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Mit beiden Fittichen im Flug

Aus der August 1924-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der Psalmist gibt dem Sehnen manches Menschenherzens Ausdruck, wenn er sagt: „O hätte ich Flügel wie eine Taube! Ich wollte hinfliegen, daß ich Ruhe fände” (Züricher Bibel). Diese Ruhe, nach der wir uns alle sehnen, ist die Ruhe, die aus vollkommen harmonischer Tätigkeit hervorgeht; wir müssen aber, wie der verlorene Sohn, bereit sein, uns von den Schmerzen und Freuden der Materie, von den falschen Tätigkeiten des Daseins, abzuwenden, ehe wir wirklich sagen können: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen”, dahin, wo allein wahre Tätigkeit und wahre Ruhe zu finden ist. Gesegnet sind in der Tat diejenigen, die diese Heimreise angetreten haben. Denn sie gehen, wenn der Weg auch lang ist, dennoch der Stadt entgegen, deren „Baumeister und Schöpfer Gott ist”, und in der nach den Worten des Johannes „der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei”.

Diejenigen, die sich so auf dem Wege zum Himmel befinden, würden gut daran tun, die Vögel zu beobachten, wie sie, beide Flügel ausgebreitet, im Herbst nach ihrem Winteraufenthalt im Süden fliegen und im Frühjahr ihren Weg nach dem Norden zurück finden. Wie freudig, frei und sicher ihr Flug doch ist! Der Verfasserin dieser Betrachtung kam, als sie sie über einen herrlichen blauen See fliegen sah, der Gedanke: Wie nötig sind doch beide Flügel! Bedenke, wie weit wohl der schnellste Vogel mit nur einem Flügel fliegen könnte, sei dieser eine auch noch so vollkommen! Dann wandte sich der Gedanke den Erdenkindern zu, die ihres Vaters Haus suchen. Wie freudig sollte auch eine solche Reise sein! Doch wie weit entfernt von Glück und Harmonie glauben wir sie manchmal zu finden! Wir sagen, wir haben uns so viel Mühe gegeben, sind so ausdauernd gewesen; doch wir haben vielleicht versucht, mit nur einem Flügel zu fliegen und haben vergessen, daß beide Flügel nötig sind, um ans Ziel zu gelangen.

Wenn wir zu dieser Notwendigkeit erwachen, finden wir manchmal, daß es Forschen, Erfahrung, Geduld und viel Liebe erfordert, uns selbst oder anderen zu helfen, den zweiten Flügel zu gebrauchen und dadurch die Sicherheit und das Gleichgewicht zum Vorwärtskommen zu erlangen. Unsere Führerin muß diese Notwendigkeit erkannt haben, als sie in Miscellaneous Writings (S. 267) sagte: „Der Vogel, dessen rechter Flügel zum Aufstieg strebt, während der linke Flügel abwärts schlägt, fällt zur Erde. Beide Flügel müssen für den Aufstieg in leichtere Lüfte beschwingt werden”. Auch Paulus, der so wunderbar vorrückte, sagt uns, daß die „Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken” sein müssen.

In Christus Jesus sehen wir ein Leben, das in jeder Hinsicht eine seltene Herrlichkeit und Schönheit ausdrückte, das immer ein zärtliches Vergeben für den Reumütigen bereit hatte, doch ebenso bereit war, mutig zurechtzuweisen und alles, was sündig und dem wahren Bilde Gottes ungleich ist, auszutreiben. In der Bergpredigt gab er der Welt die höchste oder geistigste Lehre, die sie je gekannt hat; und in seinen Werken brachte er das Heilen zum Ausdruck, wovon eine solche Lehre notwendigerweise begleitet sein muß. Manche von uns würden auch wohl daran tun, eingedenk zu sein, daß dieser Sohn Gottes, der den Tod und das Grab besiegte, sich Zeit nahm, die Lilien auf dem Felde anzusehen und zu sagen: „Lasset die Kindlein und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen”.

Die Führerin der christlich-wissenschaftlichen Bewegung, Mary Baker Eddy, zeigte in ihrem Leben, was für ein herrlicher Fortschritt dem möglich ist, dessen beide Flügel ausgebreitet sind. In allen ihren Schriften betont sie, wie sehr wir die Wahrheit und ihr Verständnis, auch die Liebe und ihr sanftes Wirken brauchen, wenn wir unser Leben dem Spiegelbild des einen vollkommenen Lebens beständig näher bringen wollen. Ja, der Name Christian Science schließt das große Bedürfnis in der Religion sowohl für die Wissenschaft als auch für das Christentum unmittelbar in sich.

Die von den Propheten aller Zeiten besungene ewige Wahrheit: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr” wurde von Jesus abgerundet und vervollständigt, als er folgende Worte hinzufügte: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten als dich selbst”. Wie viele große menschliche Bestrebungen sind nutzlos gewesen, wie viele Kirchen haben aufgehört, Fortschritte zu machen, weil man glaubte, man könne diese beiden ewigen Wahrheiten voneinander trennen, glaubte, man könne die eine betätigen und die andere außer acht lassen, uneingedenk dessen, daß der Mensch das, was „Gott zusammengefügt hat”, „nicht scheiden” soll.

Auf der ersten Seite in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” lesen wir die Worte: „Beten, wachen und arbeiten, verbunden mit Selbstaufopferung, sind Gottes gnadenreiche Mittel zur Vollendung alles dessen, was mit Erfolg zur Christianisierung und Gesundheit der Menschheit getan worden ist”. Wenn wir sowohl wachen als auch beten, werden wir unsere schwachen Punkte entdecken; und wenn wir sowohl gern arbeiten als auch gern beten, werden wir die schwachen Punkte stärken. Wenn wir das alles tun, um Gott zu verherrlichen, dann hebt uns Selbstaufopferung aus dem Traum des Lebens in der Materie heraus, und wir werden harmonischer unserem Ziel—der „Christianisierung und Gesundheit der Menschheit”—entgegengehen.

Auf dieser Reise zu unseres Vaters Haus gibt es viel zu lernen. Wir müssen sowohl Hörer als auch Verkünder, sowohl Denker als auch Täter sein. Wenn Demut stets unsere Siege begleitete, wieviel selbstloser und freudiger wäre dann unser Weg! Wir müssen manchmal innehalten, für uns zu arbeiten, und müssen unsern Bruder lieben und ihm helfen, wie wir haben möchten, daß uns geholfen werde. Wie oft geben wir uns denn für einen andern dieselbe geheiligte Mühe, die wir auf die Ausarbeitung unserer eigenen Schwierigkeiten anwenden mußten? Der liebevolle, christliche Helfer, der beständig für andere arbeitet, würde finden, daß er weiser und erfolgreicher arbeiten würde, wenn sein Leben „unter dem Schirm des Höchsten” geläutert und seine Liebe zu Gott als ebenso nötig erkannt würde wie seine Liebe zum Menschen.

Wie oft hört man fragen: Was sollte zuerst kommen, die Familie oder die Kirche? Brauchen wir nicht beide zu unserem Wachstum? Leidet nicht die eine darunter, wenn wir die andere vernachlässigen? Wer zu Hause aufrichtig und liebevoll gearbeitet hat, wird die Dinge in viel klarerem Lichte sehen, wenn er Arbeit im Dienst der Kirche zu tun bekommt. So wird der, der im engen Familienkreis die Schwierigkeiten auf geistige Weise ausarbeiten gelernt hat, zum wertvolleren Kirchenmitglied.

Die Christlichen Wissenschafter lieben ihre ruhigen Zeiten, ihre Stunden des Forschens und der Erfrischung. Gott wird ihnen zu solchen Zeiten zu einer lebendigen Gegenwart, und sie erlangen wundervolle Lichtblicke von dem neuen Himmel und der neuen Erde, wo Gerechtigkeit, Harmonie und Friede wohnen. Können wir nicht ebenso freudig die Stunde der Demonstration willkommen heißen, wenn von uns verlangt wird, daß wir einem Leidenden, sei es uns oder einem andern, beweisen, was wir durch Gebet und Selbstaufopferung erlangt haben? Wohl erfordert es Arbeit; aber es ist die denkbar vornehmste Arbeit, und sie sollte mit der größten Freude getan werden. Wie oft überwältigen uns statt dessen Furcht und Zweifel, wie oft werden Verdammnis und Verzweiflung unsere Begleiter, und wie oft staunen wir, daß wir derartiges zu überwinden haben! Wäre es nicht besser, einzusehen, daß ein solches Beweisen der Wahrheit nur das Gebrauchen des andern Flügels ist? Beide Flügel sind nötig zum Fluge heimwärts. Es ist nicht nötig, auf der staubigen Landstraße entlang zu humpeln oder mit dem einen Flügel zu flattern in dem nutzlosen Versuch, uns zu erheben, wenn wir doch die „Flügel der Morgenröte” nehmen und geradeswegs in unseres Vaters Haus fliegen können.

Wohl gibt es auf unserer Reise Tage des Wartens, wenn Glaube und Hoffnung und Geduld in gleicher Weise nötig sind. Können wir diese Eigenschaften nicht als die Farben betrachten, mit denen wir während des Wartens unsere Flügel schmücken, damit sie sowohl Schönheit als auch Kraft besitzen? Es wird auf dem Wege auch Ruhetage geben, wenn die aufgegangene Sonne unserer Erleuchtung immer mit dem siegreichen Abendrot einer vollendeten Demonstration enden wird. An diesen Tagen werden wir wahrhaft ausruhen und erfrischt werden; wir werden wieder bereit sein, vorwärts zu gehen, da wir einen Lichtblick der Erleuchtung erhascht haben, die unsere Führerin gehabt haben muß, als sie in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 323) sagte: „Angesichts der unendlichen Aufgaben der Wahrheit halten wir inne—warten auf Gott. Dann dringen wir vorwärts, bis der schrankenlose Gedanke voll Entzücken dahinwandelt, und der unbeschränkte Begriff sich beschwingt, damit er die göttliche Herrlichkeit erreiche”.

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