Paulus ermahnte seine Zuhörer beständig, sie sollten sich einen erweiterten Begriff von Freiheit aneignen. Er erkannte deutlich die Knechtschaft des Fleisches — das heißt der fleischlichen oder falschen Annahmen — als der Menschheit anscheinend mächtigsten Feind und größten Stein des Anstoßes; er drang ernstlich in seine Zuhörer, mit seiner ganzen großen Überzeugungsgewalt, sie sollten die von ihnen als unvermeidlich angesehenen Fesseln sprengen und ohne Wanken feststehen in der vollen Freiheit der Kinder Gottes. Daher schrieb er in seinem Brief an die Galater: „So bestehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen”.
Es lohnt sich, auf diese Ermahnung näher einzugehen. Paulus wußte, daß wahre Freiheit durch den Christus kommt, — das heißt, durch das Verstehen der Wahrheit über Gott, den Menschen und die Schöpfung; und er zögerte nicht, seine Mitchristen, die diese Erkenntnis erlangt hatten, aufzufordern, zu „bestehen”, — festzustehen. Niemand wußte besser als er, wie schwierig es ist, festzustehen, an der geistigen Wahrheit auch dann festzuhalten, wenn vielleicht das Zeugnis des materiellen Sinnes und die allgemeine Ansicht der Menschheit ihr völlig entgegengesetzt sind. Gleichwohl gab es für diesen großen Darleger des wahren christlichen Wirkens nie eine Zeit des Zweifels, nie eine Versuchung, sich zu ergeben. Wenige sind von den Ansprüchen des Irrtums mehr bedrängt worden als er; und wenige haben den ununterbrochenen Anstürmen des scheinbaren Feindes, der stets seine mächtigsten Waffen ins Feld führt, so tapfer standgehalten. Dennoch verharrte der Apostel der Heiden in jener Freiheit, die allein durch die vom Christus, der Wahrheit, bewirkte Erleuchtung des Bewußtseins kommt, durch das Licht, das dem sterblichen Auge nicht leuchtet.
Wie Paulus so erkannte auch Mrs. Eddy, daß wahre Befreiung im Bewußtsein vor sich geht, daß die scheinbaren materiellen Fesseln abfallen, sobald die falsche einschränkende Annahme durch und Einfluß des Christus zerstört wird. Auf Seite 224 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mrs. Eddy unter der Randüberschrift „Mentale Emanzipation”: „Wahrheit bringt die Elemente der Freiheit. Auf ihrem Banner steht das seeleninspirierte Motto:, Die Sklaverei ist aufgehoben‘. Die Macht Gottes bringt den Gefangenen Befreiung”. Und sie fügt überzeugend hinzu: „Keine Macht kann der göttlichen Liebe widerstehen”. Ist es nicht völlig offenkundig, daß Mrs. Eddy und Paulus in ganz außerordentlich hohem Grade genau die gleiche Wahrheit erkannten, und noch mehr, — daß sie zu ihren Schlußfolgerungen durch ähnliche Offenbarungen der Wahrheit gelangten, von denen Christus Jesus in einer einfachen, allen verständlichen Sprache erklärte, sie „wird euch freimachen”? Das heißt, durch das Erlangen des Verständnisses von Wahrheit, der Tatsachen über Gott und Sein vollkommenes Geschöpf, den Menschen, wird die scheinbare Knechtschaft, in der sich die Menschheit festgehalten glaubt, aufgehoben.
Der von den Christlichen Wissenschaftern erlangte neue Freiheitsbegriff ist es, der so häufiges Zum-Ausdruck-Bringen tiefempfundener Dankbarkeit hervorruft. Von der durch wahres Freisein allein erlangten Freude erfüllt, streben die Christlichen Wissenschafter in ihrem neugewonnenen Freiheitsbegriff vorwärts und streifen beständig die Bande der falschen Annahme ab, die die Menschen fesseln und begrenzen, sobald sie sich ihnen ergeben. Das Ergebnis der Demonstration eines höheren Freiheitsbegriffs tut sich kund in der weit verbreiteten großen Unruhe, die gerade gegenwärtig auf der ganzen Welt so allgemein fühlbar ist. Alte Zustände verfallen; die allgemein gültigen Lebensund Erfahrungsregeln werden nicht mehr ungeprüft hingenommen. Der Sauerteig der Wahrheit ist an der Arbeit, und die Gärung wird dadurch erzeugt, daß die alte Art der sterblichen Annahme — der „alte Mensch” — sich dem Kommen des befreienden Christus widersetzt. Unsere Führerin, die die Schliche der sterblichen Annahme gründlich kannte, sah diesen unvermeidlichen Kampf voraus. Mit unübertroffen klarer Sprache beschreibt sie ihn in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 96) wie folgt: „Schon heute wird diese materielle Welt zum Kampfplatz widerstreitender Gewalten. Auf der einen Seite wird Disharmonie und Schrecken sein, auf der andern Wissenschaft und Friede”; und dann läßt sie eine Beschreibung der Ergebnisse der Chemikalisation folgen, von denen so viele in den Angelegenheiten der Welt jetzt zutage treten.
Mit prophetischer Genauigkeit sah Mrs. Eddy voraus, daß den Christlichen Wissenschaftern die hochwichtige Pflicht zufallen würde, in der Freiheit zu bestehen, zu der sie Christus befreien wird. Sie erwartete mit Recht, daß diejenigen, die auch nur einen Schimmer von dem heilenden Christus erlangt haben, an den in der Christlichen Wissenschaft gelehrten Tatsachen des Seins festhalten würden, und daß diejenigen, die dadurch zu einer neuen Auffassung von Gott und Seinem vollkommenen Weltall erweckt worden sind, inmitten des anscheinend verheerenden Ringens, in das der Endkampf auslaufen wird, ohne Wanken und unerschrocken feststehen würden. Sie sprach diese Erwartung auf derselben oben angeführten Seite in folgenden Worten aus: „Während dieses letzten Kampfes werden sich arge Gemüter bemühen, Mittel und Wege zu finden, um mehr Böses auszuführen; aber diejenigen, die die Christliche Wissenschaft erkennen, werden das Verbrechen im Zaum halten. Sie werden bei der Austreibung des Irrtums mithelfen. Sie werden Gesetz und Ordnung aufrechterhalten und freudig die Gewissheit der endlichen Vollkommenheit erwarten”. Welch’ erhabene Worte! Wie umfassend war doch ihr Vertrauen, daß die Christlichen Wissenschafter ihre Pflicht tun werden! Keine Einschränkungen! Kein Zugeben eines Versagens! Keine Andeutung, daß ein Christlicher Wissenschafter und Empfänger der Wohltaten des heilenden Christus weniger als seine ganze Pflicht zu tun wünscht! Das erhabene, auf ein außergewöhnlich klares geistiges Verständnis gegründete Vertrauen unserer Führerin sollte die Christlichen Wissenschafter zu der höchsten Demonstration der berichtigenden Macht des Christus, der Wahrheit, geistig erheben.
Sind wir uns als Christliche Wissenschafter des Vertrauens bewußt, das unsere Führerin in uns setzte? Wenn ja, so wollen wir uns in aller Aufrichtigkeit fragen: Führen wir ein den hohen Anforderungen unserer geliebten Führerin entsprechendes Leben? Tun wir, jeder für sich und alle zusammen, unser möglichstes, um das Verbrechen im Zaum zu halten, indem wir die Ansprüche der Sünde auf Macht zerstören? Wir wollen eingedenk bleiben, daß Liebe der einzige Befreier, der einzige Zerstörer der Knechtschaft der Menschheit ist. Wir besitzen keine anderen Mittel. Wir brauchen keine anderen; wir haben stets das erhebende und ermutigende Beispiel Christi Jesu vor uns, der dem Bösen widerstand und es selbst in seiner gehässigsten Form überwand. Und wir haben auch die Worte und Werke Mrs. Eddys, die der Menschheit gezeigt hat, wie sie in den Fußtapfen Christi Jesu wandeln kann. Unter einer solchen göttlichen Führerschaft helfen die Christlichen Wissenschafter den Nöten der Gegenwart ab. Sie halten das Verbrechen im Zaum. Sie erlangen „die herrliche Freiheit der Kinder Gottes”.
