Erhöhung ist ein gutes Wort; es erinnert an etwas überaus Wünschenswertes. Es gibt wenige Menschen, die nicht hoffen, den Zustand, den es andeutet, einmal zu erlangen. Ja, unzählige mühen sich ab, seine erhabenen Höhen zu erreichen. Doch viele wundern sich, warum ihre Bemühungen von so viel Enttäuschung begleitet sind. Die Schwierigkeit liegt darin, daß die meisten Menschen den Aufstieg in dem Glauben unternehmen, er könne in Selbstsucht ausgeführt werden, während in Wahrheit keine wahre Erhöhung ohne unbedingte Selbstverleugnung erlangt werden kann. Alle wahre Erhöhung gehört Gott an; daher kann es für den Menschen nur insofern Erhöhung geben, als seine Einheit mit Gott bewiesen wird. Jeder Glaube an eine von Gott, dem Geist, getrennte Erhöhung ist daher nur ein falscher Begriff, der sich weder auf Wesenheit noch auf Substanz, weder auf Macht noch auf Gesetz stützt.
Die Menschen scheinen indessen lange Zeit zu brauchen, bis sie einsehen lernen, daß Selbsterhöhung durchaus keine Erhöhung ist und schließlich immer mit Erniedrigung endet; daß Sichhervortun letzten Endes unvermeidlich zu Verdruß und Unheil führt. Weil falsche Absichten und Verfahren scheinbar oft von vorübergehendem Erfolg begleitet sind, scheint es, daß die Lehren so lang wiederholt werden müssen, bis die Menschen zu der Erkenntnis erwachen, daß alle Selbstsucht vollständig verwerflich und unbefriedigend ist und unabänderlich zum schließlichen Zusammensturz der fehlerhaften Tempel führt, die auf solch unsicheren Grundlagen errichtet sind.
Die Christliche Wissenschaft ist gekommen und hat Gottes unwandelbares Gesetz geoffenbart, daß alles, was nicht von Ihm ausgeht und nicht Ihm gehört, der Vernichtung anheimfallen muß. Alles, was nicht Ihm, und nur Ihm, zur Ehre gereicht, muß als falsch und daher als ungewiß und letzten Endes als unwirklich angesehen werden. Mit andern Worten, Gott allein erhöht; und eine solche Erhöhung kann nur in dem Maße erfolgen, wie göttliche Eigenschaften erworben werden und alles Gott Unähnliche aufgegeben wird.
In dem Maße, wie der Christliche Wissenschafter entdeckt, daß er Gott verstehen muß, ehe er die geistigen Höhen erreichen kann, wo wahre Erhöhung verwirklicht wird, beginnt er einzusehen, daß Petrus den einzigen Weg zu einer solchen Errungenschaft wies, als er schrieb: „Demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß er euch erhöhe zu seiner Zeit”. Dieses Sichdemütigen „unter die gewaltige Hand Gottes” wird nun allein durch die Lehre der Christlichen Wissenschaft ermöglicht. Sie macht die Regel der wahren Demut vollkommen klar; denn diese Lehren zeigen, daß nur das, was die Probe der Einheit mit Gott, dem göttlichen Gemüt, bestehen kann, nur das, was in und von Gott, dem Geist, ist, von jener wahren Demut zeugt, die etwas von wahrer Erhöhung wissen kann.
In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 313) sagt Mrs. Eddy: „Als Grund für die Erhöhung Jesu, des Sohns der Maria, wird angegeben, daß er, Gerechtigkeit‘ geliebet hatte und, gehasset Ungerechtigkeit‘”. Und in „Miscellaneous Writings” (S. 162) schreibt sie: „Materialität, Weltlichkeit, menschlicher Stolz und Eigenwille würden dadurch, daß sie seine Beweggründe und seine Christusähnlichkeit sittlich verdorben hätten, seine Macht als den Christus entthront haben”. Es ist also klar zu erkennen, daß alles, was auch nur den geringsten Anstrich von persönlichem Sinn hat, nie wahre Erhöhung kennen, nie von Gott erhöht werden kann.
Für denjenigen, der sich beständig von „Materialität, Weltlichkeit, menschlichem Stolz und Eigenwillen” abwendet, kann es unmöglich einen Ort oder eine Zeit der Selbstsucht geben. Er kann nicht dem Wunsche nach Stellung und Macht, nach persönlicher Anerkennung oder persönlicher Erhöhung frönen. Ja, nur durch die Bereitwilligkeit, jeden geringsten Anspruch der Selbstsucht als falsch und verkehrt zu erkennen, und durch die beständige Bitte um Befreiung von ihr kann man dahin gelangen, daß man in der Weise Gerechtigkeit liebt und Ungerechtigkeit haßt, daß man auch von Gott erhöht wird.
Zuweilen kostet es manche vergebliche Mühe, manches scheinbar fruchtlose Ringen, ehe der Erforscher der Christlichen Wissenschaft verstehen lernt, daß man „nicht eher hinaufrücken kann”, wie unsere Führerin in „Miscellaneous Writings” (S. 356) sagt, „bis man in der eigenen Achtung gesunken ist”. Es ist gut, stets hieran zu denken, da es oft den Schlüssel zur Lösung mancher Schwierigkeit, zu manchem verzögerten Beweis, liefert. Man kann nie zu bereitwillig sein, die Wahrheit in solch vollem Maße ins Bewußtsein einströmen zu lassen, daß sie jeden Glauben an Selbstsucht — an Eigennützigkeit, Selbstverherrlichung, Selbsterhöhung — aufdeckt und zurechtweist.
In dem Maße, wie wir in dieser Weise das Wirken der Wahrheit in unserem Denken willkommen heißen, genießen wir die unaussprechliche Seligkeit des Erkennens der Gegenwart unseres Gottes, der erhöht! Denn wenn das Selbst in dieser Weise aufgegeben wird, öffnet sich der Weg für die göttliche Vergegenwärtigung, daß der Mensch hier und jetzt das erhöhte Kind Gottes ist.
