Einige von Websters sinnverwandten Ausdrücken für „Disziplin” sind bilden, lehren, unterrichten, züchtigen. Die rechte Disziplin sollte daher stets als auf Besserung abzielend erkannt werden, eher für hilfreich als für nachteilig, eher für eine wohltätige als für eine verdummende Maßnahme gehalten werden. Es ist daher leicht zu verstehen, daß sie etwas ist, das willkommen geheißen anstatt gemieden werden sollte. Der Grund, warum die Disziplin so oft als unerwünscht empfunden worden ist, ist der, daß man sie nur als strafend angesehen hat; und Strafe wird fast allgemein für gehässig und zerstörend gehalten. Die menschliche Erfahrung pflegt diese Ansicht anscheinend zu rechtfertigen, da das Verständnis des wahren Zwecks, der jeder Disziplin zugrunde liegen sollte, fast immer gefehlt hat.
Die Bibel ist voller Ermahnungen, daß man auf Unterweisung hören und sich der Züchtigung unterwerfen soll, damit Vollkommenheit und Weisheit dargetan werden können. Der Offenbarer läßt den Geist die Worte sagen: „Welche ich liebhabe, die strafe und züchtige ich. So sei nun fleißig und tu Buße!” Daher muß jede rechte Disziplin ihre Grundlage in der göttlichen Liebe haben; und derjenige ist in der Tat weise, der die göttliche Zucht, deren heiliger Zweck ausschließlich Besserung ist, nicht nur annimmt sondern auch dankbar willkommen heißt.
Wenn die Christliche Wissenschaft angenommen wird, lernt man schnell verstehen, daß Zucht einen auf dem ganzen Wege von der Erde zum Himmel begleiten muß. Man lernt verstehen, daß ein Umwandlungsvorgang in einem beginnen und sich fortsetzen muß, bis man zu dem wahren Gleichnis Gottes erwacht, und daß dieser Vorgang nur in dem Maße möglich ist, wie man bereit ist, die Lehre oder die Unterweisung, die jeden falschen Sinn zurechtweist und berichtigt, anzunehmen und zu betätigen, bis jener Sinn aufgegeben und in dieser Weise als unwirklich, als nichts, bewiesen ist.
In dem von unserer Führerin, Mrs. Eddy, geschriebenen Handbuch Der Mutter-Kirche befinden sich sechzehn Seiten unter der bestimmten Überschrift „Disziplin”. Eine eingehende Durchsicht dieser Seiten enthüllt die interessante Tatsache, daß sie hauptsächlich Unterweisungen für den einzelnen enthalten. Die Disziplin wendet sich daher in erster Linie an den einzelnen. Jeder muß alle seine Gedanken, Worte und Handlungen der Wahrheit und der Liebe selbst unterordnen lernen; und dies kann nur in dem Maße vollbracht werden, wie Unterweisung und Züchtigung geliebt und gehegt werden. Jede Erfahrung wird dann ein Schrittstein zu höheren, heiligeren Dingen.
Im ersten Abschnitt unter der Überschrift „Disziplin” (Kirchenhandbuch, S. 40) schreibt Mrs. Eddy: „In der Wissenschaft regiert allein die göttliche Liebe den Menschen”. Hierin liegt der Kernpunkt der ganzen Frage der Disziplin. Der Christliche Wissenschafter, der die von Mrs. Eddy in dieser Weise dargelegte Wahrheit als treibenden Beweggrund für sein ganzes Denken und Handeln annimmt, schreitet unausbleiblich in dem Läuterungsprozeß, der aus ihm einen besseren Freund, ein wertvolleres Kirchenmitglied und einen vertrauenswürdigeren und tüchtigeren Beamten der christlich-wissenschaftlichen Kirche macht, beständig fort.
Bestünden alle Kirchenvorstände aus Personen, die in dieser Weise der Zucht Gottes felbst untertan geworden sind, so käme in ihrem ganzen Verkehr mit den anderen Mitgliedern nur die Widerspiegelung der göttlichen Liebe zum Ausdruck. Wer danach gerungen hat, seine Gedanken und Handlungen mit dem göttlichen Gesetz der Liebe in Übereinstimmung zu bringen, erkennt die Schwierigkeiten, die solche Anstrengungen zu bedrängen scheinen, und weiß aus Erfahrung, durch was für tiefe Wasser einer berichtigenden Zucht die göttliche Liebe führt, wenn man ihre Regierung zu verstehen und ihr zu gehorchen trachtet. Ein solcher wird andere nie hastig noch unbesonnen zurechtweisen. Er wird nie nach dem persönlichen Zeugnis richten, sondern danach trachten, nur das ruhige und barmherzige Urteil der göttlichen Liebe selbst widerzuspiegeln.
Unter derselben Überschrift (S. 55) schreibt Mrs. Eddy: „Jede Kirche soll im besonderen und selbständig ihre Mitglieder zur Rechenschaft ziehen — falls diese traurige Notwendigkeit eintreten sollte”. Die Vorstandsmitglieder, die die Zucht der göttlichen Liebe selbst gekostet haben, werden diese „traurige Notwendigkeit” wahrscheinlich nur ganz selten für nötig finden. Sollte sie sich jedoch je zu zeigen scheinen, so würden sie von einem solchen Standpunkt widergespiegelter Liebe aus an sie herangehen, daß derjenige, um den es sich handelt, erkennen würde, wie reich er dadurch gesegnet wird, daß sein Denken in dieser Weise zu der Notwendigkeit der Besserung seiner Wege erweckt wird. Zucht würde ihm dann nicht so sehr als Strafe wie als Gelegenheit zur Besserung erscheinen; und ermutigt und gestärkt würde er eher nach besseren Dingen trachten als sich ausgestoßen und beschämt fühlen.
Und wie verhält es sich mit dem tatsächlich unschuldigen Mitglied, das von einem Vorstand, der nicht in dieser Weise göttlich gezüchtigt ist, mehr oder weniger unbarmherzig zurechtgewiesen wird? Ja, dies ist eine reiche Gelegenheit für dieses Mitglied, das Gesegnetsein zu beweisen, das der erfährt, der Unrecht vergibt! Eine reiche Gelegenheit, in aller Ruhe am eigenen Beweis der Widerspiegelung der göttlichen Liebe weiterzuarbeiten! Selbst eine solche Erfahrung hilft, wenn sie in dieser Weise richtig ausgenutzt wird, in die Reihen der Christlichen Wissenschafter ein erweitertes und volleres Verständnis der Freude am Beweisen bringen, daß „in der Christlichen Wissenschaft allein die göttliche Liebe den Menschen regiert”. In dieser Weise wird wahre Disziplin so geliebt und verstanden werden, daß jede Notwendigkeit dafür verschwindet. Möge Gott diesen Tag beschleunigen!
