Dankbarkeit ist gleichbedeutend mit Macht. Mrs. Eddy sagt in The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany (S. 352): „Wir wissen, daß wirkliche Dankbarkeit in einem besseren Leben sich kundtut”. Wahre Dankbarkeit wird an ihrer wirkungsvollen Macht erkannt; sie vollendet den Kreislauf des ausgesandten Gebets und verbindet sich mit Gott. Die Dankbarkeit dringt durch, bis sie Gottes Hand in der Dunkelheit berührt, und bis das Licht der Wahrheit die Schatten der Schwermut verdrängt. Für den, der allezeit dankbar ist, ist das Leben nicht ein langer, nutzloser Kampf mit den scheinbaren Mächten des Bösen, sondern ein stetes Vorwärtsdringen, das sich täglich durch ein volleres und mehr erweitertes Verständnis von der Macht der göttlichen Liebe ausprägt, — von der Macht, die die Fesseln der Selbstbeschränkung löst. Wahrhaft dankbar sein heißt verstehen, daß das Gute alles ist, was wirklich besteht oder Macht hat, daß das Gute unser einziges Erbe ist, alles ist, dessen wir uns je wahrhaft bewußt werden können. Es ist tröstend und heilend zu wissen, daß jeder dankbare Gedanke und jede liebevolle Tat den Stempel des Ewigen trägt.
Rechtes Denken ist dankbares Anerkennen vergangener und gegenwärtiger sowie das freudige Erwarten künftiger Segnungen. Das rechte Erkennen Gottes als Allgegenwart, Allmacht und Allwissenheit heißt das Erste Gebot halten: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben”, wie auch das neue Gebot, das Jesus seinen Jüngern gab: „Daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander liebhabt”. Das kalte, stolze Herz kann weder heilen noch geheilt werden; aber das warme, mitfühlende Herz, das von Liebe erglüht, bringt Heilung zum Ausdruck und wird ganz von selbst geheilt.
Scheint der Weg dunkel und voller Schwierigkeiten zu sein? Dann lerne fröhlich sein, und der Weg wird sicherlich heller werden und die Schwierigkeiten werden sich vermindern. Der Christliche Wissenschafter lernt, durch Tränen zu lächeln, da er weiß, daß „den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude”. Freude ist des Wissenschafters beständige Umgebung, in der ihm alles wohl gerät, und in der er sich zu Hause fühlt. Ein düsteres, liebeleeres Leben wurde nie von dem liebenden Vater verordnet; daher können Sorge, Krankheit, Sünde und Tod das Kind der Schöpfung der Liebe niemals betrüben.
Dankbarkeit ist das Kennzeichen des wahren Christlichen Wissenschafters, ein Merkmal, das ebenso bedeutungsvoll ist wie das hohepriesterliche Amtschild „Licht und Recht” (Urim und Thummim), das Aaron auf der Brust trug, jedoch nicht wie dieses nur bei besonderen Gelegenheiten sondern immer zu tragen ist. Daran erkennen uns die Menschen. Die Christlichen Wissenschafter beweisen täglich und stündlich die wunderbare Heilkraft der Liebe und Dankbarkeit. Das heißt nicht, daß wir für Krankheit und Leiden als solche dankbar sein sollten, sondern für unser Verständnis der Lehren der Christlichen Wissenschaft, daß das, was dem Guten unähnlich, unwirklich ist. Das ungefähr meinte der Apostel, als er an die Korinther schrieb: „Ich bin erfüllt mit Trost; ich bin überschwenglich in Freuden in aller unsrer Trübsal”.
Zu jenen Unglücklichen, die vor den Schranken des Gerichtshofs des sterblichen Gemüts aufgerufen werden, den feierlich ernsten Urteilsspruch entgegenzunehmen, kommt die Christliche Wissenschaft mit der liebevollen Ermahnung: „Seid getrost und unverzagt, fürchtet euch nicht und laßt euch nicht vor ihnen grauen; denn der Herr, dein Gott, wird selber mit dir wandeln und wird die Hand nicht abtun noch dich verlassen”. Selbst wenn wir hinter Gefängnisgittern sitzen, ans Krankenbett gefesselt sind oder als heimatlose Wanderer umherziehen, so wird doch der Stern eines dankbaren Herzens durch das Dunkel der sterblichen Annahme dringen, die Bande des Gefangenen lösen und dem Wanderer Heimat und Himmel bringen. Als Paulus und Silas im Gefängnis lagen, beteten sie zur Mitternachtsstunde und „lobten Gott”; und nicht nur sie wurden ihrer Fesseln los, sondern auch ihre Mitgefangenen erlangten die Freiheit.
O du Leidtragender, blicke tief in die Verstecke deines Herzens, um die Schlange der Undankbarkeit und des menschlichen Willens zu finden; und wenn du sie gefunden hast, wirf sie ins Feuer, wie Paulus die Otter ins Feuer warf! Undankbarkeit hat ihren Grund in dem Glauben an die Wirklichkeit der Materie und an die Gegenwart und Macht des Bösen, während Dankbarkeit der Ausdruck des Verständnisses der Allgegenwart und Allmacht des Guten ist. Es ist unsere Aufgabe, uns gänzlich dem Guten zuzuwenden und nicht heute freudig und morgen von Leid übermannt zu sein oder über den Verlust guter Gelegenheiten zu seufzen. Dem wahrhaft rechtschaffenen Menschen bietet sich in jedem Augenblick eine gute Gelegenheit.
In einem unharmonischen Heim herrscht Undankbarkeit, lebt jeder für sich und achtet nicht die Rechte und Vorrechte der anderen Angehörigen. So wird die Saat größerer Uneinigkeit und Trennung gesät. Sobald aber auch nur ein Mitglied einer solchen Familie einen Schimmer erhascht von der Macht der Christlichen Wissenschaft, die alle Zwietracht heilt, nimmt die Heilung dieser Familie ihren Anfang. Wenn auch das Verständnis anfangs gering ist, so hat doch die Hoffnung die Düsterkeit etwas erleuchtet; und die Freude über diese Verwirklichung gibt dem Anfänger auf seinem Wege Kraft und ermutigt ihn zu größeren Anstrengungen in der Richtung des rechten Denkens und Lebens, bis eines frohen Tages die ganze Familie in Dankbarkeit wird ausrufen können: „Mein Herr und mein Gott!”
Der Arbeiter in Seinem Weinberge, der sich wundert, warum seine heutigen Leistungen weniger gut zu sein scheinen als seine früheren, wird sich fragen: Ist nicht Undankbarkeit der Grund meiner Entmutigung? Entspringt meine Liebe zu Gott und dem Menschen demselben unmittelbaren inneren Antrieb, und ist sie so umfassend wie in jenen ersten Tagen meiner eigenen Erlösung von Krankheit und Sünde? Fühle ich mich so freudig und glücklich auf meinem Platze im Geschäft oder in der Kirche wie einst, als sich mir die Tore zum erstenmal weit öffneten an jenem denkwürdigen frohen Tage? Wir sollten oft innehalten, die Vergangenheit überblicken und jede empfangene Segnung zu einem lebendigen Stein in unserem Altar der Dankbarkeit gestalten. Dann wird dieser als Denkmal sich erheben und heller als unser berühmtes Denkmal auf der Insel Bedloe die Welt mit tiefer Bedeutung erleuchten, auf daß der müde, den Ufern der Christlichen Wissenschaft sich nähernde Fremdling aus der Welt materieller Annahmen den Altar der Demonstration erblicken und Grund zur Freude haben möge.
