Als Mrs. Eddy die Nichtsheit des Bösen erkannte, fand sie den Weg zu seiner Zerstörung. Jahrhundertelang hat die Welt gegen das Böse gekämpft, oder eher, der Instinkt des Guten in der Welt hat das Böse, als eine mächtige Wirklichkeit, bekämpft. Das menschliche Wesen, von einer unklaren Wahrnehmung des Prinzips belebt, nahm den Kampf mit dem Bösen auf, aber es achtete sein wahres Selbst nicht als das Bild und Gleichnis des Prinzips und darum Herr über das Böse, sondern eher, wie es in den alten Volkserzählungen beschrieben wird, als schwachen Sinnenmensch, der in einem mehr oder weniger ungleichen Streit mit dem Bösen verwickelt ist. Es vergaß, daß, wenn der Schreiber der Offenbarung das Böse als einen großen roten Drachen darstellte um seine angebliche Macht zu versinnbildlichen, er es später auch mit den anderen Namen für das Böse bezeichnete, wie: „die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas,“ mit der Absicht auf der Einheit seines Anspruches als Fälschung der Wirklichkeit zu beharren, ehe er es der Vergessenheit und Nichtsheit übergeben werde. Darum, als Mrs. Eddy, in Wissenschaft und Gesundheit, zuerst die Aufmerksamkeit auf die offensichtliche Tatsache lenkte, daß, wenn Gott, Prinzip, gut und unendlich ist, das Böse keinen Platz hat als Wirklichkeit, erhob sich die Scholastik in einem wahrhaft leidenschaftlichen Ausbruch von Argumenten, und im Laufe derselben verwarf sie einen jeden ihrer eigenen Grundsätze, und benahm sich mehr wie der Besessene in den Gräbern als irgend etwas anderes.
Doch muß man sich keinen Augenblick einbilden, daß die Nichtanerkennung des Bösen als eine Wirklichkeit, der Sünde irgendwelche Ermutigung gebe. Sie tut gerade das Gegenteil. Sie macht die Sünde vorsätzlich, nimmt ihr jede Gelegenheit einer Entschuldigung, und zeigt wie unmöglich es ist für Sünde, die nicht bereut wird, der Strafe zu entgehen. Der Kalvinist oder Fatalist mag die Unvermeidlichkeit der Sünde geltend machen, auf Grund seiner Annahme ihrer Vorausbestimmung; aber der Christian Scientist weiß, daß Sünde ein mesmerischer Zustand ist, aus dem man, früher oder später, erwachen muß, weil das Gute, da es Prinzip ist, auch die Wirklichkeit sein muß. Darum kann nichts, was außerhalb des Prinzips ist, irgendwelche Wirklichkeit haben. Als eine Theorie ist eine solche Behauptung leicht genug zu verstehen. Aber die Christian Science gibt sich nicht mit Theorien zufrieden. Jakobus erklärte, daß Glauben ohne Werke, Theorien ohne Demonstration, tot sei. Mrs. Eddy ging ebenso weit oder noch weiter als Jakobus. Sie schreibt auf Seite 329 von Wissenschaft und Gesundheit: „In der Wissenschaft können wir nur das anwenden, was wir verstehen. Wir müssen unsern Glauben durch Demonstration beweisen.“ Auf diese Weise ist religiöse Gefühlserregung ausgeschlossen. Religion wird genau als das, was sie im griechischen Text des Neuen Testaments definiert wird, erklärt, nämlich das wissenschaftliche Verständnis von Gott, Prinzip. Und der Schüler ist gezwungen sich auf den Standpunkt der wunderbaren Anfangssätze des ersten Briefes des Johannes zu stellen, die nicht länger als eine rätselhafte Äußerung, sondern als eine klare wissenschaftliche Behauptung gelesen werden: „Das da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschaut haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens — und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen —: was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch.“
Das Bestreben der Christian Science ist darum nicht nur das Evangelium, die gute Botschaft oder die Wahrheit zu predigen, sondern auch die Kranken zu heilen, den Kranken zu beweisen, daß es dieses Verständnis von der Wahrheit ist, welches heilt; die Kranken, aber, sind alle diejenigen die irgend etwas außer der Wahrheit glauben und sich so von dem Erzlügner, dem großen roten Drachen, mit all seiner Arglist und seinen Suggestionen, täuschen lassen. Selbstverständlich ist der Drache zu klug, wenn man die Ausdrucksweise der bildlichen Erzählung annehmen will, um das, was das menschliche Gemüt als schlecht ansieht, gut zu heißen. Für das Gute bietet er das Gute des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen dar,— fleischliche Begierden, Eitelkeit, Macht,— gerade die Dinge, die Jesus in seinem eigenen Kampf mit dem Bösen in der Wüste, unter die Füße getreten hatte. Menschliche Freuden und physische Vergnügen, das ist des Drachen Zusammenfassung vom Guten; physisches Leiden und menschlicher Kummer stellen die Summe des Bösen dar. Doch kann kein Mensch das eine ohne das andere haben. Physisches Leben muß im Tode enden, und doch ist Leben ewig; menschliche Freuden enden in Leiden, doch sind die Menschen wie die Engel im Himmel. Zwischen der ererbten scholastischen Lehre über das Böse und der Lehre der Christian Science ist sichtbar eine große Kluft befestigt, und Mrs. Eddy sondierte diese Kluft als sie die Unwirklichkeit des Bösen bloßstellte.
„Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen.“ So schrieb der Schreiber der Offenbarung im ersten Jahrhundert, und achtzehnhundert Jahre später schrieb Mrs. Eddy, auf Seite 563 von Wissenschaft und Gesundheit: „Der große, rote Drache versinnbildlicht eine Lüge — die Annahme, daß Substanz, Leben und Intelligenz materiell sein können. Dieser Drache bedeutet die Gesamtsumme menschlichen Irrtums. Die zehn Hörner des Drachen stellen die Annahme bildlich dar, daß die Materie Kraft aus sich selbst besitzt, und daß kraft eines bösen Gemüts in der Materie die zehn Gebote übertreten werden können.“ Wenn die Materie wirklich wäre, wenn das Böse Macht hätte, dann wäre das zweifellos der Fall, und es wäre nicht nur gegenwärtig der Fall, sondern in Ewigkeit. Glücklicherweise aber, ist die Materie nicht wirklich und das Böse hat keine Macht; das wird jedesmal bewiesen durch die Christian Science, wenn ein Verständnis von ihrer Unwirklichkeit und Machtlosigkeit einen Krankheitsfall oder eine Sünde überwunden hat. Die Menschen glauben noch immer, daß die Hörner des Drachen die zehn Gebote brechen können; weil sie zuerst aus menschlicher Furcht dem Drachen Macht zugeschrieben und ihn alsdann aus menschliche: Sinnlichkeit als wirklich einsetzen. Aber nur zu sagen die Materie sei unwirklich ist von wenig Wert. Der metaphysische Grund ihrer Unwirklichkeit muß erfaßt und verstanden werden. In derselben Weise ist es ganz wertlos wenn jemand sagt das Böse sei machtlos, solange er sich die ganze Zeit aufführt als ob es mächtig wäre. Dennoch muß der Buchstabe und der Geist Hand in Hand gehen, und der Buchstabe kann nie völlig erfaßt werden bis man den Geist in sich aufgenommen hat, ebensowenig wie der Geist völlig aufgenommen werden kann bis man den Buchstaben erfaßt hat. Ist das geschehen so kann nichts der Wissenschaft und der Macht des Prinzips widerstehen; ihre „werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“
In dem Verständnis dieser Wahrheit über die Unwirklichkeit und Machtlosigkeit des Bösen, liegt das Geheimnis des Friedens der von Gott kommt und höher ist denn alle Vernunft. Die Verzweiflung, die Unruhe, die Leiden, die den einzelnen verfolgen, sind im genauen Verhältnis zu seinem Glauben an das Böse, und sie verschwinden genau in dem Verhältnis in welchem der einzelne, durch sein Verständnis vom Prinzip, das Böse zu nichts zurückführt. Der Glaube an die Macht des Bösen ist unvermeidlich ein Ausdruck der Materialität. Größere Liebe, sagt der griechische Text des Neuen Testamentes, hat kein Mensch als der, welcher seine Materialität läßt für seine Freunde. So lange ein menschliches Wesen an die Materialität glaubt, solange muß es an Sünde, Krankheit und Tod glauben; in anderen Worten, an die Wirklichkeit der Materie und die Macht des Bösen. Wenn der Mensch anfängt seine Materialität aufzugeben geschieht das nur, weil er seinen ersten Glimmer der geistigen Wirklichkeit und somit des ewigen Lebens erfaßt hat. Dies ist die eigentliche Grundlage der Lehre der Christian Science. „Es ist,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 468 von Wissenschaft und Gesundheit, „kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie. Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem.“