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„Der Obrigkeit untertan“

Aus der Dezember 1922-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein Mensch, der eine richtige Auffassung von Verantwortlichkeit hat, erfreut sich meist hoher Wertschätzung. Der pflichtvergessene, unzuverlässige Mensch, auf dessen Versprechen und auf dessen Demonstration man sich nie verlassen kann, muß stets unter Aufsicht gehalten werden, und es ist oft schwieriger, einen Menschen ohne Verantwortlichkeitsgefühl zu beaufsichtigen, als die betreffende Arbeit selber zu tun. Wahre Verantwortlichkeit ist ein Eingehen auf die Forderungen des göttlichen Prinzips und sollte daher von Kraft und Frieden begleitet sein. Sie ist die Anerkennung der Tatsache, daß man Pflichten hat und Gehorsam schuldet, und die Erkenntnis der Notwendigkeit, dem Beispiel Christi Jesu zu folgen. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 18 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“: „Seine Mission galt ihm selbst, wie der Gesamtheit. Er erfüllte sein Lebenswerk in der rechten Weise, nicht nur um sich selbst gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen — um ihnen zu zeigen, wie sie ihr Lebenswerk zu erfüllen hätten, nicht aber, um dasselbe für sie zu tun oder sie einer einzigen Verantwortlichkeit zu entheben.“ Irrige und böse Einflüsterungen möchten jedoch alles, was gut ist, umkehren, und so kommen die Menschen in Versuchung, die Verantwortlichkeit persönlich aufzufassen und sich dadurch schwere Lasten aufzuerlegen. Wohl nirgends ist diese falsche Auffassung besser ausgedrückt als in den Worten: „Meiner Mutter Kinder zürnten mit mir. Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt; aber meinen eigenen Weinberg habe ich nicht behütet.“

Einem jeden von uns sind Beispiele aus dem täglichen Leben bekannt, wo Männer, die sich großen Reichtum angesammelt hatten, in einem Alter dahinschieden, das eigentlich die Blüte des Lebens sein sollte. Um ihr Lebensziel zu erreichen, verurteilten sie sich tatsächlich zu lebenslänglicher Zwangsarbeit und Sklaverei. Eine Gefängnisstrafe ist hart, nicht allein wegen der schweren Arbeit — alle Menschen müssen arbeiten —,sondern weil der Verurteilte von der Natur abgeschnitten ist, von den Wiesen und Bäumen, den Bächen, Blumen und Vögeln. Ein Mensch, der nur seinem eigenen Vorteil nachjagt, schließt sich nun eigentümlicherweise freiwillig von alledem ab, ja noch mehr, auch für Muße, Veredlung des Geistes, Erholung, Interesse an der Menschheit gönnt er sich keine Zeit. Und was erzielt er dadurch? Zahlen im Hauptbuch! Hier haben wir es mit einem Verantwortlichkeitsgefühl zu tun, das tödlich wirkt.

Ferner legt der selbstsüchtige und ehrgeizige Mensch auch anderen schwere Lasten auf. So beurteilt er z. B. seine Angestellten nach dem, was sie ihm einbringen. Hat er Arbeiter, die es an Tüchtigkeit zu wünschen übrig lassen, treibt er sie zu größeren Leistungen an, damit sie ihm auch den erwarteten Gewinn einbringen. Und hat er treue, nützliche Arbeiter, die seinen Erfolg bereits unterstützen, so wird auch denen mehr Arbeit aufgetragen und die freie Zeit geschmälert, damit der bisherige Gewinn noch größer werde. Es liegt auf der Hand, daß dieses materielle Verlangen, dieses Einspannen seiner selbst und anderer zu geistiger Armut führen muß, denn solch falsches Verantwortlichkeitsgefühl schmälert die Freude am Leben, an allem Wahren und Guten. Solche falschen Ansichten und selbstsüchtigen Ideale und die Furcht, die sie erzeugen, bezeichnet Mrs. Eddy in ihrem Buch, „The People’s Idea of God“ (S. 11), als „die modernen Pharaone, die die Kinder Israel immer noch in Banden halten.“ Und sie fährt fort: „Die Sterblichen, mit anderen Worten die sterblichen Gemüter, machen die Gesetze, die ihre Körper regieren, ebenso unmittelbar, wie Männer gesetzliche Verordnungen machen und Strafgesetze erlassen. Doch der Körper, der der Gesetzgebung des Gemüts gehorcht, aber über das Gesetz der Annahme unwissend ist, nennt seine eigenen Verordnungen ‚Gesetze der Materie.‘ Die Gesetzgeber, die für einen großen Teil des Elends der Menschheit verantwortlich sind, sind jene Führer des öffentlichen Lebens, die sich über die Art ihrer Menschenfreundlichkeit im Irrtum befinden.“

Der römische Hauptmann, dessen Knecht Jesus heilte, ohne daß er in das Haus des Kranken zu gehen brauchte (wodurch er uns ein Beispiel einer Heilung durch abwesenden Beistand gab), verstand das wahre Wesen der Verantwortlichkeit durch unmittelbare Anschauung. Er hatte seine Hundert unter sich, und sie gehorchten ihm. Zu Jesus sagte er ehrerbietig: „Ich bin ein Mensch, der Obrigkeit Untertan, und habe unter mir Kriegsknechte; und wenn ich sage zu einem: Gehe hin! so geht er; und zum andern: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das! so tut er’s.“ Es ist beachtenswert, daß der Hauptmann sich nicht selbst als die Obrigkeit bezeichnete sondern als „der Obrigkeit untertan.“ Er schuldete anderen Gehorsam, darin bestand seine Verantwortlichkeit. Er hätte wohl sagen können, daß er dem Reich oder dem Kaiser untertan und verantwortlich war, aber er schien zu erkennen, daß Jesu Verantwortlichkeit einer unsichtbaren Obrigkeit galt. Wohl konnte er seinen Kriegsleuten befehlen, eine aufrührerische Volksmenge zu zerstreuen, aber als sein Knecht hilflos darniederlag, war nichts Handgreifliches da, das er zu bekämpfen imstande gewesen wäre. Er brauchte Hilfe, nicht materielle sondern geistige. Und er erkannte, daß Christus Jesus, da er Gott gehorchte, wohl einer Obrigkeit untertan war, aber doch mit Machtvollkommenheit zum Aussätzigen sagen konnte: Sei rein! und zum Lahmen: Stehe auf und wandle! und daß er mit der gleichen Machtvollkommenheit auch zu dem kranken Knecht, „den er wert hielt,“ würde sagen können: Sei stark! Der Römer sah ein, daß es sich darum handelte, unsichtbare Wohltaten auszuteilen und böse Einflüsse zu vertreiben, und daß sein Knecht, wenn er unter die Obrigkeit käme, deren Vertreter Christus Jesus war, gesund werden würde, weil diese Obrigkeit die göttliche Obrigkeit war.

Voller Dankbarkeit können wir beobachten, wie z. B. Eltern von der Last persönlicher „Obrigkeit“ befreit werden, wenn sie eine richtige Auffassung von Verantwortlichkeit gewinnen. Durch ein persönliches Verantwortlichkeitsgefühl für das Wohlergehen der Kinder beladen die Eltern sich selber, die Kinder und andere mit einer Menge Ängstlichkeiten. Manche Mutter wird überdrüssig, bedrückt und lieblos, weil sie sich beständig die Möglichkeit vor Augen hält, daß ihren Kleinen etwas Böses begegnen könnte, und wenn die Kinder ihrem natürlichen Glauben an das Gute und ihrem Vertrauen auf eine beschützende Macht Ausdruck verleihen, so tadelt sie sie, daß sie sich vor dem Bösen nicht genug in acht nehmen. Wenn aber Vater und Mutter in einer Familie das wahre Verantwortlichkeitsgefühl bekommen, weil sie Gott als die Obrigkeit anerkennen und einsehen, daß der Mensch dem Guten Gehorsam schuldet und vor dem Bösen keine Angst zu haben braucht, dann tritt sogleich eine große Veränderung ein. Die Obrigkeit, die persönlich und daher launisch war, wird zuverlässig, gerecht gegen alle, hilfreich und wohltätig. Die Eltern weisen dann ihre Kinder an, dem zu gehorchen, dem sie selber gehorchen, nämlich dem göttlichen Prinzip, und es wird manchmal vorkommen, daß sich Eltern die Schönheit und Einfachheit des Glaubens ihrer Kinder an die beschützende Macht des Prinzips zum Vorbild nehmen können.

Wie schön, wie herrlich wird die Welt sein, wenn die Herrschaft des Prinzips verstanden wird! Anstatt daß dann einige Menschen persönliche und willkürliche Herrscher sind, andere Richter mit vorgefaßter Meinung, grausame Verwalter oder ungerechte Arbeitgeber, werden sie alle „der Obrigkeit untertan“ sein. Dann werden wir Arbeiter haben, die da arbeiten „nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi, daß ihr solchen Willen Gottes tut von Herzen, mit gutem Willen, ... daß ihr dem Herrn dienet und nicht den Menschen,“ und Herren, die genau das gleiche tun werden, die ihre Arbeiter lieben und in deren Interesse für sie sorgen werden, geradeso wie wahrhaft verantwortliche Eltern für ihre Kinder sorgen. Dann werden die Völker verstehen, was wahre Verantwortlichkeit ist, und diejenigen, die reich und aufgeklärt und fortgeschritten sind, werden denen liebevoll beistehen, die noch unsicheren Schrittes sind und der Obhut und Ermutigung bedürfen.

Die Lösung dieses Problems der Weltgeschichte liegt in der wahren Bildung des einzelnen, worauf die Christliche Wissenschaft beständig hinweist. Auf Seite 5 von „Christian Healing“ spricht Mrs. Eddy von den verschiedenen Annahmen, die „die eine große Wahrheit verdunkeln, die fortwährend auf diese oder jene Art vor unserem Blick verborgen wird.“ Und sie fügt hinzu: „Diese Wahrheit ist, daß wir unsere Seligkeit selber schaffen und die Verantwortung für unsere Gedanken und Handlungen selbst tragen müssen, daß wir uns nicht darauf verlassen dürfen, daß die Person Gottes oder die Person eines Menschen unsere Arbeit für uns verrichte, sondern einsehen müssen, daß sie der Regel des Apostels gemäß geschehen muß, der da sagt: ‚[Ich] will ... dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.‘ Eine solche geistige Gesinnung würde uns zu höheren Erfolgen im Leben führen, sie würde den Menschen läutern, erheben und heiligen, sie würde ihn lehren, daß ‚was der Mensch säet, das wird er ernten.‘“

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