Zwei Landwirte sprachen miteinander über die Ernteaussichten, und der eine von ihnen sagte in mürrischem Tone: „Ich lese beinahe jedes Buch über Landwirtschaft, das ich bekommen kann, und dennoch erziele ich keine gute Ernte.” Der andre, der weiser und praktischer vorzugehen wußte, erwiderte: „Gerade darum haben Sie keinen Erfolg; Sie kultivieren wohl sich selbst, aber nicht ihr Land.” William Penn sagte einmal, die Menschen stimmten alle darin überein, daß das Glück wünschenswert sei; aber in bezug auf die beste Art, das Glück zu erlangen, seien sie sehr verschiedener Ansicht — nicht immer, weil es ihnen an Kenntnissen fehle, sondern oft, weil sie ihre Kenntnisse nicht anzuwenden wüßten. Hierin liegt der Grund, warum so viele Menschen in der Welt nicht vorwärts kommen. Es ist dasselbe Übel, das Jesus im Gleichnis von den Zentnern bloßlegte. Diejenigen, die das, was sie besaßen, nützlich anwandten, wurden für ihre Klugheit und Treue gelobt; der träge Knecht aber, der seinen Zentner nicht gebrauchte, verlor ihn gänzlich und empfing von seinem Herrn weder Belohnung noch Lob.
Die Schüler der Christlichen Wissenschaft müssen darauf achten, daß sie die Bibel sowie Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift und die andern Werke unsrer Führerin nicht aus bloßem intellektuellen Interesse studieren. Sie dürfen gegenüber der Notwendigkeit, das göttliche Prinzip der Christlichen Wissenschaft auch werktätig zu beweisen, nicht gleichgültig werden. Mancher glaubt, das einfache Lesen werde ihn zur geistigen Erkenntnis führen, denn er stimmt ja doch Mrs. Eddys logischen Darlegungen der Wahrheit bei. Aber dem ist nicht immer so. Auf Seite 323 unsres Lehrbuchs lesen wir: „Um mehr erfassen zu können, müssen wir das betätigen, was wir schon wissen. Wir müssen daran denken, daß Wahrheit demonstrierbar ist, wenn man sie verstanden hat, und daß das Gute nicht verstanden ist, bis es demonstriert ist.” Die beständige Forderung des Prinzips lautet: „Beweise mich jetzt!” Es ist stets „jetzt,” und die Gelegenheit besteht allezeit, die Bereitschaft und Macht Gottes werktätig darzutun — ja die liebevolle Fürsorge unsres himmlischen Vaters, der alle unsre Bedürfnisse und diejenigen unsrer Mitmenschen stillt, die nach dem Wasser eines besseren Lebens dürften, als die Materialität ihnen zu geben vermag.
Paulus hatte sich in seinen jüngeren Jahren gewiß sehr viel mit dem Studium des alten Testaments und der schulmäßigen Theologie seiner Zeit befaßt. Als er die Lehren Jesu zu lieben und anzuwenden gelernt hatte, verglich er, aus dem Reichtum seiner geistigen Erfahrung schöpfend, seine frühere Art, die Wahrheit zu suchen, mit seiner neuen Art. In seiner Epistel an die Korinther schreibt er, sein Predigen bestehe nicht „in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft.” Er hatte gelernt, daß „der Buchstabe tötet,” und daß „der Geist machet lebendig.” Dies bewahrheitet sich besonders beim Studium der Christlichen Wissenschaft.
Wer angefangen hat, das Licht dieser Wissenschaft in sein Leben scheinen zu lassen, findet in seinem Bewußtsein mehr oder weniger Haß, Neid, Eifersucht, Stolz, unedle Neigungen und manch andre falsche Annahmen, und diese Falschheiten verschwinden nicht einfach dadurch, daß er dem Buchstaben der Christlichen Wissenschaft beistimmt. Er sieht wohl nicht sofort ein, daß diejenigen, die das Prinzip der Christlichen Wissenschaft erfolgreich demonstrieren, nur in dem Maße geistig vorgeschritten sind, wie sie dieses Prinzip getreulich zur Reinigung ihres eignen Bewußtseins angewandt und dadurch die Übel, die das Wachstum und das Reifen eines christusgleichen Charakters aufhalten möchten, überwunden haben. Der aufrichtige Schüler der Christlichen Wissenschaft lernt gar bald, daß Erfolg im Studium dieser Lehre allein durch ein unentwegtes Verharren in der Wahrheit erzielt werden kann. Diese Erkenntnis führt ihn zum Heilungswerk, bei dem er reichlich Gelegenheit findet, das Gelernte zu beweisen.
Einen großen Fortschritt bedeutet die Erkenntnis, daß das eigne Bewußtsein sein größtes Ackerfeld ist — daß sich in ihm ein großer Schatz befindet, nämlich „das Reich Gottes.” Wer dies eingesehen hat, ist weniger geneigt, Gott um große Dinge oder bessere Gelegenheiten zu bitten, oder Ihn anzuflehen, daß Er ihn an einen Ort versetze, wo weniger zu überwinden ist. Er gelangt allmählich zu der Erkenntnis, daß das Gebet nur dann wirksam wird, wenn man den Willen Gottes erkennen lernt und ihn da befolgt, wo man sich gerade befindet.
Auf Seite 11 von Wissenschaft und Gesundheit finden wir folgende nachdrückliche Ermahnung: „Das Gebet kann die unwandelbare Wahrheit nicht ändern, noch kann uns das Gebet allein ein Verständnis von der Wahrheit geben; das Gebet jedoch, das sich mit einem inbrünstigen, beständigen Verlangen verbindet, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun, wird uns in alle Wahrheit leiten. Das Bedürfnis nach dem hörbaren Ausdruck eines solchen Verlangens ist gering. Es kommt am besten im Gedanken und im Leben zum Ausdruck.” Wohl ist das fortgesetzte Studium der Bibel und der Werke Mrs. Eddys überaus wichtig; aber der Schüler hat wenig Aussicht auf Erfolg oder beständigen Fortschritt im Verständnis der Christlichen Wissenschaft, solange er nicht die ernste Ermahnung beachtet, welche uns unsre Führerin im Handbuch Der Mutterkirche gibt: „Mein Rat ist, daß jedes Mitglied dieser Kirche danach streben soll, durch seine Praxis zu demonstrieren, daß die Christliche Wissenschaft die Kranken rasch und völlig heilt, und dadurch zu beweisen, daß diese Wissenschaft dem Wert, den wir ihr beimessen, vollständig entspricht” (Art. XXX, Abschn. 7). Die Demonstration dieser Wissenschaft ist nicht das ausschließliche Recht der Kirchenmitglieder, sondern sie steht allen Menschen offen.
Ein Kind muß die ersten Schritte tun, ehe es laufen lernt. Wie oft es auch fällt, es steht immer wieder auf, bis es zuletzt die nötige Kraft und das nötige Vertrauen erlangt hat. Dies ist auch die Art und Weise, wie wir in unserm Verständnis und unsrer Anwendung der Christlichen Wissenschaft Fortschritte machen können. Einen andern Weg gibt es nicht. Das Erproben unsres Verständnisses wirkt stärkend, wenn wir auch nicht immer Erfolg haben, denn unser Mut wird gestählt und wir lernen Demut.
Wenn der Ruf um Hilfe an uns ergeht, so ist es unser Recht und unsre Pflicht, als Christliche Wissenschafter uns der Allgegenwart und Allmacht der göttlichen Liebe bewußt zu werden, denn die Verheißung der Bibel gilt einem jeden: „Friede, Friede, beide, denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr, und will sie heilen.”