Mrs. Eddy legt die innere Wahrheit der Christlichen Wissenschaft in zwei Zeilen eines Gedichtes, das in „Miscellaneous Writings,“ „Pulpit and Press“ und in ihrer Sammlung von Gedichten (Poems, S. 76) zu finden ist, schlicht und einfach dar. Ihre Worte lauten:
Gott ist Liebe. Wer versteht Ihn?
Seine Herde!
Man begegnet oft dem Vorwurf, die Christliche Wissenschaft verfahre mit Auswahl, und es wird unwissenderweise behauptet, sie habe keinen Raum für die Bedürftigen und Leidenden. Ferner hört man die Beschuldigung, ihre Anhänger seien Separatisten, die die Berührung mit dem menschlichen Elend scheuten und sich in selbstsüchtiger Weise über ihr persönliches Wohlergehen freuten.
Nun ist es durchaus richtig, daß der Besucher einer christlich-wissenschaftlichen Kirche da Mitglieder und andere trifft, die Gesundheit und Glück förmlich ausstrahlen, daß er Zeugnisse hört, die dankbare Anerkennung der Christlichen Wissenschaft und des Werkes der Gründerin dieser Bewegung ausdrücken, und es scheint ihm, als gelte der Ausdruck des Dankes gegen Gott den gegenwärtigen Segnungen, welche diejenigen, die Zeugnis ablegen, tatsächlich genießen. Der Praktiker jedoch kennt den Fortschritt so mancher, die in der Versammlung sprechen, und kann die stattgefundene Erlösung richtig deuten. Er erinnert sich, wie arm und elend und schwerbeladen und sündhaft dieser und jener jetzt so dankbare Mensch einstmals war, und er weiß, daß die erlösende Wirkung der göttlichen Liebe Beweggründe umgewandelt, falsche Vorstellungen berichtigt, Erkenntnis verliehen und Liebe erweckt hat.
Das Ergebnis der Erlösung kommt durch klare Augen und ein leuchtendes Antlitz zum Ausdruck — durch die Kraft und Weisheit, die bei der Arbeit zum Erfolg führt. Hier ist nun die Frage angebracht: Warum erhebt das sterbliche Gemüt Einsprache gegen Glück und Wohlstand, wenn man sie einem rechtschaffenen Leben zu verdanken hat? Der Morphiumesser mit seinem blöden Gesichtsausdruck, der aufgedunsene Trunkenbold, der griesgrämige Tadler, der heimliche Dieb, der glattzüngige Betrüger, derjenige, der auf bösen Wegen Gutes zu erlangen sucht — sie alle scheinen unzufrieden zu sein, wenn ein guter Mensch auf guten Wegen Gutes erlangt. Lassen sich aber nicht gerade gute Resultate auf das Vorhandensein des Guten zurückführen? Wenn Unehrlichkeit Glück, wenn Trunksucht Frieden, wenn Sinnlichkeit den Himmel bringen würde, dann wäre das Weltall eine Hölle und der viehische Anarchist der heutigen Stunde wäre der wahre Prophet. Diese Art der Hölle herbeizuführen ist das sterbliche Gemüt stets bestrebt, indem es mit seinem Kampf gegen das Recht stets zerstörend wirkt. Die Christliche Wissenschaft hingegen, die durch Demonstration wirkt, offenbart das Gegenteil als Tatsache. Sie legt dar, daß man nur im Dienste Gottes wahre Belohnung erhält. Auf diese Weise entlarvt sie den uralten Betrug hinsichtlich des Teufels und seiner Boten.
Wenn nun das Gesetz Gottes gut ist und Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Ehrenhaftigkeit und wahre Güte bewirkt, so muß das Wichtigste im Leben in der Erkenntnis bestehen, daß „der Weisheit Anfang ist, wenn man sie gerne hört und die Klugheit lieber hat als alle Güter.“ Im metaphysischen Sinne bedeutet das, daß man zu der Herde gehört, die Ihn versteht. Es bedeutet die Anerkennung und Nachfolge des Christus, wodurch man befähigt wird, in dem Lichte zu wandeln, von dem Johannes schreibt: „Die Finsternis vergeht. ... Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und ist kein Ärgernis bei ihm.“ Es bedeutet, daß man Gott erkennt und die Welt so überwindet, wie es uns der Meister deutlich erklärt hat. Er erkannte Gott, und dadurch, daß er die Welt überwand, bahnte er seinen Nachfolgern den Weg für alle Zeiten. So werden Gesetz und Evangelium verstanden und befolgt, wie Mrs. Eddy klar darlegt, wenn sie sagt (Miscellaneous Writings, S. 8): „Das hebräische Gesetz mit seinem, Du sollst nicht,‘ seiner Forderung und seinem Urteil kann nur durch den Segen des Evangeliums erfüllt werden. Somit heißt es:, Selig seid ihr,‘ indem das Bewußtsein des Guten, der Gnade und des Friedens durch Leiden kommt, das man richtig verstanden hat und das läuternd auf das Fleisch wirkt — auf den Stolz, die Unkenntnis seiner selbst, den Eigenwillen, die Eigenliebe, die Selbstrechtfertigung. Wahrlich, die Anwendung Seines Steckens wirkt wohltuend! Es ist gut, daß der Hirte Israels Seine ganze Herde auf ihrem Weg zur Hürde unter Seinem Stecken passieren läßt, wobei Er sie zählt und ihnen endlichen Schutz bietet vor den Elementen der Erde.“
Christliche Wissenschafter werden durch ihre Gotteserkenntnis nicht zu Separatisten. Die Behauptung, daß sie dies seien, wird durch die Arbeit jedes liebevollen Praktikers der Christlichen Wissenschaft widerlegt, der das Gesetz Christi erfüllt. „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen,“ schrieb Paulus an die Galater. Und im weiteren sagt er: „Denn ein jeglicher wird seine Last tragen.“ Er sah offenbar, daß der Überbürdete erst lernen muß, seine Last zu tragen. Und diese brüderliche Hilfe und Lehre ist es, die der Christliche Wissenschafter stets darreicht, weil er selber erkannt hat, daß das Joch Christi kein Leiden und keine Härte bedeutet, sondern Herzensfreude, und daß die Bürde, die die Wahrheit einem Menschen auferlegt, ihn nicht schwerbeladen macht oder ihm Ruhe und Frieden raubt.
Der Christliche Wissenschafter, der aufrichtig arbeitet, trachtet ernstlich danach, zu sein wie sein Meister, indem er „heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert“ ist. Vielleicht ist er ein Separatist in dem Sinne, daß er nicht die Lügen verschluckt, die ein Teil der Presse wie ein giftiges Gewürz in das Leben streut. Er muß seine Gedanken frei halten von Lügen jeder Art, besonders von solchen, die absichtlich veröffentlicht werden, um Kritik, Haß und böse Leidenschaften zu erregen. Ja noch mehr ist nötig: er muß seine eigene Einbildung fortwährend berichtigen. Jesus kannte die Gedanken seiner Widersacher, denn wir lesen: „Da aber Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr so Arges in euren Herzen?“ Es wies darauf hin, daß das siebente Gebot durch falsche Gedankenbilder gebrochen wird, und er führte den Irrtum der Habsucht auf materielles Verlangen zurück, indem er sagte: „Niemand lebt davon, daß er viele Güter hat.“ Er erklärte, daß alle Gebote in das eine Gebot zusammengefaßt werden können, welches Gotteserkenntnis, ungeteilte Liebe zu Ihm und daher auch Liebe zu den Brüdern fordert. Folgende Worte geben uns eine Zusammenfassung der Lehren der Christlichen Wissenschaft: „, Gott is Liebe.‘ Mehr können wir nicht erbitten, höher können wir nicht schauen, weiter können wir nicht gehen“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 6).