Jahrelang, vielleicht jahrhundertelang, ist das menschliche Interesse durch Gerüchte von vergrabenen Schätzen wachgerufen worden, die zu Lande oder vielleicht in der Meerestiefe, wohin ein mit Gold beladenes Schiff im Sturm oder in der Stille versank, der Nachforschung des Abenteurers harren. Doch noch mehr Aufmerksamkeit schenkt man heutzutage alten Gräbern und Tempeln, weniger in dem Verlangen, ihnen die materiellen Schätze vergangener Zeiten zu entnehmen, als aus ihnen zu erfahren, was die Menschen in jenen Tagen dachten, was sie über Gott, den Menschen und die Unsterblichkeit glaubten.
Christus Jesus sagte einst: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, ... da die Diebe nachgraben und stehlen”. In demselben Sinne äußert sich Mrs. Eddy im Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, mit den Worten (S. 70): „Das Zeugnis der körperlichen Sinne kann uns nicht darüber belehren, was wirklich ist, und was trügerisch ist; die Offenbarungen der Christlichen Wissenschaft aber erschließen die Schätze der Wahrheit”. „Sintemal ... die Griechen nach Weisheit fragen”, schrieb Paulus, und dieses Fragen führte Sokrates zu dem Schluß, daß in Wirklichkeit das Gemüt der Mensch, und daß der Körper nur sein Diener sei. Doch wenige Gelehrte seiner Zeit oder der späteren Jahrhunderte verstanden die tiefere Bedeutung seiner Worte; denn fügte Paulus nicht hinzu, daß das Christus-Vorbild den Griechen trotz all ihres Suchens nach Weisheit nur eine „Torheit” sei?
Trotz dieses Urteils haben die Gelehrten in den griechischen Klassikern nach „Schätzen der Wahrheit” gesucht, die diejenigen, die sie finden, mehr bereichern sollten, als etwas rein Materielles dies tun kann. Ein Dichter des vorigen Jahrhunderts hat an die Griechen folgende Worte gerichtet:
„Indes der Kön’ge Finsternis
Nur stumme Pyramiden ließ,
Umwindet deine Heldenschar —
Zerschlug ihr Grab auch der Barbar —
Ein ewig frischer Lorbeerkranz:
Die Berge deines Vaterlands!
Dort winkt so manches Helden Grab,
Für den es hier kein Sterben gab!”
Griechenland hatte seine seltenen Schätze an Kunst und Philosophie, und Palästina die Erinnerungen und Szenen der größten geistigen Siege der Welt, während wir heute durch die Christliche Wissenschaft erkennen lernen, daß wir alle Schätze, die des Besitzes wert sind, haben können, wenn wir sie von ganzem Herzen suchen. Denn sagte nicht unser Meister: „Wer da bittet, der empfängt”? Als der junge König Salomo von dem göttlichen Gemüt gefragt wurde, was er von allen Dingen am meisten wünsche, antwortete er: „So wollest du deinem Knecht geben ein gehorsames Herz”. Hierauf erfolgte in bestimmtem Tone die Antwort: „Ich habe dir ein weises und verständiges Herz gegeben. ... Dazu, was du nicht gebeten hast, habe ich dir auch gegeben, sowohl Reichtum als Ehre”. In den Sprüchen lesen wir: „Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der Verstand bekommt! Denn es ist besser, sie zu erwerben, als Silber; und ihr Ertrag ist besser als Gold”. Und über die Weisheit lesen wir in demselben Zusammenhang: „Sie ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen; und selig sind, die sie halten”.
Die meisten Leute wenden sich der Christlichen Wissenschaft zu, weil es ihnen nicht gelungen ist, in der Materialität Gesundheit und Glück — kurz, Leben — zu finden; sagte aber Christus Jesus nicht, daß diejenigen, die annehmen, was er zu bieten hatte, Leben und Gesundheit die Fülle haben werden? Jahrhunderte hindurch besuchten Wallfahrer das Grab, worin er drei Tage lag, zweifellos in ehrfürchtiger Liebe sich bemühend, etwas davon zu verstehen, was ihr menschliches Leben bereichern würde; doch wir tun gut, uns der Worte zu erinnern, die der Engel an diejenigen richtete, die zuerst zu jenem Grabe gingen: „Er ist nicht hier; er ist auferstanden”.
Mit dem Verstreichen der Jahre schien es sogar, als ob die unschätzbaren Wahrheiten, die der Meister lehrte, verloren gingen,— unter der undurchdringlichen Last der sterblichen Annahme begraben wurden. Zwar gab es zu allen Zeiten ernste Sucher, die in gewissen Maße die Wahrheit des Seins erfaßten, wodurch ihr Dasein verbessert wurde, was zum Teil auch anderen zugute kam. Die Verheißung des „unausforschlichen Reichtums Christi” harrte jedoch der tiefen Ergründung durch eine Frau, die in unerschütterlichem Glauben vordringen sollte, bis ihre Bemühung von Erfolg gekrönt war.
Jahrelang, ehe Mrs. Eddy die Wahrheit des Seins entdeckte, hatte sie nach dem so dringend nötigen Christus-Heilen gesucht, und als es ihr schließlich mit scheinbar erstaunlicher Plötzlichkeit gezeigt wurde, war immer noch das Bedürfnis da, seine Quelle — sein göttliches Prinzip — zu finden. Auf Seite 109 unseres göttlich eingegebenen Lehrbuchs sagt sie: „Das Forschen war lieblich, ruhevoll und von Hoffnung getragen, weder selbstisch noch niederdrückend”; und so wird es immer sein für alle, die suchen, wie sie suchte,— für alle, die den geistigen Schatz selbst mit seiner Liebe, seiner Freude und seinem Frieden ganz in ihr Herz schließen. Allzuoft begehrt man Ländereien und Häuser, irdische Schätze, während man der Freude und des Friedens ermangelt; doch ist für den, der am ersten, zuletzt und jederzeit nach geistigen Schätzen trachtet, die göttliche Versorgung bei jedem menschlichen Bedürfnis stets vorhanden.
Bis jetzt haben sich die Schüler der Christlichen Wissenschaft diese Schätze, wie sie in der Bibel und in den Werken der Mrs. Eddy enthüllt sind, nur in geringem Maße zu eigen gemacht. Ein Kind oder ein unwissender Erwachsener kann wohl ein kostbares Kleinod in achtloser Weise wegwerfen; doch dieser Fehler wäre geringfügig im Vergleich mit der sterblichen Blindheit gegen die Schätze der göttlichen Offenbarung. Mit glühenden Worten und in bekannten Bildern spricht Johannes, der Geliebte, in seiner offenbarenden Vision von „Preis und Ehre” der erlösten Völker, wenn nach den ewigen Wahrheiten getrachtet wird, wenn sie gesehen und geliebt werden.
Des Meisters bereits erwähnte Ermahnung schließt nicht mit dem Auftrag: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden”, sondern sie hebt das Denken zum Reich des Wirklichen empor in dem bestimmten Gebot: „Sammelt euch aber Schätze im Himmel”. In den Sprüchen lesen wir: „Die Weisen bewahren die Lehre”; und wir sollten nie vergessen, daß nach den Lehren Christi Jesu Gott erkennen das ewige Leben ist. Der Meister spricht auch von dem, der die Tage und Jahre mit dem Anhäufen von materiellen Schätzen für sich selbst zubringt „und nicht reich in Gott ist”.
Im Buch Hiob wird die Frage aufgeworfen: „Was weiß Gott? Sollte er, was im Dunkel ist, richten können?” Darauf folgt die Antwort: „So vertrage dich nun mit ihm und habe Frieden; daraus wird dir viel Gutes kommen. Höre das Gesetz von seinem Munde und fasse seine Reden in dein Herz, ... und wirf in den Staub dein Gold und zu den Steinen der Bäche das Ophirgold. ... Dann wirst du deine Lust haben an dem Allmächtigen und dein Antlitz zu Gott aufheben”. Nur in dieser Weise kann sich der Schatzgräber von dem leeren Tand des Irdischen abwenden und die unvergänglichen Schätze finden, die unser Vater-Mutter Gott für alle Seine Kinder bereitet hat.
