Als Gott dem Moses auf dem Berge Sinai die Zehn Gebote gab, dachte Moses wohl kaum daran, daß sie später allem wahren menschlichen Recht zur Grundlage dienen sollten. Er war sich sicherlich nicht bewußt, daß sie auf ewig unverändert bleiben und zum Eckstein für alle religiöse und moralische Sittenlehre werden würden. Als Jesus seinerzeit von dem Volke beschuldigt wurde, er stürze das Mosaische Gesetz um, betonte er ausdrücklich, daß er nicht gekommen sei, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Im Zusammenhang damit sagt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 174): „Der Donner des Sinai und die Bergpredigt eilen den Zeiten nach und werden sie überholen und in ihrem Lauf allen Irrtum zurechtweisen und das Himmelreich auf Erden verkünden.” Und in Rudimental Divine Science (S. 11 u. 12) sagt sie, daß jemand, der „ein wirklicher Christlicher Wissenschafter ist,” „vor allem nicht die Zehn Gebote bricht.” Kein Christlicher Wissenschafter bezweifelt daher die unbedingte Notwendigkeit, diese Gebote verstehen und ihnen gehorchen zu lernen.
Jedes der Zehn Gebote ist bei der Ausarbeitung aller menschlichen Probleme von großem Wert. Nach dem ersten ist wohl keines wichtiger als das vierte. Mit dem Gebot: „Gedenke des Sabbattags, daß du ihn heiligest” erlegte Gott nicht nur allen Menschen eine Pflicht auf, sondern gewährte ihnen auch ein herrliches Vorrecht und einen wunderbaren Schutz. Die großen Denker der letzten Jahrhunderte haben fast einstimmig zugegeben, daß die Nationen am erfolgreichsten waren, die den Sabbat am meisten beobachtet haben. Daniel Webster sagte einst: „Je länger ich lebe, desto höher schätze ich den christlichen Sabbat und desto dankbarer bin ich denen, die der Allgemeinheit seine Wichtigkeit einprägen,” während Montalembert erklärte: „Ohne Sabbat, keine Gottesverehrung; ohne Gottesverehrung, keine Religion; ohne Religion, keine dauernde Freiheit.”
Wie dankbar ist der Christliche Wissenschafter in der heutigen Zeit, da der Irrtum der Annahme nach sein Möglichstes tut, um alles, was wahr und recht ist, umzustürzen, für die Erkenntnis, daß ihm in Gottes vollkommener, beweisbarer Wissenschaft der Weg gewiesen ist, die mentale Haltung einzunehmen, die das göttliche Prinzip in bezug auf jede Frage verlangt. In seinem Bestreben, die Zehn Gebote nicht zu übertreten, betrachtet er das Vorrecht, den Sabbat zu heiligen, als etwas sehr Kostbares. Dabei beginnt er mit dem Entschluß, dieses Gebot zu erfüllen, nicht, es aufzulösen; es zu halten, nicht, es zu brechen. Mit andern Worten, er bemüht sich zu lernen, wie er die kostbaren Stunden des Sabbattages zur Erlangung und Beweisung eines höheren, geistigeren Verständnisses anwenden kann, damit er den übrigen Teil der Woche sicherer unter Gottes allweiser Führung verbringen möge.
Es ist klar, daß das Heilighalten des Sabbats, wie alle andern Demonstrationen, von jedem auf seine Art durchgeführt werden muß. Wie ein Christlicher Wissenschafter den Sonntag verbringen, wie er ihn heiligen soll, das kann keiner dem andern mit Bestimmtheit sagen. Das göttliche Gemüt allein ist imstande, jeden in der Anwendung dieser wertvollen Stunden zu leiten. Jedoch muß jeder, wie bei allen andern Dingen, sich selbst ein Gesetz sein, um den Forderungen des Prinzips treu sein zu können. Er muß sicher sein, daß es bei allem, was er unternimmt, sein Ziel ist, die Allheit Gottes, des Geistes, und die Nichtsheit der Materie zu beweisen. Dem widersetzt sich zwar das sogenannte fleischliche oder sterbliche Gemüt, aber der Christliche Wissenschafter erfreut sich der Gewißheit, daß er sich durch die falschen Beweisgründe des Irrtums nie täuschen zu lassen braucht.
Wie zu Jesu Zeiten, so bedient sich der Teufel auch im heutigen Zeitalter gern der Bibelsprache. Mit großer Beharrlichkeit gebraucht er z.B. Jesu Ausspruch: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen.” Dieser Ausspruch Jesu ist sicherlich wahr, aber man sollte nicht vergessen, daß er es nicht mehr wäre, wenn er von dem Befehl Gottes getrennt würde: „Gedenke des Sabbattags, daß du ihn heiligest.” Kann man sich vorstellen, daß Jesus an irgendeinem Tage etwas tat oder sagte, das dem Befehl Gottes entgegengesetzt oder das nicht heilig war? Der Irrtum, dessen gründe dem entgegengesetzten Standpunkt der persönlichen Befriedigung entspringen, sagt: Du hast die ganze Woche hindurch schwer gearbeitet, und sicherlich betrachtete Jesus den Sabbat als einen Tag, an dem die Menschen frei sind, zu tun, was ihnen beliebt; das ist ihre Art, sich auszuruhen und sich für bessere Dienstleistungen vorzubereiten. Als Schutz gegen Beweisgründe dieser Art haben wir die herrliche Satzung in Artikel XVII, Abschnitt 1 des Kirchenhandbuchs, wo wir lesen: „Ein Christlicher Wissenschafter wird nicht müde vom Beten und vom Lesen in der Bibel oder im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft. Belustigungen und Müßiggang bedeuten Ermüdung. Wahrheit und Liebe bringen den Mühseligen und Beladenen Ruhe.”
Der Irrtum erklärt ferner, daß alle Tage Gottes Tage sind, und versucht dann, den Tag, den wir auf Gottes Befehl heiligen sollen, den sechs andern Tagen gleichzumachen, d. h. in der Hauptsache zu einer Gelegenheit für materielle Beschäftigungen und Vergnügungen in vielleicht nur andrer Form. Er geht sogar so weit zu sagen: Jesus ging selten in die Kirche, warum solltest du es also tun? Er läßt das außer acht, was Lukas uns von Jesus sagt: „Und ging in die Schule nach seiner Gewohnheit am Sabbattage.” Danach, als er „aus der Schule” kam, ging er in das Haus des Petrus und heilte dessen Schwiegermutter.
Es ist gewiß wahr, daß alle Tage Gottes Tage sind! Und wird uns nicht in dem vierten Gebot in sicherer, praktischer und liebevoller Art gezeigt, wie wir sie in unserm Leben als solche beweisen können? Wenn wir den einen Tag zu höherer Heiligkeit erheben, werden die andern sicher von selbst einen höheren Stand erreichen. Welch freudige Möglichkeiten verheißt dieser schrittweise Fortschritt denen, die nach dem geistig Guten trachten; was für Stunden des stillen, erfrischenden Studiums, welch köstliche Gelegenheiten, sich am frischen Wasser auszuruhen, welch herrliche Augenblicke der beseligenden Gemeinschaft mit Gott! Als Christliche Wissenschafter werden wir sicherlich wachsam sein und uns die unzähligen Segnungen zunutze machen, die uns zufallen müssen, wenn wir des Sabbattages gedenken und ihn heiligen; und dann werden auch wir hingehen und die Menge wirksamer und schneller heilen können!
