen abzulenken, daß man allerorten Vergnügungen und Belustigungen veranstaltet. Aber trotz alledem fleht die Menschheit immer noch um Hilfe und will sich nicht dauernd trösten lassen. Hat es nicht den Anschein, als ob die vorherrschenden Methoden unzureichend seien, um dem großen Bedürfnis abzuhelfen? Werden sie nicht zu leicht erfunden, wenn man sie dem menschlichen Elend gegenüber in die Wagschale legt?

Die Christliche Wissenschaft behauptet, daß, wenn das Christentum nach wissenschaftlicher Auslegung erfaßt wird, es alle berechtigten Wünsche der Menschheit befriedigt; daß es ihr eine völlige Erlösung darbietet, indem es die Sünder bekehrt, die Traurigen tröstet, die Kranken heilt, den Verzagten Mut einflößt, die Schwachen stärkt und allen Ruhe und Frieden bringt, die von dem Erzfeind der Menschheit, dem Hauptanstifter aller bösen Zustände, von der Furcht, beunruhigt und verfolgt werden.

Die Christliche Wissenschaft schiebt jedoch diese Hilfe nicht bis auf ein zukünftiges Dasein hinaus, sondern erklärt, daß sie uns jetzt zugänglich ist. Die Annahme, daß nur einige Auserwählte selig werden können, findet keine Unterstützung seitens der Christlichen Wissenschaft, denn diese lehrt, daß Erlösung allen Menschen offen steht und von allen erworben werden kann; daß einem jeden die Kraft und die Fähigkeit gegeben ist, seine eigne Seligkeit zu schaffen. Mit diesen Behauptungen verwirft die Christliche Wissenschaft nicht einen einzigen Grundsatz der christlichen Religion. Sie stützt sich auf das inspirierte Wort der Bibel, bekennt einen Gott, einen Christus, einen Tröster. Sie erklärt das Versöhnungswerk als des Menschen Einswerdung mit Gott, und führt dadurch zur Erlösung. Sie lehrt uns das Gebet des Glaubens, von welchem Jakobus sagt, es werde sowohl den Sünder erretten wie den Kranken helfen.

Wenn wir nun näher untersuchen, woher es kommt, daß die vielen Anstrengungen zur Herstellung von Heiligkeit, Glück und Gesundheit den gehegten Erwartungen nicht entsprechen, so gelangen wir zu dem Schluß, daß der Materialismus zum großen Teil daran Schuld ist. Einerseits wird die Kraft Gottes, die da erlöst und heilt, von der öffentlichen Meinung nicht durchweg anerkannt. Andrerseits herrscht vielfach die Ansicht, daß es bei der Ausübung dieser Kraft nach Gunst gehe. Durch die vorherrschenden Lehren über das Gebet, über den Himmel, über die als Wunder bezeichneten Taten ist die Menschheit irre gemacht worden. Die Christliche Wissenschaft bringt Ordnung in jede unwissenschaftliche Denkweise. Sie wirkt aufbauend statt zerstörend. Sie errichtet auf den einfachen Lehren des demütigen Nazareners einen Bau, dessen Teile genau ineinander gefügt sind und der in Zeiten des Sturms und Drangs unerschüttert dasteht. Hat er doch den Felsen der geistigen Erkenntnis zur Grundlage.

Ein kurzer Einblick in die vorherrschenden Methoden zur Befriedigung des dem Menschen angeborenen Sehnens nach Heiligkeit, Glück, Gesundheit und dem Himmel läßt uns die Ursache des Mangels an Erfolg erkennen.

Heiligkeit und Glück

In bezug auf das Wesen der Heiligkeit herrscht wohl mehr Einigkeit unter den Menschen, als in bezug auf das Wesen des Glücks, der Gesundheit und des Himmels. Heiligkeit wird ziemlich allgemein als ein geistiger Zustand angesehen, als ein Zustand des Bewußtseins, den man durch die Erkenntnis Gottes erlangt. Es dürfte wohl schwer halten, einen Menschen zu finden, der behauptet, Heiligkeit sei ein materieller oder physischer Zustand. Heiligkeit ist offenbar ihrem Wesen nach geistig und daher von geistigen Bedingungen abhängig. Ein jeder wird zugeben, daß Heiligkeit eine religiöse Erfahrung ist, daß geistige Gesinnung und Lauterkeit durch Religion gefördert und gepflegt werden.

Was nun das Wesen des Glücks betrifft, so sind sich die Menschen lange nicht so einig. Es wird nicht allgemein zugegeben, daß Glück wie Heiligkeit ein Zustand des Bewußtseins ist und durch die Erkenntnis Gottes erlangt wird. Viele Menschen denken sich das Glück als einen materiellen Zustand, der von materiellen Umständen und Verhältnissen abhängig ist und durch materielle Mittel herbeigeführt und erhalten wird. Man übertreibt wohl nicht, wenn man behauptet, daß die meisten Menschen das Glück durch Erwerbung und Anhäufung von Materie (materiellen Dingen) zu erlangen suchen. Für andre besteht das Glück in der Ausübung persönlicher Macht oder Gewalt über ihre Mitmenschen, für eine dritte Klasse in dem Ausdruck künstlicher Gefühle und Neigungen. Je mehr aber ein Mensch Materie anhäuft, desto weniger echte Befriedigung empfindet er; je mehr er den Einflüsterungen des fleischlichen oder sterblichen Gemüts Gehör schenkt, desto mehr Jammer und Elend erntet er; je mehr er auf seinen eignen Willen baut, seinen persönlichen Gelüsten folgt, desto gewisser verfehlt er das Ziel, nach dem er strebt. Solches lehrt uns sowohl die Erfahrung wie die Wissenschaft. Das Sichbewußtsein des wahren Glücks ist gänzlich getrennt von den Trugbildern selbstsüchtiger Freuden und sinnlicher Genüsse. Wer mit dem Öl der Freude gesalbt werden will, muß das Glück als einen Zustand des Bewußtseins erkennen, der auf geistiger Erkenntnis beruht und in Gott, dem Quell alles Guten, seinen Ursprung hat. Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, erklärt daher im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Glück ist geistig, aus Wahrheit und Liebe geboren” (S. 57).

Gesundheit

In bezug auf das Wesen und den Ursprung der Gesundheit gehen die Ansichten noch weiter auseinander. Es muß zugegeben werden, daß die meisten Menschen Gesundheit als einen ausschließlich materiellen Zustand betrachten. Sie glauben, ihre Gesundheit könne nur durch materielle Heilmittel erhalten werden. Der allgemeinen Anschauung nach stände also Gesundheit in einer ganz andern Rubrik als Heiligkeit und Glück und wäre nicht mit diesen verwandt. Auf der Annahme, daß Gesundheit durch materielle Mittel hergestellt und erhalten werden könne, haben sich eine große Zahl von Systemen aufgebaut, die Mittel und Wege zu finden suchen, um die Gesundheit des einzelnen und der Allgemeinheit zu erhalten.

Nun haben aber all diese materiellen Systeme einen Kennzug: sie nehmen samt und sonders an, man müsse genau über Krankheit unterrichtet sein, ehe man das Wesen der Gesundheit verstehen könne. Um Gesundheit herzustellen, sei es vor allem nötig, daß man sich eingehend mit ihrem angeblichen Gegensatz befasse — mit dem, was nicht Gesundheit ist, es nie sein wird und es nie sein kann, nämlich mit Krankheit. Es ist dies gerade so, als ob jemand, der Mathematiker werden will, zuerst die Fehler studieren würde, die bei der Anwendung der mathematischen Grundsätze gemacht werden können; mit andern Worten, gerade so, als ob er seine Zeit mit dem Studium dessen verbringen wollte, was nicht Mathematik ist, es nie sein wird und es nie sein kann. Niemand, der die Eigenschaften und Gesetze des Lichtes zu ergründen sucht, wird sich mit der Finsternis befassen, mit dem, was nicht Licht ist, es nie sein wird und es nie sein kann, mit dem, was die Verneinung oder Abwesenheit des Lichtes darstellt. Wer Musiker werden will, wird nicht mit dem Studium der Dissonanzen anfangen, noch wird einer. der lernen will, falsches Geld vom echten zu unterscheiden, sich hauptsächlich mit der Untersuchung von Fälschungen abgeben.

Man scheint im allgemeinen anzunehmen, daß Gesundheit in irgendeiner Weise zur Krankheit im Abhängigkeitsverhältnis stehe; daß Gesundheit ihre Existenzberechtigung von Krankheit erlangen müsse; daß Krankheit eine positive Tatsache, Gesundheit dagegen nur ein negativer Zustand sei. Nun könnte aber ein Mensch alles wissen, was es überhaupt über Krankheit zu wissen gibt, ohne im Besitz von Gesundheit zu sein oder die Fähigkeit zu haben, sie andern mitzuteilen. Die Christliche Wissenschaft beweist, daß Gesundheit etwas Wesentliches, ein Zustand des Bewußtseins, eine positive Tatsache ist. Wie Heiligkeit und Glück, so ist auch Gesundheit geistiger und mentaler Natur; wie jene, so muß auch sie durch die wahre Erkenntnis Gottes erlangt werden.

Wir wollen uns nun der Heiligen Schrift zuwenden, um den wahren christlichen und wissenschaftlichen Begriff von Gesundheit zu erlangen. Die Christliche Wissenschaft findet ihre Bestätigung in der Bibel. David erklärt in einem der Psalmen: „Herr, mein Gott, da ich schrie zu dir, machtest du mich gesund”; und an andrer stelle: „Er sandte sein Wort, und machte sie gesund und errettete sie, daß sie nicht starben.” Sodann spricht er von Gott als dem, „der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen.” Jesaja erklärt hinsichtlich des Ergebnisses der wahren Reue, die eine geistige oder mentale Umwandlung bedeutet: „Alsdann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Besserung wird schnell wachsen.” Ferner prophezeite er in bezug auf den Messias, welcher der Menschheit die Wahrheit über Gott und den Menschen offenbaren sollte: „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden, und der Tauben Ohren weiden geöffnet werden; alsdann werden die Lahmen lecken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen” (Jesaja 35, 5).

Im Neuen Testament finden wir, daß Jesus die Kranken durch geistige Mittel heilte, ohne Rücksicht auf materielle Methoden und materielle Mittel. Er erkannte Gott als den einzigen Quell der Gesundheit und verließ sich ganz auf Ihn. Er unterwies seine Jünger in dieser Erkenntnis und gebot ihnen nicht nur, das Evangelium zu predigen, sondern auch, die Kranken zu heilen. Die ersten Christen führten dieses natürliche und normale Heilverfahren weiter, bis etwa drei oder vier Jahrhunderte nach der Kreuzigung. Dann ging die christliche und wissenschaftliche Auffassung von Gesundheit nach und nach verloren und wurde erst wieder in unsrer Zeit von Mary Baker Eddy entdeckt.

Es ist bemerkenswert, daß Mrs. Eddy das Wort Gesundheit dem Titel des Lehrbuchs, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, einverleibte, in welchem Werk sie der Welt ihre Entdeckung der Christlichen Wissenschaft ankündigte. Von den vielen Stellen, in denen von Gesundheit die Rede ist, seien nur die folgenden angeführt: „Gesundheit ist nicht ein Zustand der Materie, sondern des Gemüts” (S. 120). „Die Basis aller Gesundheit, Sündlosigkeit und Unsterblichkeit ist die große Tatsache, daß Gott das einzige Gemüt ist” (S. 339). „Wenn man Gott verstehen würde, anstatt nur an Ihn zu glauben, würde dieses Verständnis Gesundheit herbeiführen” (S. 203).

Wenn also die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gesundheit ein mentaler oder geistiger Zustand ist, der durch die wahre Erkenntnis Gottes erlangt wird, so stimmt sie in diesem Punkt, wie überhaupt in allen andern Punkten, mit der Heiligen Schrift überein. Der Weg zur Gesundheit ist nicht materiell sondern geistig. Bei der Erlangung und Erhaltung von Gesundheit sollte nicht die Physik, sondern die göttliche Metaphysik in Betracht kommen. Die wahre Heilmethode ist nicht heidnisch, sondern christlich, sie stützt sich nicht auf Zufall oder auf Experimente, sondern kann in wissenschaftlicher Weise demonstriert werden.

Was ist Gott?

Die Frage, was das Wesen und der Ursprung von Heiligkeit, Glück und Gesundheit sei, führt notwendigerweise zu der weiteren Frage: Was ist Gott? Nur die Antwort hierauf kann die geistige Erkenntnis verleihen, die den Kranken und den Sünder errettet und den Weg zur Heiligkeit, zum Glück und zur Gesundheit bahnt.

Gleich zu Anfang unsres Forschens hinsichtlich des Wesens Gottes stoßen wir auf eine Schwierigkeit, die schon viele Menschen davon abgehalten hat, eine höhere Erkenntnis von Gott zu erlangen. Es herrschte nämlich im allgemeinen die Ansicht, Gott sei ein geheimnisvolles Wesen; Materie sei Substanz, Geist hingegen Schatten. Man glaubte, der Mensch dürfe wohl nach Herzenslust physische Erscheinungen beobachten und Behauptungen über sie aufstellen, sei aber nicht imstande, die grundlegende Ursache zu erkennen; er könne wohl die von Gesetzen ausgehenden Wirkungen feststellen, vermöge aber nicht, eine genaue Kenntnis von dem gesetzmäßig wirkenden Prinzip zu erlangen. Daher waren viele der Meinung, Religion sei phantastisch und problematisch, sie habe wenig praktischen Wert und sei größtenteils Sache des blinden Glaubens und des Empfindens.

Ohne Zweifel haben falsche Vorstellungen von Gott die Menschheit beunruhigt und gequält und sind Ursache von Sünde, Krankheit und Tod gewesen. Dadurch, daß die Christliche Wissenschaft diese falschen Vorstellungen wegnimmt, leistet sie der Menschheit einen unschätzbaren Dienst.

Um nun das Wesen Gottes näher zu bestimmen, gebraucht Mrs. Eddy die Bezeichnungen Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit, Liebe. Es sei beiläufig bemerkt, daß das Wort Gemüt hier eine ähnliche Bedeutung hat wie Geist, und frei ist von dem Nebenbegriff der Sentimentaliät oder Gefühlsseligkeit. Mrs. Eddy legt ganz besonders Gewicht auf die Einheit Gottes. Gott ist ein einiger Gott. Es gibt nicht viele Götter. Man kann sich unmöglich mehr als einen ersten Grund, mehr als eine anfängliche Ursache denken. Die augenscheinliche Einheit und Gleichartigkeit der Dinge im Weltall, der Lauf der Sterne auf ihrer Bahn — dies alles läßt einen einheitlichen Plan, eine leitende Hand, ein regierendes Prinzip erkennen. Gottes Weltall ist unendlich. Daraus folgt, daß außerhalb Seines Weltalls nichts besteht; daß alles, was Dasein und Wirklichkeit hat, in diesem Weltall einbegriffen und der göttlichen Leitung unterworfen ist. Aus der Einheit Gottes ergibt sich die Brüderschaft der Menschen. Wenn alle Menschen einen Gott haben, sind sie die Kinder eines Vater-Mutter-Gottes, und dadurch ist die Brüderschaft hergestellt.

Es ist nicht schwer zu ersehen, daß der Glaube an viele Götter aller Uneinigkeit zwischen Menschen und Völkern zugrunde liegt. Wenn jede Konfession, Nation oder soziale Richtung ihren eignen Gott hat, dann ist es auch die Pflicht einer jeden, für ihren besonderen Gott zu kämpfen; und natürlicherweise herrscht dann Pandämonium. Wenn aber nur ein Gott das Weltall, einschließlich des Menschen, lenkt und leitet, dann ist Gehorsam gegen diesen einen Gott eine sichere Gewähr für Frieden, Eintracht und gegenseitige Hilfsbereitschaft unter Menschen und Nationen. Die Wissenschaft, welche dem Menschen die Erkenntnis des einen Gottes bringt, bietet ihm daher das endgültige Mittel gegen alle religiösen, sozialen und politischen Wettkämpfe und Streitigkeiten.

Gott ist Prinzip

Die schulmäßige Theologie hat im allgemeinen dem höchsten Wesen die Bezeichnung Person beigelegt, wodurch die Vorstellung von Gott als einem anthropomorphischen oder menschenähnlichen Wesen begünstigt wurde. Das Wort Person gibt uns leicht den Eindruck von einem Wesen, dem menschliche Eigenschaften anhaften, das menschlich beschränkt ist und eine Form hat. Es ist klar, daß die Neigung, sich Gott als eine Form oder Gestalt zu denken, zur Abgötterei führt.

Sodann kann eine Person heute gute Laune und morgen schlechte Laune bekunden. Eine Person kann unter dem Einfluß von zeitweiligen Umständen stehen, nach Gunst handeln, oder parteilich sein. Der Begriff Prinzip ist frei von diesen Einwendungen. Gott als Prinzip gedacht ist zu allen Zeiten und unter allen Umständen vollkommen zuverlässig. Es liegt ganz und gar im Wesen des Prinzips, stets tätig zu sein, gesetzmäßig zu wirken und sich nicht von persönlichen Rücksichten beeinflussen zu lassen. Wir sehen also, daß der Begriff Prinzip, in seiner Anwendung auf Gott, den Glauben an Gott stärkt und das Vertrauen auf Seine Unparteilichkeit, Gerechtigkeit und Macht befestigt.

Gott ist Geist

Jeder Schritt in der Richtung der wahren Erkenntnis Gottes bringt seinen Lohn mit sich. Wer über die verschiedenen Synonyme für Gott ernstlich nachdenkt, kommt zu praktischen Folgerungen, die er sofort im täglichen Leben in Anwendung bringen kann. Das Wort Geist, auf Gott angewandt, offenbart die wahre Natur des Menschen, denn die Heilige Schrift sagt, daß Gott den Menschen zu Seinem Bilde geschaffen hat; und wenn Gott Geist ist, wie Jesus dem samaritischen Weib erklärte, so muß der Mensch geistig sein, nimmt also an dem Wesen Gottes teil. Dieser Begriff vom Menschen ist im Widerspruch zu der Lehre der schulmäßigen Theologie, daß der Mensch ein erbärmlicher Sünder sei, wie auch mit der Lehre der Physik, daß er einen materiellen Mechanismus darstelle.

Das Werk der Erlösung und Heilung, welches der Gründer der christlichen Religion betrieb, beruhte auf geistigem Verständnis, nicht auf dem Zeugnis der Sinne. Die Theologie, die Medizin und die Wissenschaft Jesu waren eins. Seine Kenntnis von Gott und von dem Menschen bildete seine ganze Gelehrsamkeit und machte ihn zum weisesten und wissenschaftlichsten Menschen aller Zeiten. Er hatte nicht eine Art der Weisheit nötig, um den Sünder zu bekehren, und eine andre Art, um die Kranken zu heilen, und eine dritte Art, um auf dem Wasser zu gehen und den Sturm zu stillen. Seine Kenntnis von dem Wesen Gottes machte ihn zum Herrn über Sünde, Krankheit und Tod. Sie gab ihm Gewalt über das materielle Gesetz, so daß er zu dem Gichtbrüchigen nicht nur sagen konnte: „Deine Sünden sind dir vergeben”, sondern auch: „Stehe auf, nimm dein Bette und wandele”— und zu dem Sturm: „Schweig, und verstumme!”

Gott ist Liebe

Die Erklärung des Apostels Johannes, daß Gott Liebe ist, führt uns zu der Erkenntnis, daß das Übel nicht von Gott kommt. Die Liebe kann unmöglich der Urheber und Sender des Übels sein. Diese trostreiche Folgerung verweist das Übel dahin, wo es hingehört, nämlich jenseits des unendlichen Reichs eines vollkommenen Gottes, in die äußerste Raumlosigkeit der Nichtexistenz. Wenn das Übel von Gott kommt, so kann man es nicht zerstören. Wenn es in Wirklichkeit besteht, so muß es von ewiger Dauer sein. Ist es aber eine falsche Auffassung von der Wahrheit oder eine Täuschung in bezug auf dieselbe, dann kann es vernichtet werden, damit die Wahrheit geoffenbart werde. Jesus sagte in bezug auf das als Teufel personifizierte Übel: „Er ist ein Lügner und ein Vater derselbigen.” Die Christliche Wissenschaft schließt sich dieser Lehre an, indem sie erklärt, daß das Übel seinem wahren Wesen nach eine Täuschung ist, auf keinem Gesetz beruht und keinen Ursprung hat.

Was ist Materie?

Wenn wir nun zur Betrachtung des Wesens der Materie übergehen, so tritt von vornherein die Frage an uns heran: Ist die Materie von Gott geschaffen? Kann Gott, der Geist, Gemüt, Seele ist, der Schöpfer dessen sein, was Ihm ganz und gar ungleich ist? Hier ist nun darauf zu achten, daß es den Gelehrten von jeher schwer geworden ist, die Materie näher zu bestimmen. Am besten gelang es ihnen vom geistigen Standpunkte aus, d. h. durch eine metaphysische statt eine physische Auslegung. Die sogenannte Atom-Theorie hat längere Zeit geherrscht, verliert aber immer mehr an Ansehen. Sie erklärt, die Materie könne letzten Endes in so kleine Teilchen zerlegt werden, daß eine weitere Zerlegung nicht mehr möglich sei. Diese Teilchen werden Atome genannt, können aber nicht von den materiellen Sinnen wahrgenommen werden, auf deren Zeugnis sie sich doch mit ihrem Anspruch auf Existenz stützen. Man kann sie sich nur vorstellen oder denken.

Hier entsteht nun eine metaphysische Schwierigkeit, die noch niemand gelöst hat. Der menschliche Geist kann sich das Atom nicht als unteilbar denken, solange es noch etwas Wirkliches ist. Er folgert, daß, wenn ein Atom etwas Wirkliches ist, es weiter zerlegt werden kann; daß es aufhört etwas Wirkliches zu sein, wenn seine Teilbarkeit aufhört. Diese Folgerung des menschlichen Geistes führt nun zu einer Zwangslage: Entweder muß man annehmen, die Materie könne ad infinitum zerlegt werden, was durchaus sinnwidrig wäre, oder man muß die Materie bis auf den Punkt des Verschwindens reduzieren.

In unsrer Zeit hat die Annahme, daß Materie unvernichtbare Substanz sei, bedeutende Veränderungen erfahren. Man denkt sich jetzt die Atome nicht mehr als substanziell, sondern bestimmt sie als Kraftzentren oder Ausgangspunkte von Bewegung. Je weiter man das Atom verfolgt, desto mehr verflüchtigt es sich, bis nichts mehr übrig bleibt als ein Gedankending. Da sich nun die Materie als eine bloße Annahme erweist, so liegt es auf der Hand, daß ihrer scheinbar schädlichen Wirksamkeit durch geistige Erkenntnis, durch Christus, die Wahrheit, Einhalt getan werden kann. Wenn die Materie keine unabhängige Wesenheit ist, die dem Menschen Bedingungen zu stellen vermag, und wenn sie durch die Christliche Wissenschaft beherrscht wird, dann ist die Furcht grundlos, daß die Materie eine unbesiegbare Macht sei, die den Menschen unwiderstehlich dem Verderben entgegenführt. Durch die Forschungen der Physiker selbst kommt die öffentliche Meinung immer mehr dahin, wo sie der Folgerung beistimmen wird, die Mrs. Eddy bereits vor vielen Jahren machte und die im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft zu finden ist, nämlich: „Die Materie ist ein Irrtum in der Behauptung” (Wissenschaft und Gesundheit. S. 277).

Man muß sich ferner darüber klar werden, daß Gott das Weltall, einschließlich des Menschen, gesetzmäßig regiert. Es gibt in Seinem Reich keinen Zufall, keine besondere Vermittelung, kein Gönnertum, keine Parteilichkeit, sondern nur das unabänderliche Gesetz. Gottes Gesetz nimmt naturgemäß teil an Seinem Wesen und ist daher vollkommen und rein geistig oder mental. Das Gesetz Gottes kann nichts Böses bewirken; es ist nicht physisch oder materiell; es läuft nicht auf Sünde, Krankheit und Tod hinaus; es liegt keinen Naturereignissen zugrunde, welche hilflose Kinder und Erwachsene verstümmeln und vernichten. Das Gesetz der Vernichtung ist das Gesetz des sterblichen Gemüts, des Eigenwillens, der Sterblichkeit und des persönlichen Sinnes. Es wird durch das Gesetz Gottes wirkungslos gemacht.

Die Wunder

Wenn wir nun die in der Heiligen Schrift aufgezeichneten Taten in Betracht ziehen, die im allgemeinen Wunder genannt werden, so erheben sich folgende Fragen: Sind diese Wunder natürliche, normale und gesetzmäßige Kraftäußerungen, oder sind sie unnatürlich, abnorm und gesetzwidrig? Stellen sie eine Gesetzesübertretung dar, oder lassen sie ein gesetzmäßiges Vorgehen erkennen? Sind sie Bekundungen eines besonderen Eingreifens der Vorsehung, Verleihungen besonderer Vorrechte? Gehören sie zu den Ausnahmen und sind sie auf besondere Zeiten und Orte beschränkt, oder kann man sie als Wirkung des bestimmten und ewigen Gesetzes Gottes unter allen Menschen, an allen Orten und zu allen Zeiten erwarten?

Wenn in unsern Tagen von den großen Taten Jesu die Rede ist, so sind viele dazu geneigt, entweder die Glaubwürdigkeit der biblischen Aufzeichnungen in Frage zu stellen, oder diese Taten als Ausnahmen anzusehen — als Ergebnisse einer besonderen Macht, die nur der große Meister empfangen habe.

In Erwiderung auf solche Ansichten sei zuvörderst bemerkt, daß diese Taten ebenso sicher beglaubigt sind, wie irgendwelche geschichtliche Tatsachen. Es ist ebenso leicht zu beweisen, daß gewisse geschichtliche Ereignisse, die in unsern Tagen allgemein zugegeben werden, nicht stattgefunden hätten, als zu beweisen, daß diese Wunder keine wirklichen Ereignisse seien. Wenn andrerseits behauptet wird, die Wunder seien das Ergebnis einer dem Meister besonders zuerteilten Macht, so läßt das die ähnlichen Werke außer acht, welche von den Propheten des Alten Testaments, von den Jüngern Jesu sowie von den ersten Christen durch mehrere Jahrhunderte hindurch vollbracht wurden. Außerdem widerspricht diese Behauptung dem Befehle Jesu an seine Jünger, nicht nur das Evangelium zu predigen, sondern auch die Kranken zu heilen, und seiner Prophezeiung: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue, und wird größere denn diese tun; denn Ich gehe zum Vater”, wie auch seiner Erklärung: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben; ... auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.”

Diese Tatsachen lassen deutlich erkennen, daß wir es bei der Erwägung der in der Heiligen Schrift erwähnten und im allgemeinen als Wunder bezeichneten Taten nicht mit Ausnahmefällen zu tun haben, sondern mit Wirkungen, die auf einem Gesetz beruhen. Welcher Art ist nun dieses Gesetz? Ist das Gesetz, welches geistige Heilung und Umwandlung bewirkt, das Gesetz des fleischlichen Sinnes, von dem Paulus redet, das Gesetz des sterblichen Gemüts, wie Mrs. Eddy es so treffend nennt? Ist es nicht vielmehr das Gesetz Gottes?

Vor allem ist darauf zu achten, daß das Wort Wunder nicht notwendigerweise die Bedeutung von etwas übernatürlichem hat. Die Wörter, welche in der Bibel zur Bezeichnung dieser Taten gebraucht werden, bedeuten staunenerregende Geschehnisse, objektive Darstellungen, Veranschaulichungen. Sie sind für den menschlichen Sinn allerdings wunderbar; für das geistige Verständnis aber, oder für das Verständnis, welches Gott und den Menschen ihrem wahren Wesen nach erkennt, sind sie durchaus natürlich.

Bei jedem in der Bibel ausgezeichneten Wunder ist zu erkennen, daß die zu berichtigende Disharmonie sich auf ein vermeintliches Gesetz des sterblichen Gemüts stützte, während die Berichtigung durch die Wirksamkeit des Gesetzes Gottes zustande kam. Paulus faßt den ganzen Vorgang kurz zusammen, wenn er sagt: „Das Gesetz des Geistes, der da lebendig machet in Christo Jesu, hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.”

Die Entdeckerin und Gründerin

Die Welt verdankt die Entdeckung der Christlichen Wissenschaft und die Wiederentdeckung des Prinzips, kraft dessen die Heilungen in den biblischen Zeiten geschahen, einer treuen, gottergebenen Christin, Mrs. Eddy. Es ist mir vergönnt gewesen, persönlich mit Mrs. Eddy zu reden und von ihr beraten und ermahnt zu werden. Noch nie habe ich eine Person getroffen, die so viel universelle und unparteiische Liebe zum Ausdruck brachte, wie sie. Man hatte in ihrer Gegenwart das Gefühl, daß sie mit großer Kraft ausgerüstet war. Es war die Kraft, die sich mit Demut paart und die der Erkenntnis entspringt, daß Gott die eine und einzige Macht ist.

Mary Baker Eddy wurde in Neu England, im Staate New Hampshire, geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in einem Heim, wo religiöse Einflüsse vorherrschten, unter der treuen Fürsorge einer innig geliebten Mutter. Im Jahre 1866 erfuhr sie eine augenblickliche Heilung von einer Verletzung, die sie bei einem Unfall erlitten hatte, und das Ergebnis war ihre Entdeckung der Christlichen Wissenschaft. Während der vorhergehenden zwanzig Jahre hatte sie die mentale Ursache aller physischen Wirkungen zu ergründen gesucht; nun aber wurde ihr ihre augenblickliche Genesung zum Fingerzeig, der sie die wahre Heilung als geistig, als christlich sowohl wie wissenschaftlich erkennen ließ. Sie forschte in der Heiligen Schrift, machte sie zu ihrem einzigen Lehrbuch und veröffentlichte dann im Jahre 1875 das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, „Science and Health with Key to the Scriptures“. Dieses Werk ist jetzt auch in deutscher Übersetzung zu haben, unter dem Titel Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. Mrs. Eddy sorgte nach und nach für all die verschiedenen Einrichtungen, durch welche die Christliche Wissenschaft vor die Öffentlichkeit gebracht wurde, und zwar legte sie bei diesem großen Wohltätigkeitswerk einen Grad von Klugheit, Umsicht und Liebenswürdigkeit an den Tag, der sie nicht nur als eine große Entdeckerin kennzeichnet, sondern auch als eine hochherzige, edelgesinnte Frau.

Unter ihrer weisen Führung wurden verschiedene Zeitschriften gegründet, die die Christliche Wissenschaft in ihrer Anwendbarkeit auf menschliche Angelegenheiten darlegen: erstens, das „Christian Science Journal“, welches monatlich erscheint; sodann Der Herold der Christian Science, welcher monatlich in deutscher Sprache herausgegeben wird; ferner der „Christian Science Sentinel“, eine Wochenschrift, und endlich der „Christian Science Monitor“, eine Tageszeitung, welche besonders das Gute im menschlichen Streben und in menschlichen Errungenschaften hervorhebt — das, was heilsam und hilfreich ist. Diese Schriften gehen nach allen Teilen der Welt. Sie verkündigen die Lehre der Christlichen Wissenschaft und bringen dadurch der Menschheit die frohe Botschaft von der geistigen Heilung und Wiedergeburt.

Der Tröster

Zu denen, die hoffnungsvoll und gläubig auf bessere Dinge warten, kommt die Christliche Wissenschaft als der Tröster, den der Meister verheißen hat. Sie zeigt ihnen, daß die wahren Ideale, die sie genährt und gepflegt haben, keine leeren Träume sind, sondern Wirklichkeiten der Schöpfung Gottes; daß der Ideal-Mensch jetzt Gottes Mensch ist; daß das Reich Gottes „nahe herbeikommen” ist. Sie antwortet auf den Hilferuf der schmachtenden und leidenden Menschheit. Sie versichert uns, daß kein Kummer so schwer, keine Sünde so hartnäckig, keine Krankheit so ernst, keine Frage so schwierig, keine Last so drückend ist, daß das erlösende Gnadenmittel der geistigen Erkenntnis nicht helfen könnte. Sie führt uns in das Wesen Gottes ein, in dem wir „leben, weben und sind.” Sie berichtigt die falsche Anschauung, daß Gott für das Übel verantwortlich sei. Sie erklärt uns, daß das Übel keinen wahren Ursprung, keine Dauer, keine Macht hat, und beseitigt dadurch ein für allemal den Stachel der Furcht aus unserm Dasein.

„Die völlige Liebe treibet die Furcht aus.” Noch nie ist ein trostreicherer Ausspruch getan worden. Fast in jedem Fall von Sünde, Krankheit und Verbrechen hat Furcht die Hand mit im Spiele. Man beseitige die Furcht, und ein gut Teil menschlichen Elends wird verschwinden. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie wir dies bewerkstelligen können. Sie beweist die Richtigkeit ihrer Lehre durch ihre Werke. Sie kommt zu denen, die als unrettbare Opfer böser Gewohnheiten angesehen werden, und nimmt ihnen ihre Fesseln ab. Sie tritt an das Krankenlager derer, die für unheilbar gelten, weil ihnen kein materielles Mittel helfen kann, und stellt ihre Gesundheit und Kraft wieder her. Sie kommt zu Familien, die durch Laster und Mißverständnis auseinandergerissen sind, und schafft Frieden und gegenseitige Achtung.

Zu allen, die irgendwie in Not sind, sei es Krankheit, Kummer oder Furcht vor der Zukunft, sagt die Christliche Wissenschaft mit unendlichem Erbarmen und vertrauenerzeugender Bestimmtheit: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben”— das Reich Gottes, das Gefühl vollkommenen Schutzes und Geborgenseins, den Besitz und den Genuß von Heiligkeit, Glück und Gesundheit.

Copyright, 1914, by The Christian Science Publishing Society
Verlagsrecht, 1914, von The Christian Science Publishing Society

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Juni 1914

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.