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Die Unwirklichkeit von Krankheit

Aus der August 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Behauptung der Christlichen Wissenschaft, daß Krankheit unwirklich sei, wird nicht überall freundlich ausgenommen, selbst da nicht, wo es am nötigsten wäre. Und doch ist diese Wissenschaft der beste Freund der Kranken, denn sie weist ihnen den einzigen Weg zur Befreiung. Wäre Krankheit ebenso wirklich wie Liebe und Güte, so wäre dies gewiß ein trauriger Zustand, denn dann könnte die Menschheit ihre Furcht und ihre Schmerzen nie loswerden. Wenn sie wirklich wäre, so hätte es keinen Zweck, sie heilen zu wollen, denn es gibt kein Verfahren, nach dem die Wirklichkeit zerstört werden könnte. Die Christliche Wissenschaft jedoch heilt Krankheit von der Basis der Unwirklichkeit aller Disharmonie aus, und sie nimmt deshalb diesen Standpunkt ein, weil Krankheit nicht göttlichen Ursprungs ist.

Hier wird vielleicht jemand fragen, warum denn die Christlichen Wissenschafter Krankheit überhaupt behandeln, wenn sie nicht an deren Wirklichkeit glauben. Die Antwort lautet, daß sie, genau genommen, nie eine Krankheit behandeln, sondern immer nur eine Vorstellung von Krankheit. Zur Erläuterung diene folgendes Beispiel. Ein Herr, der früher im Süden der Vereinigten Staaten gelebt hatte, teilte dem Schreiber dieses mit, daß die Tomate damals als eine giftige Frucht angesehen worden sei, ja daß ihr Genuß schlimme, manchmal sogar verhängnisvolle Folgen gehabt habe. Würde nun ein verständiger Arzt, der einen solchen Fall zu behandeln hätte, die Krankheit als wirklich betrachten, oder würde er sie als eine falsche Vorstellung ansehen? Würde er dem Patienten ein Gegenmittel geben, oder würde er bestrebt sein, bei ihm die Wahnvorstellung zu beseitigen? Kann eine Person, vom rein physischen Standpunkt aus betrachtet, durch den Gewiß eines vermeintlichen Giftes erkranken? Wenn der Mensch ein materiell organisiertes Wesen ist, wie allgemein gelehrt wird, wie könnte dann das nicht vorhandene Gift, welches die Person eingenommen zu haben glaubt, sie vergiften? Andrerseits, wenn die Krankheit durch einen falschen Gedanken erzeugt wird, warum sollte der richtige Gedanke sie nicht heilen können, warum sollte er nicht das natürliche und ausschließliche Heilmittel sein? Ferner, wenn man zur Erkenntnis kommt, daß alle Krankheit die Folge einer falschen Denkweise ist, scheint dann nicht eine richtige Denkweise das vernunftgemäße und einzig wirksame Heilmittel zu sein?

Nehmen wir an, eine Person glaube irrtümlicherweise, daß ihr Haus brenne, und wir wüßten, daß es nicht wahr ist. Würden wir die Feuerwehr rufen, um die betreffende Person von ihrem Irrtum zu überzeugen, oder würden wir ihren Schrecken durch den Beweis, daß ihr Haus unversehrt ist, zu beseitigen suchen? Mit andern Worten, würden wir die Feuersbrunst behandeln, oder den falschen Glauben an dieselbe? Würden wir, die wir die Tatsachen kennen, die Feuersbrunst als wirklich betrachten? Nun wollen wir annehmen, die Person glaube, ihr Körper brenne, anstatt ihr Haus, d. h. sie glaube, sie habe Fieber. Der Arzt wird gerufen, um das Feuer zu löschen, und indem er sich der Annahme des Patienten anpaßt, richtet er, bildlich gesprochen, den Schlauch auf ihn. Das war jedoch nicht Jesu Verfahrungsart. Indem sich der Arzt auf den materiellen Standpunkt des Patienten stellt, bekämpft er ein Feuer, welches, der geistigen Wahrheit des immergegenwärtigen Guten gemäß, gar nicht existiert. Unser Meister verstand, daß Gottes Ideen zu jeder Zeit vollkommen sind, und „gebot” deshalb „dem Fieber,” d. h. er verurteilte es als etwas nicht Vorhandenes; und sofort verließ es den Patienten. Es ist klar, daß Jesus das Fieber nicht als eine Wirklichkeit behandelte, sondern als eine falsche Annahme; und er war gewiß weitaus der erfolgreichste Arzt und weiseste Lehrer, den die Welt je gekannt hat.

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