Vertreter der Christlichen Wissenschaft werden manchmal von ihren Patienten gefragt: „Warum kann ich keine Heilung finden, warum scheint es so lange mit mir zu dauern?“ Und vielleicht wird hinzugefügt: „Ich habe soeben ein Zeugnis im Journal (oder Sentinel) gelesen von jemand, der offenbar noch viel schlimmer daran war als ich, denn er hatte ein veraltetes Leiden. Er selbst wußte wenig oder gar nichts von der Christlichen Wissenschaft, er wandte sich an einen Vertreter und wurde tatsächlich in einer Behandlung geheilt. Woran liegt das nun? warum kann ich nicht ebenso schnell geheilt werden?“
Als ehrliche Antwort auf diese Fragen muß wohl gesagt werden, daß dem Mangel an Erfolg möglicherweise die eine oder beide der folgenden Ursachen zugrunde liegen kann: einmal Mangel an genügendem Verständnis oder an ausreichender Hingabe seitens des Vertreters, andererseits etwas in dem Gedanken des Hilfesuchenden, das festgehalten wird, anstatt aufgegeben zu werden, sei es nun eine versteckte Sünde oder eine im Bewußtsein geduldete Form der Selbstsucht oder der Nachsicht gegen sich selbst. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 392): „Um ein körperliches Gebrechen zu heilen, sollte jedes übertretene moralische Gesetz in Betracht gezogen und der Irrtum zurechtgewiesen werden.“ Es kann vorkommen, daß sich jemand äußerst aufrichtig und ernstlich nach Heilung sehnt, daß er eifrig liest und studiert und dabei doch hartnäckig an irgendeiner Form des Irrtums festhält, an einer kleinen Lieblingssünde z. B., in dem Gedanken, daß sie ja nicht viel bedeutet und keinem anderen schadet. Und dieser Versuch, zwei Herren zu dienen, stellt sich seiner Heilung hindernd entgegen. Jesus spricht sich in der Bergpredigt ganz deutlich über diesen Punkt aus. Es gibt keinen geteilten Gehorsam, entweder gehorchen wir ganz oder gar nicht.
Der ehrliche Vertreter, der sich bewußt ist, daß er auf jeden vorkommenden Fall dasselbe Prinzip anwendet, und der die mehr oder weniger schnellen Erfolge dieser Anwendung beobachtet und sich selbst sorgfältig prüft, um sicher zu sein, daß er in keiner Weise von den klaren und genau bestimmten Regeln des geistigen Heilens abweicht, braucht sich in solchen Fällen nur klar zu machen, daß es auf Grund der unendlichen Natur der Wahrheit keinen versteckten Irrtum gibt und auch kein Versteck für den Irrtum, wo er auf der Lauer liegen kann, um die vollkommene Kundwerdung bewußter Gesundheit, Harmonie und Heiligkeit allenthalben zu verdunkeln oder zu verhindern. Darum wird die Behauptung und die Verwirklichung der Allgegenwart der Wahrheit alles aufdecken, was des Aufdeckens bedarf.
Im Hebräerbrief lesen wir: „Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und dringet durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“ Der kluge Vertreter läßt diese Regel sich auf ihre Weise auswirken. Er wird nicht dazwischen treten und es unternehmen wollen, des Patienten Aufgabe für ihn zu lösen. Seine Arbeit besteht darin, des Patienten Gedanken mit solch gründlichem Verständnis von der Allheit Gottes, des Guten, zu unterstützen, daß derselbe beim Aufdecken des Irrtums den moralischen Mut und die wahrhafte Liebe zum Guten um des Guten willen haben wird, daß er den im Wege stehenden Irrtum ein für allemal aufgibt. Beide, der Vertreter und der Patient, wissen dann, daß Gott allein Gesetze macht und gibt, daß Er herrscht und regiert und daß es dem Menschen nicht zusteht, den Allmächtigen zu unterweisen. Sie wissen auch, daß das Gesetz Gottes die Lösung des Problems in der rechten Weise und für alle Zeit herbeiführt, wenn dieses Gesetz richtig angewandt wird und wenn man geduldig wartet in der ruhigen Gewißheit und in dem Vertrauen, von dem ein rechtes Verständnis von Gott stets begleitet ist.
Wenn diese Fragen aufgeworfen werden, wie es oft der Fall ist, dann möge der Vertreter sich selbst prüfen und sehen, ob er in seinem täglichen Leben und seiner täglichen Arbeit das Banner des Christentums unentwegt hochhält, und der Hilfesuchende möge sich ehrlich fragen, ob er wahrhaft bereit ist, alles für Christus, für die Wahrheit, aufzugeben, ob er, bildlich gesprochen, wirklich willens ist, das rechte Auge auszureißen oder die rechte Hand der Sünde und der Selbstsucht abzuhauen, um das Netz auf die rechte Seite zu werfen und den Segen der Gesundheit, der Harmonie und der Heiligkeit zu empfangen, den Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben.
