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Das Pflegen geistiger Fähigkeiten

Aus der November 1925-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Erfahrung eines Erforschers der Christlichen Wissenschaft gleicht manchmal derjenigen eines Wanderers, der am frühen Morgen durch ein in Nebel gehülltes Tal zieht. Der Wanderer weiß, daß zu beiden Seiten die Berge sich erheben, wenn er sie auch nicht sehen kann; und indem er Schritt für Schritt geduldig dahinwandert, sieht er, wie der Weg sich vor ihm öffnet. Er weiß, daß der Nebel seinem Fortschritt kein wirkliches Hindernis bieten kann, und daß er schließlich aus ihm herauskommen wird; und wenn er sich auch verspäten und auf seiner Reise die Nacht über ihn hereinbrechen sollte, so ist er sich doch dessen gewiß, daß er, sollte er auf dem Wege auch nur eine Anhöhe erreichen, den Nebel dort weniger undurchsichtig finden würde,— da die Erdennebel sich immer in die Tiefen drängen —, und dann wird er emporblicken und, wenn auch nur unklar, die ruhigen unwandelbaren Sterne sehen können.

Hätte der Wanderer das geistige Verständnis und den geistigen Blick des Wegweisers, dem er folgt, so würde sein Daseinsund Fortschrittsbegriff aller materiellen Begleiterscheinung und Behinderung entkleidet werden; er würde sich stets der ewigen Wirklichkeiten bewußt sein. Während jedoch der Pilger geduldig und beharrlich strebt, sich das Bewußtsein zu erwerben, daß er diese wünschenswerten und unentbehrlichen geistigen Fähigkeiten hat, kann er — getragen und gestärkt durch das Vertrauen, daß er schließlich alles, was seine Vision vom Christus verdunkelt, zurücklassen wird,— fröhlich seines Weges ziehen.

Die Fähigkeit, geistig zu hören und zu sehen, läßt sich in unbeschränktem Maße pflegen und entwickeln. Im unendlichen Reiche des Geistes, des göttlichen Gemüts, wird es immer noch mehr zu hören, immer noch mehr zu sehen geben. „Ein hörend Ohr und sehend Auge”, von denen der Weise schreibt, „die macht beide der Herr”, können immer noch erlangt werden; und das Erlangen und Anwenden dieser geistigen Ausrüstung verdient und empfängt heute noch das Lob, das der große Meister denen spendete, die sie zu seiner Zeit erlangt hatten, als er sagte: „Selig sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören”. Doch nicht die Vollkommenheit des körperlichen Sinnes pries der Meister, sondern das Wahrnehmen und Verstehen der geistigen Wahrheiten, die er entfaltete, verdienten und empfingen seinen Segen. Daß die materiellen Sinne die Dinge, die „Gott bereitet hat denen, die ihn lieben”, weder sehen noch hören, ist heute so wahr wie zur Zeit der Kirche zu Korinth; es ist aber auch heute so wahr wie vor alters, daß Gott diese unsichtbaren Wirklichkeiten „durch seinen Geist” denen offenbart, die durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft entdecken, wie sie den geistigen Sinn pflegen und betätigen können. Welcher eifrige Erforscher dieser Wissenschaft hat nicht schon wahrgenommen, daß er zuweilen klarere Lichtblicke von göttlichen Ideen erhascht, mehr von der göttlichen Harmonie hört und hier und jetzt etwas von den Früchten seiner verständnisvollen Liebe zu Gott erfährt?

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