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„Fahre hinaus auf die Tiefe”

Aus der Juni 1924-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Carlyle sagt irgendwo, wenn wir tief genug blicken, werden wir stets Harmonie finden. Gerade hierauf weist die Christliche Wissenschaft hin: Sie lehrt uns, tief genug zu blicken. Und in derselben Richtung zeichnet sich die Lehre Jesu aus. Sie taucht tief genug unter die Oberfläche aller Widersprüche—der Widersprüche zwischen gut und böse, zwischen Geist und der Materie, zwischen Seele und dem Sinne, zwischen Prinzip und der Person—,um auf den bleibenden Grund der unbedingten Wahrheit, die Grundlage ihrer Sittenlehre, zu gelangen.

Dadurch, daß die Christliche Wissenschaft unbedingt an der Allgenugsamkeit und Allumfassendheit des Geistes, an der Einheit und Unteilbarkeit des göttlichen Lebens festhält—des Lebens, das in keiner Weise von einer angeblichen Erscheinungsform des Bösen berührt oder beeinflußt wird—, gestaltet sie unser ganzes Denken, wenn auch langsam so doch sicher, von Grund aus um. Nach der Zeit Jesu scheint wegen seiner Lehre Verwirrung entstanden zu sein; und erst als die Heilige Schrift durch Mrs. Eddys reine geistige Erkenntnis beleuchtet wurde, wurden die Versuche des sogenannten menschlichen Gemüts, weltliche Gesinnung mit geistigen Wahrheiten zu verquicken, vollständig aufgedeckt. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” hat sie gezeigt, wie Jesu Worte und Werke überzeugend auf die Tatsache hinweisen, daß Geist und Materie Gegensätze sind. Sie sagt auf Seite 279: „Geist und Materie können weder zusammen bestehen noch zusammen wirken, und das eine kann ebensowenig das andere erschaffen, wie Wahrheit Irrtum erschaffen kann oder umgekehrt”. Diesen Punkt hebt sie auch ganz besonders hervor, wenn sie sagt (S. 113): „Leben, Gott, das allmächtige Gute, leugnet Tod, Böses, Sünde, Krankheit.—Krankheit, Sünde, Böses, Tod leugnen das Gute, den allmächtigen Gott, Leben”.

Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß zwischen diesen Gegensätzen kein Ausgleich möglich ist. Wir sehen, daß sich die Annahmen von der Materie und die Wahrheiten über Geist gegenseitig ausschließen, daß wir also die einen in dem Maße aus unserem Bewußtsein vertreiben, wie wir die anderen darin beherbergen. Und wir befolgen Jesu Beispiel nur, wenn wir sie gänzlich von einander trennen, indem wir an der Wahrheit der Wirklichkeit des Geistes festhalten und die Unwirklichkeit der Materie einsehen. Das ist allerdings manchmal keine leichte Aufgabe. Dann und wann wird in unserem Denken die Unterscheidungslinie unklar, und wenn uns nach wiederholten Versuchen, eine böse Annahme los zu werden, unsere Aufgabe nur noch schwieriger zu werden scheint, so tun wir gut, innezuhalten und zu prüfen, ob die Verzögerung nicht auf ein Bemühen des sterblichen Gemüts zurückzuführen ist, Übereinstimmung in diese unausgleichbaren Gegensätze zu bringen. Vielleicht haben wir nur oberflächliche Arbeit getan, sind nicht tief genug eingedrungen. Wenn wir es unterlassen, uns rückhaltlos der Führung des Geistes zu überlassen, dann werfen wir unser Netz auf die falsche Seite und werden wie einst die Jünger die ganze Nacht arbeiten und nichts fangen. Es ist bemerkenswert, daß Jesu Rat damals lautete: „Fahre hinaus auf die Tiefe” (Züricher Bibel).

Nur durch sorgfältiges Denken können wir unser Ziel erreichen. Wir können nicht Jesu Versicherung, daß das Böse eine Lüge ist, glauben und es gleichzeitig als Person, Ort oder Ding für wirksam halten. Wir dürfen nicht erwarten, zu beweisen, daß das Gemüt allerhaben ist, solange wir die Materie täglich als die Quelle unserer Freude und unseres Wohlseins ansehen. Wir können die Tatsache, daß Gott die einzige Ursache ist, nicht als wahr annehmen und an naturgesetzliche Gewalt als einen Schöpfer oder Zerstörer des Lebens glauben. Es ist unmöglich, mit den Voraussetzungen der Christlichen Wissenschaft übereinzustimmen, ohne von dem Schluß überzeugt zu sein, daß Geist allein Gegenwart hat und die Quelle alles Guten ist.

Was uns wohl am häufigsten veranlaßt, unsere Anstrengung auf halbem Wege durch einen Vergleich zu beendigen, ist die Neigung, in Gedanken die besondere Form des gewünschten Guten zu bestimmen. Das muß unser Denken gleich von Anfang an lähmen. Wenn wir nicht auf der Hut sind, werden wir versuchen, etwas umzugestalten, das „dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht”. Wenn wir damit beginnen, unser rechtmäßiges Eigentum, Gesundheit und Überfülle, zu entfalten, müssen wir eingedenk sein, daß das Gute nie materialisiert worden ist und nie materialisiert werden kann; daß also eine materielle oder weltliche Auffassung von Leben durchaus nicht der wahre Begriff von Leben ist, sondern etwas Sterbliches, das die von Gott geschaffenen Ideen anscheinend umgestaltet, begrenzt und entstellt. Das Zugeständnis, daß vergängliche Begriffe irgend welche Gegenwart besitzen, und entstellt. Das Zugeständnis, daß vergängliche Begriffe irgend welche Gegenwart besitzen, und die Annahme, daß Geist, das allumfassende Gemüt, auch nur einen Augenblick in ihrer sterblichen Umklammerung sein kann, ist das Übel, über das wir uns durch unsere Arbeit in der Christlichen Wissenschaft erheben müssen. Das Bemühen unseres Denkens, die Wahrheit zu erkennen, wird in dem Grade gehindert, wie wir an materiellen Begriffen bewußt festhalten.

Wenn wir der Voraussetzung zustimmen, daß Gott und Seine Ideen die ganze Wirklichkeit sind, dann dürfen wir uns nicht mit den menschlichen Sinnen befassen, sondern müssen bestrebt sein, ein vollkommenes, geistiges Bewußtsein zu erlangen. Ja, erst wenn die Bande, die uns irgendwie an einen falschen Begriff eines endlichen Selbst mit begrenzten menschlichen Bedürfnissen fesseln möchten, zerrissen sind, macht sich das Verständnis frei und findet einen Ruheplatz in den geistigen Ideen des göttlichen Gemüts. Das Wesen der Allgegenwart Gottes, des Guten, ist derart, daß ein Durchbrechen der beengenden Annahmen eines persönlichen Begriffs von Selbst die Tore des Bewußtseins weit auftut, so daß die heilenden Fluten der göttlichen Liebe, deren Berührung allezeit Kraft und Segen bringt, eindringen können.

Wer wegen der Ergebnisse in Sorge ist, zeigt sein Nicht-Verstehen des Wirkens des göttlichen Prinzips in der von Jesu gelehrten Wissenschaft. Nehmen wir wahre Gedanken in unser Bewußtsein auf, so zerstört die Tätigkeit dieser Gedanken die Falschheiten, die den materiellen Sinn ausmachen. Diese geistigen Ideen gehören Gott an und haben Anteil an Seiner unendlichen Macht. Kein vermeintliches Gesetz kann die Tätigkeit einer wahren Idee aufhalten. Wenn wir gewissenhaft erkannt und bekräftigt haben, daß sie stets wirksam und allgegenwärtig ist, dann haben wir unsern Teil der Arbeit getan, und der „Vater, der in das Verborgene sieht”, wird es uns „vergelten öffentlich”. Wir brauchen nur die Wahrheit über das, was wirklich Gegenwart und Macht hat, was Leben und Gesetz ausmacht, zu verstehen, und wir können dann sicher sein, daß wir uns durch diese Vergegenwärtigung unter die Obhut Gottes, der allein wirkenden wahren Heilkraft, stellen.

Denken wir also bei unserer mentalen Arbeit nicht bloß an Ergebnisse, sondern schauen wir an dem sogenannten materiellen Bedürfnis gerade vorbei und unmittelbar in den Geist hinein, wissend, daß wir in Geist, und nur in ihm. unsere Versorgung finden! Welche Erholung vom Kampf liegt in der Versicherung: „Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe denn ihr ihn bittet”! Gerade da, wo das Böse die Voraussetzung zu sein beansprucht, besteht als alleinige Wirklichkeit das vollkommene Leben, das das Zum-Ausdruck-Bringen von Geist ist, in dem es den Begriff von Mangel nicht gibt. In Geist ist Versorgung für jede Notdurft, sei das Bedürfnis nun Weisheit, Stärke, Tätigkeit, Gelegenheit oder Liebe. Wir müssen jedoch eingedenk bleiben, daß wir bei dem allwissenden Gemüt Hilfe und Führung suchen müssen, und daß wir uns darauf verlassen können und müssen, daß es seinen eigenen reinen Begriff entfaltet. Es genügt, daß wir durch dessen Entfaltung finden werden, daß wir befriedigt sind.

„Laß los und vertrau’ auf Gott”, hat einst jemand gesagt. Den materiellen Begriff loslassen heißt nicht, daß wir etwas vom Guten einbüßen; wir kommen vielmehr in den sicheren Besitz alles dessen, was wir wert halten sollten. Dieses Loslassen heißt erkennen lernen, daß Geist und seine geistige Schöpfung nie umgewandelt werden können; daß allein der materielle Sinn uns das Gute verbirgt; daß wir uns über die Kräfte des unendlichen Gemüts freuen können, die dessen „unsterbliche Formen von Schönheit und Güte” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 503) durch das unveränderliche Gesetz aufrechterhalten. Christus Jesus sagte: „Mein Vater wirket bisher, und ich wirke auch”. Unter der Obhut des Vaters gibt es nichts zu fürchten, und außerhalb Seines unendlichen Reichs gibt es überhaupt nichts. Wenn wir tief genug blicken, werden wir uns durch einen scheinbar langsamen Fortschritt nie entmutigen lassen. Wenn das Böse nur Unkenntnis der Tatsachen des Geistes ist, so muß Erkenntnis schließlich obsiegen. Wir brauchen den Kampf nie aufzugeben, „denn der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist”, wie Johannes sagt, und „alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt”.

Und wenn die Schwierigkeit sich zu vergrößern scheint, was dann? Dann ist der Gedanke noch nicht völlig darauf vorbereitet, seine falsche Annahme aufzugeben; und allein fortgesetztes und beharrliches Streben, an der Wahrheit festzuhalten, kann die Heilung bewirken. Es ist wohl noch viel Sichten und Seihen und viel andachtsvolles Verweilen in der geistigen Wahrheit nötig. Arbeite getreu weiter, und der Gedanke wird nach dem rechten Vorbild geformt werden, das unharmonische Bild wird verblassen, und die göttliche Ordnung wird schließlich „auf Erden wie im Himmel” geoffenbart werden. Wenn wir fortfahren, an Wahrheit festzuhalten, bauen wir vielleicht besser, als wir es ahnen; und alle geistige Arbeit bedeutet Fortschritt. Wir haben schließlich tief genug geblickt, wenn es unserem Denken ganz klar geworden ist, daß es außer dem Leben und der Intelligenz und der Verwandtschaft im Geist nichts zu wünschen gibt. Jesus lehrte nicht, daß wir an Stelle der aufgegebenen Materie etwas schattenhaft und weit entfernt Gutes erhalten würden. Er sagte vielmehr, daß wir uns nur dem wahren Urquell aller Schönheit und Freiheit und Freude zuwenden, wenn wir uns auf Geist verlassen. Er gab uns die Verheißung, daß wir unser Verständnis vom Guten „hundertfältig” erweitert finden—hier und „jetzt in dieser Zeit”—, wenn wir das Gute als Geist erkennen lernen. Sich der Gegenwart der Ideen Gottes bewußt werden heißt erkennen, daß wir nur geistige Bedürfnisse haben, und daß diese schon gestillt sind. Es gibt keine zukünftige Erlösung, auf die wir warten müssen. Wir können uns stets der Gegenwart geistiger Ideen erfreuen. Nur in ihnen drückt sich unser Leben, unsere Vollständigkeit aus. Wir wollen ihre Gegenwart in unserem Bewußtsein furchtlos festhalten, unabhängig von allen mit Zeit, Einrichtung oder Aufbau verknüpften menschlichen Annahmen. Nicht anders können wir uns von dem sogenannten Mesmerismus des sterblichen Sinnes frei machen.

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