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Die Weisheit des Schweigens

Aus der September 1925-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wohl kein Sprichwort wird so oft erwähnt wie das folgende: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”. Trotzdem haben die Menschen die Weisheit des Schweigens sehr langsam gelernt. Viele köstliche Visionen sind verloren gegangen, weil sie laut verkündet wurden, ehe ihre Lehren erwogen und verstanden waren; mancher unschätzbare Gedankenreichtum ist durch unüberlegtes Reden in alle Winde verflogen, statt daß er zuerst überlegt und gehegt worden wäre, damit er dadurch, daß man ihn sich still zu eigen macht, bereichere und segne.

Der Christliche Wissenschafter sieht sich oft der großen Notwendigkeit gegenübergestellt zu wissen, wann er reden und wann er schweigen soll. In seinem Kampfe mit dem Irrtum wird er allzu oft zum Reden verführt, wenn Schweigen die mächtigere und wirksamere Waffe wäre. Man hört ihn oft mit dem Weisen des Altertums klagen, der „es nie bereute geschwiegen, wohl aber gesprochen” zu haben. Er muß sich beständig daran erinnern, daß das göttliche Gemüt die einzige Macht ist, und daß sein vollkommenes Walten im rechten Schweigen so wirksam widergespiegelt werden kann wie im Reden.

Die Christlichen Wissenschafter, die die Wunder des göttlichen Gemüts verstehen und zum Ausdruck bringen lernen, erkennen, daß Jesus schon durch die ersten Begebenheiten seiner irdischen Laufbahn ihr Wegweiser wurde. Unter den allerersten dieser aufgezeichneten Begebenheiten, die sich unmittelbar nach seiner Geburt ereigneten, lesen wir, daß „der Engel des Herrn dem Joseph im Traum erschien und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir und flieh nach Ägyptenland und bleib allda, bis ich dir sage; denn es ist vorhanden, daß Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen”.

Ebenso ergeht sogar heute an uns die himmlische Ermahnung, die heiligen Gedanken oder die göttlichen Ideen, die in unserem Bewußtsein erst geboren werden, und die daher noch nicht genügend Kraft gewonnen haben, um den Anstürmen des Irrtums zu widerstehen, vor dem sterblichen Gemüt — demselben zerstörenden Herodes — zu verbergen. Wie oft sind wir versucht, anstatt ein solch weises Schweigen zum Ausdruck zu bringen, mit jeder neuen Vision zu unserem Nächsten — einem Freunde oder einem Patienten — zu laufen, dem, wie wir meinen, mit diesem neuen Lichte geholfen werden könne! Die Annahme, daß Selbstlosigkeit uns hierzu veranlaßt, hindert uns wohl daran, daß wir die Stimme der göttlichen Weisheit hören, die dazu rät, solange zu schweigen, bis die Idee stark genug geworden ist, um für sich selbst zu sprechen.

Nachdem wir in dieser Weise eine sich neu entfaltende geistige Idee dem mutmaßlichen Widerstand der menschlichen Annahme unterworfen haben,— einer Annahme, die von vermeintlichen Freunden oder Feinden gehegt werden kann,— haben wir alle wohl die Erfahrung gemacht, daß wir uns fragten, wohin unsere neue Vision entschwunden sei. Ja, manchmal konnten wir nicht verstehen, warum sogar wir, die doch nur zu segnen wünschten, uns zerschlagen und zerstoßen fühlten. Wir haben uns nicht immer vergegenwärtigt, daß jede neue Vision, jedes neue Licht, eine Offenbarung von Gott ist, die gehegt und dargetan werden muß, ehe sie weise einem andern gegeben werden kann.

Nicht nur bei der Entfaltung neuer Ideen im eigenen Denken ist es gut, diese Weisheit des Schweigens zu beachten, sondern sehr oft ist es auch bei der Arbeit des Praktikers für den Patienten im erfolgreichen Dartun des Heilens von großer Wichtigkeit. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 424) sagt uns unsere geliebte Führerin: „Es ist gut mit Gott und dem Kranken allein zu sein, wenn du Krankheit behandelst”. Wir sind nicht immer eingedenk, daß sich dem Patienten durch die christlich-wissenschaftliche Behandlung neue Ideen entfalten, und daß daher keine Gelegenheit geboten werden sollte, ihnen dadurch zu schaden oder sie verloren gehen zu lassen, daß man sie durch törichtes Reden dem Irrtum aussetzt. Die Heiligkeit eines solch zärtlichen, heilenden Dienstes sollte nie durch Gerede mit anderen entweiht oder entkräftet werden. Man sollte auch ernstlich um die Weisheit des Schweigens beten, wenn Praktiker und Patient es für nötig finden, telephonisch miteinander zu reden. Sie sollten nicht vergessen, daß sie in einem solchen Augenblick nicht immer allein mit Gott und miteinander sind. Zuhörer können zugegen sein, die sie natürlicherweise nicht zu ihrer vertraulichen Unterhaltung zuziehen möchten.

„Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen”. Wie trostreich ist es, zu wissen, daß Gott, das göttliche Gemüt, immer zur Hand ist, um sowohl die Weisheit des Schweigens als auch diejenige des Redens zu zeigen! Wenn wir unentwegt auf Seine Führung achten, werden wir verstehen lernen, wie wir mit dem Gemüt allein sein und dadurch sehen können, daß das Gemüt alle sich entfaltenden Gedanken behütet und nährt, bis Gott zu Seiner eigenen weisen Zeit und auf Seine eigene weise Art jede Idee kräftig und jeder Anforderung gewachsen hervorbringen wird. Dann können wir vordringen und sie mit dem vollen Verständnis der Kraft und der Zuversicht gebrauchen,— einem Verständnis, das aus dem Gehorsam gegen die liebevolle Forderung des göttlichen Gemüts, die herrliche Tugend weisen Schweigens zu üben, hervorgeht.

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