Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Feindselige Angriffsgedanken

Aus der August 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der Christliche Wissenschafter begegnet mitunter der Ansicht, daß, wenn man von Gott und Seiner geistigen Schöpfung als den einzigen Wirklichkeiten des Seins ausgehe, es nicht nötig sei, den angeblichen geheimen Verfahrungsarten des Irrtums besondere Aufmerksamkeit zu schenken, nicht nötig, sich im einzelnen mit den Mitteln zu befassen, durch welche das jeder Grundlage entbehrende falsche Element des sterblichen Gemüts angeblich seine Zwecke zu vollbringen strebt. Es wird behauptet, es genüge, wenn man mit der Waffe der Wahrheit die Bekundungen der falschen Annahme zurückschlage, die im Laufe der Dinge in den Vordergrund treten; kurz, es habe keinen Zweck, „so viel Wesens vom tierischen Magnetismus zu machen.”

Wenn nun der Anspruch des Irrtums nicht mehr umfaßte als die besonderen Formen der Disharmonie, die gegenwärtig an der Oberfläche der menschlichen Erfahrung erscheinen, und wenn die Hauptwurzel der irrigen sterblichen Vorstellungswelt sozusagen stückweise vernichtet werden könnte, so würde hierdurch schließlich die völlige Vernichtung des Anspruchs des Irrtums herbeigeführt. Durch beständige Anwendung der Wahrheit jedoch, wie die Christliche Wissenschaft sie offenbart, werden fortwährend versteckte und ungeahnte Formen der Vorstellung einer Gott entgegengesetzten Macht und Intelligenz aufgedeckt. Dies ist nicht erstaunlich, denn als ein falscher Anspruch — das vermeintliche Gegenteil von Wahrheit, die Verneinung alles dessen, was die Wahrheit bejaht — muß der Irrtum als ebenso verbreitet angesehen werden wie die Wahrheit, genau wie in der Mathematik jeder positiven oder wirklichen Größe eine negative Größe entspricht. Mrs. Eddy sagt: „Sünde hat als ein falscher Anspruch bestanden, ehe der menschliche Begriff von Sünde Gestalt annahm; daher bildet der Irrtumsbegriff des einzelnen nicht den gesamten Irrtum. Das menschliche Denken macht nicht die Sünde aus, sondern die Sünde macht die menschliche oder physische Vorstellung aus” („Retrospection and Introspection,“ S. 67).

Nur dadurch, daß die materielle Lüge ihren wahren Charakter verhüllt und das Gute und Geistige nachahmt, ist es ihr überhaupt möglich, als wahr, als machtvoll und intelligent zu gelten. Daher scheinen, der menschlichen Annahme gemäß, die Künste und das Trachten des Irrtums im Namen des Guten mit der Entfaltung der geistigen Idee im menschlichen Bewußtsein Schritt zu halten. Die Schlange folgt dem Weib auf den Fersen. Es war wahrlich keine bloße Phantasie, daß der Verfasser des ersten Buchs der Bibel als Symbol des Irrtums jenes Tier wählte, das „listiger” war „denn alle Tiere auf dem Felde.” Da die Hilfsmittel des Geistes unendlich sind, so gibt der Irrtum vor, über gleiche Hilfsmittel zu verfügen. Da Gott Intelligenz ist, so muß der Irrtum, um sich selber als glaubwürdig hinzustellen, intelligentes Wesen vorheucheln. Da Gott alle Macht ist, muß der Irrtum beanspruchen, ebenso mächtig zu sein. Da Gottes Herrschaft über das Weltall sich durch Gesetz und Ordnung kennzeichnet, muß auch der Irrtum den Schein der Gesetzmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit bieten — und so fort durch alle Bekundungsarten. Um als Gegensatz der Wahrheit angesehen zu werden, muß sich ferner der Irrtum die wahre Schöpfung zum Muster nehmen, und selbst seine Tollheit hat Methode.

Im Neuen Testament wird oft hervorgehoben, wie notwendig es ist, auf der Hut zu sein gegenüber der Schlauheit der Schlange, „den listigen Anläufen des Teufels,” gegenüber der Verschlagenheit und Gewandtheit, mit der der Irrtum seine Pläne zur Ausführung zu bringen sucht. In allen ihren Schriften weist unsre Führerin, Mrs. Eddy, in eindringlicher Weise auf die Notwendigkeit hin, „die mentalen Schleichwege des Bösen bloßzustellen, auf denen Schlechtigkeiten vollbracht werden” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 571). Es liegt in der Natur der Sache, daß solche Elemente immer mehr zum Vorschein kommen werden, bis zur Zeit, da die Annahme, daß das Böse Macht habe, völlig überwunden sein wird. „Diese verschlungenen Methoden des tierischen Magnetismus bilden das Wesen oder den Geist des Bösen, der die Menschheit trunken macht. ... Es wird einen härteren Kampf kosten, die Ursache und die Wirkungen dieses bösen Einflusses bloßzustellen, als nötig war, um dem Alkohol und seinen üblen Wirkungen zu steuern. Die Gewohnheit des Alkoholgenusses ist der Gebrauch höherer Formen der Materie, um Böses zu vollbringen, während der tierische Magnetismus die höchste Form des mentalen Bösen ist, wodurch Sünde in ihrem ganzen Umfang zum Ausdruck kommt” („The First Church of Christ, Scientist, and Misscellany,“ S. 212).

Der Irrtum offenbart sein wahres Wesen zuerst in den schamlosen und offenkundigen Formen des Übels, als da sind tierische Neigungen, Gesetzlosigkeit und Krankheit. Bei fortschreitender Demonstration geistiger Wahrheit stellen sich neue und immer listigere Formen des gegensätzlichen falschen Anspruchs ein. Solange die menschliche Vorstellung nicht sich selber entwächst und den Punkt erreicht, wo sie der vollen Erkenntnis vom Menschen als der reinen Widerspiegelung des Geistes weicht, die keine Spur von Disharmonie, Unvollkommenheit oder Materialität an sich hat, solange wird sich der Irrtum in mannigfachen Erscheinungsformen kundtun, mit denen er bezweckt, „wo es möglich wäre auch die Auserwählten” zu verführen, bis er zuletzt vollständig und endgültig zerstört wird.

Das Wirkungsvermögen des Guten ist schon immer von rechtdenkenden Menschen erkannt worden; doch erst durch die Entdeckung der Christlichen Wissenschaft wurde der Charakter des Gegensatzes, des falschen Anspruchs des Irrtums, entlarvt, und nun erst war es möglich, einen geordneten, christlichen Kampf gegen das Böse zu führen. Die Erscheinungsform des Irrtums, die die Aufmerksamkeit des Christlichen Wissenschafters zur Zeit besonders in Anspruch nimmt, ist die Annahme, daß ein sogenanntes menschliches Gemüt über ein andres einen Einfluß ausüben könne, und zwar zum Guten wie zum Bösen. Der Christlichen Wissenschaft, die erklärt, daß das göttliche Gemüt die einzige Macht und Intelligenz ist, tritt auf ihrem Vormarsch die in bestimmten Bahnen sich bewegende und bestimmten Zwecken dienende Tätigkeit eines angenommenermaßen begrenzten und durch böse Einflüsterungen wirkenden Gemüts entgegen.

Wenn es auch den Lehren der Christlichen Wissenschaft zufolge im absoluten Sinne kein sogenanntes materielles Ich, keine begrenzte Mentalität gibt, die durch böse Einflüsterungen wirken könnte, und daher auch keine sogenannte mentale Beeinflussung, so sehen wir uns doch zur jetzigen Zeit genötigt, mit solchen Annahmen als Faktoren in der relativen Erfahrung zu rechnen. Obgleich wir völlig überzeugt sein mögen, daß Physische Gesetze nichts weiter darstellen als Tätigkeitsformen der sterblichen Annahme, so sind doch wegen der materiellen Art unsres Denkens gewisse Wirkungsarten der sterblichen Annahme scheinbar schwieriger zu überwinden als andre. So haben z. B. die sogenannten mechanischen Gesetze der Schwere und der chemischen Verwandschaft für uns eine sachliche Wirklichkeit, die sie unerbittlich erscheinen läßt, während uns andre Wirkungsarten, wie allgemein bekannte Krankheitsgesetze, keinen solchen Widerstand entgegensetzen. Selbst vom materiellen Standpunkt des Physikers aus wird der mentalen Suggestion keine Kraft zugeschrieben, die ohne das Sichfügen des Opfers eine sinnlich wahrnehmbare Wirkung zu erzeugen vermöchte.

Unterzieht man die bei der sogenannten Gedankenübertragung in Frage kommenden Faktoren einer näheren Betrachtung, so wird man finden, daß jede Wirkung (gleichviel ob mentaler, moralischer oder Physischer Art), die unsichtbaren Kräften zugeschrieben wird, dadurch zustande kommt, daß man bewußt oder unbewußt einer bösen Einflüsterung Gehör geschenkt hat. Der Gedanke an und für sich besitzt keine Wirksamkeit, wie dies angenommenermaßen bei der Elektrizität, bei der Wärme oder bei chemischen Wirkungen der Fall ist. Wer das Wesen und die Wirkungsart feindseliger Angriffsgedanken einmal klar erkannt hat, fürchtet sich nicht vor ihnen, denn er weiß, daß sie keinen Schaden zufügen können. In dem Maße, wie man das Bewußtsein von der Wahrheit des Seins erlangt, wird dem geheimen gedanklichen Einfluß die Wirkung benommen, d. h. er hat nicht mehr Wirkung als zum Ausdruck gebrachte Angriffs- gedanken. Selbstverständlich kann man nicht durch äußeren Einfluß, gleichviel ob sichtbarer oder unsichtbarer Art, dazu gebracht werden, der eignen Einwilligung zuwider in bestimmter Weise zu denken oder zu empfinden.

Dürfen wir demnach die Anschauung, als könne ein menschliches Gemüt auf ein andres einwirken, als bloßen Aberglauben betrachten und es dabei bewenden lassen? Vom göttlichen Standpunkt aus ist allerdings jede Erfindung des Irrtums purer Aberglaube, und in diesem Sinne hätte Jesus die Annahme, daß dem Wandeln aus dem Wasser, der Auferweckung der Toten und der Vollbringung andrer scheinbar übernatürlicher Taten irgendein Hindernis entgegen stehe, als einen Aberglauben bezeichnen können. Für seine Jünger aber, die sich noch nicht so weit erhoben hatten, um diese Dinge tun zu können, wäre es gewiß eine Überhebung gewesen, wenn sie die Frage hätten in dieser Weise erledigen wollen.

Dürfen wir nun, solange wir für irrige Suggestionen empfänglich sind, den verborgenen Erscheinungsarten des Irrtums, die uns auf unserm Wege christlicher Demonstration neue Aufgaben bieten und deren Überwindung für unser Weiterkommen von entscheidender Bedeutung ist — dürfen wir solchen Arten des Irrtums ihren Lauf lassen oder sie übersehen? Wenn wir nicht jederzeit Wache halten und uns vorsehen, findet der Irrtum durch eine unbewachte Tür Zutritt zu unserm Bewußtsein. Nachdem wir erkannt haben, daß die Künste des Senders feindseliger Angriffsgedanken uns nicht schaden können, unterläßt der Feind vielleicht seine Angriffe und schlägt einen andern Weg ein, indem er einen Zustand der Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr erzeugt — eine andre Erscheinung des Adamtraums!

Wir lesen in der sinnbildlichen Erzählung im Buche der Offenbarung, daß der Drache, als seine Zeit sich dein Ende nahte und es ihm nicht gelang, sein Vorhaben auszuführen und im offenen Kampf den Sieg über die Heiligen zu erringen, sich daran machte, „zu verführen die Heiden [Völker] an den vier Enden der Erde.” Gegen den Zustand der Selbsttäuschung, in dem man es nicht für nötig hält, sich vor dem versteckten Feind vorzusehen, hat Mrs. Eddy so manches warnende Wort gerichtet, insbesondere auf Seite 102 von Wissenschaft und Gesundheit, wo sie unter anderm sagt: „So geheim sind die heutigen Methoden des tierischen Magnetismus, daß sie die Jetztzeit in Trägheit verstricken und gerade die Gleichgültigkeit bei dem Objekt hervorrufen, die dem Verbrecher erwünscht ist.”

Furcht vor dem tierischen Magnetismus und Gleichgültigkeit gegenüber seiner Scheinbarkeit im menschlichen Bewußtsein sind die Scylla und die Charybdis, zwischen denen der Weg des Christlichen Wissenschafters hindurchführt. Im ersten Fall macht man aus dem Unwirklichen eine Wirklichkeit, während im zweiten Fall die christliche Werktätigkeit verhindert wird. Sich über die vernunftlosen, brutalen, verräterischen und erbarmungslosen Erscheinungsformen der sterblichen Annahme aufzuregen oder sich verwirren und einschüchtern zu lassen, hieße dem Feinde geradezu Vorschub leisten. Sich andrerseits der Selbstzufriedenheit hinzugeben, dieser Frage gegenüber eine überlegene oder gleichgültige Haltung anzunehmen, und „Friede! Friede!” zu rufen, wo doch nicht Friede ist, hieße sich selber betrügen, wie der Strauß, von dem man sagt, er glaube der Gefahr zu entgehen, wenn er den Kopf in den Sand stecke.

Wir beweisen also weder Umsicht noch Verständnis, wenn wir die Aufgabe, die uns durch das boshafte Denken andrer entsteht, unbeachtet lassen oder ihr keinerlei Bedeutung beimessen. Nur dadurch, daß wir stets geistig wach sind, können wir feindselige Angriffsgedanken unschädlich machen. Um uns vor geheimen Einflüssen zu schützen, müssen wir die Suggestionen zurückweisen, die uns offen entgegentreten. Wenn wir in äußeren Umständen uns weigern, Gefühle des Zorns, des Hasses, der Furcht, des Mißmuts, der Entmutigung, der Rührseligkeit usw. zu hegen, werden wir allmählich der Gefahr enthoben, dem Bösen zum Opfer zu fallen, wenn es sich uns heimlich und ohne unser Wissen nähert. Lassen wir uns aber durch Kritik, Ungerechtigkeit, Bosheit, Schimpf, Schmeichelei und Ähnliches mehr, das uns offen entgegentritt, zum Zorn und Ärger bewegen, wie können wir dann erwarten, dem Einfluß solcher Feinde gegenüber weniger empfänglich zu sein, wenn sie uns heimlich angreifen!

Wie unsre Führerin in ihren Schriften klar gemacht hat, eröffnet die Erkenntnis, daß alles Übel ein Irrtum, eine falsche Vorstellung ist, sozusagen den Schlußakt in dem Werk der Erlösung des Menschengeschlechts. Ermöglicht wurde dies durch Mrs. Eddys wunderbaren Mut und durch die Beharrlichkeit, mit der sie den Faden ihren Entdeckung durch die Tiefen experimentellen Forschens und durch die Schwierigkeiten der Pionier-Arbeit hindurch verfolgte, bis das Richtmaß des Christentums auf dem unangreifbaren Boden der Demonstration festgelegt war.


Zufrieden sein ist große Kunst,
Zufrieden scheinen bloßer Dunst,
Zufrieden werden großes Glück,
Zufrieden bleiben Meisterstück.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / August 1915

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.